Große Auszeichnung für "den Mann, der Verantwortung für den ganzen Planeten übernimmt"
Saúl Luciano Lliuya mit Kasseler Bürgerpreis geehrt
Saúl Luciano Lliuya ist mit dem renommierten Kasseler Bürgerpreis "Das Glas der Vernunft" ausgezeichnet worden. Der peruanische Bergführer und Kleinbauer, der vor dem Oberlandesgericht Hamm wegen Klimarisiken gegen den Energiekonzern RWE klagt, nahm die Auszeichnung gemeinsam mit seiner Frau und seinem Vater entgegen. Er erhält den Preis "für seinen Einsatz, die Folgen des Klimawandels in individuelle Verantwortung zu stellen", so die Jury. Luciano Lliuya zeigte sich von der Ehrung, die vor ihm schon Persönlichkeiten wie Hans Dietrich Genscher, Joachim Gauck, Vandana Shiva oder Edward Snowden erhielten, vor den rund 1.000 Gästen im Kasseler Staatstheater sichtlich bewegt: "Ich danke Ihnen herzlich. Ich möchte diesen Preis den Bergen der Anden widmen und den Familien, die unterhalb dieser Berge leben. Sie alle verdienen diesen Preis."
Zuvor hatte Festredner Prof. Dr. Dr. Hans Joachim Schellnhuber den Fall, durch den Luciano Lliuya berühmt geworden ist, in den globalen klimawissenschaftlichen Kontext gestellt. "Wir haben gesehen, dass sich die Klimapolitik sehr langsam bewegt, wenn überhaupt", so Schellnhuber. "Deshalb ist es an der Zeit, dass sich die Zivilgesellschaft um ihre eigene Zukunft kümmert." Die Klimaklage gehöre dazu. "Saúl Luciano Lliuya hat gewissermaßen Entwicklungshilfe von außen gegeben."
Prof. Dr. Claudia Kemfert, Ökonomin und Energieexpertin des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), betonte in ihrer Laudatio: "Sie haben schon jetzt Rechtsgeschichte geschrieben. Sie übernehmen Verantwortung nicht nur für Ihr Leben, Ihre Familie und Ihre Heimat, sondern sogar für den ganzen Planeten. Es geht hier ja nicht nur um Lliuya gegen RWE. Es geht darum, eine Praxis zu beenden, die uns weltweit bedroht. (...) Wenn man es etwas pathetisch ausdrücken möchte: Es geht um nichts Geringeres als den Weltfrieden."
Zu den ersten Gratulanten gehörte Klaus Milke, Vorsitzender der Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch, die Luciano Lliuya mit Rat und Tat bei seiner Klage unterstützt: "Wir freuen uns sehr über diese renommierte Auszeichnung für Saúl Luciano Lliuya. Wir bewundern seinen Mut, seinen Durchhaltewillen und all' die Mühen, die er mit seiner Familie für dieses Verfahren auf sich nimmt. Sein Präzedenzfall hat schon jetzt dazu geführt, dass ein hohes deutsches Gericht bestätigt hat: Große Mitverursacher des Klimawandels sind verantwortlich für die weltweiten Folgen. Saúl Luciano Lliuya fühlt sich nun zusätzlich ermutigt, dieses Verfahren zu einem erfolgreichen Ende zu führen."
Beweisaufnahme beginnt: OLG hat Sachverständige bestimmt
Der Zivilprozess in zweiter Instanz vor dem OLG Hamm ist derweil in die Phase der Beweisaufnahme übergegangen. Seit der grundsätzlichen Entscheidung des OLG im November, dass der Paragraf 1004 des BGB zur Anwendung kommt, hatten die Anwälte von RWE die Beweisaufnahme nicht akzeptiert und die Fortsetzung des Verfahrens zu verzögern versucht. So scheiterte auch der Versuch seitens der Klägeranwältin Dr. Roda Verheyen (Hamburg), sich mit der Gegenseite auf gemeinsame Gutachter zu einigen. Das Gericht hat nun selbst zwei Sachverständige für das geologische Gutachten benannt. Diese müssen ihre Benennung noch akzeptieren. Die Gutachten sollen zeigen, ob die Flutgefahr unterhalb des Gletschersees tatsächlich besteht und ob dadurch der Besitz des Klägers gefährdet ist. Dies wird nach Ansicht der Klägerseite durch mehrere bereits existierende unabhängige Gutachten untermauert. Erst wenn die Sachverständigen die bestehende Gefahr für das Haus von Saúl Luciano Lliuya bestätigt haben, will das Gericht auch Gutachter für die klimawissenschaftliche Beweisführung beauftragen. Diese werden dann prüfen, ob RWE als einer der weltweit größten Emittenten als mitverantwortlich für das Flutrisiko einzustufen ist und wie groß diese Mitverantwortung ist.
Die Stiftung Zukunftsfähigkeit kommt für die Gerichts-, Anwalts- und Gutachtenkosten auf und ruft dafür weiterhin zu Spenden - nun vor allem für die Kosten der Gutachten - auf.
Weitere Informationen:
Umwelt | Klima, 24.09.2018

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