Wirtschaft | CSR & Strategie, 01.12.2017
Geringe Erwartungen – große Euphorie
forum-Interview mit Klaus Töpfer
Klaus Töpfer war zum Zeitpunkt der Rio Konferenz Umweltminister und leitete dort die deutsche Delegation. 1998 schied er aus der Bundesregierung aus, um sein Amt als Exekutivdirektor des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP) anzutreten. Im forum-Interview blickt er zurück auf Licht und Schatten der letzten 25 Jahre und freut sich über die SDG als Richtlinien für die Zukunft.
Herr Töpfer was waren Ihre Erwartungen vor der Konferenz?
Die Erwartungen an die Konferenz 1992 waren denkbar schlecht. Das hat unter anderem dazu geführt, dass der damalige EU-Kommissar für Umwelt es ablehnte, dort hinzufahren und das auch in einer Pressekonferenz mit großem Nachdruck zum Ausdruck brachte. Da würde nur geschwätzt und nichts gemacht. Das hat vielleicht auch dazu geführt, dass der jüngste Minister, der ich damals noch war, man kann es sich heute gar nicht vorstellen, die deutsche Delegation dort geleitet hat.
Würden Sie sagen, der Geist von Rio hat die Konferenz überlebt, aber er hat sich danach verändert?
Er musste sich verändern, weil er sonst zu viel Geist und zu wenig Tat gewesen wäre. Er hat überlebt und vieles bewirkt, bis hin zu den vielen Folgekonferenzen wie Rio+20. Er hat auch deswegen gewirkt, weil sich das Konzept der Nachhaltigen Entwicklung etabliert hat, das ist in Rio 1992 justiert worden.
Deutschland war ja in Rio der Vorreiter oder zumindest haben das viele gesagt. Waren wir wirklich so viel weiter als alle anderen?
Wir waren ganz sicherlich in Rio ein die Themen und die Ergebnisse bestimmendes Land zusammen mit Europa. Europa hat die Konferenz dort eindeutig vorangetragen und in Europa war Deutschland in vielerlei Hinsicht unstrittig eine führende Größe. Es kam das eine oder andere europäische Land hinzu, Norwegen etwa oder die Schweiz, die haben viel vorangetrieben. Ob das in der Sache berechtigt war, ist eine andere Frage, aber ich glaube, das kann ich auch mit ja beantworten. Als Land in der Mitte Europas waren wir sehr viel stärker gefordert – bis zum heutigen Tag. Wir waren ganz sicherlich auch gefordert, da wir das Land sind, das zusammen mit England die Industrialisierung begonnen hat und damit auch die Auswirkungen auf die Wasserqualität, auf die Luftqualität, auf die Bodenbelastung und so weiter als erstes gespürt hat. Daraus ergab sich mit Sicherheit eine deutliche Pflicht, das hat auch dazu geführt, dass andere vieles von dem mit aufgegriffen haben, was wir vorgeschlagen haben.
Eine Besonderheit der Rio-Konferenz war ja auch, dass zum ersten Mal Umwelt und Entwicklung zusammengedacht wurden. Meinen Sie, das hat in der Folge funktioniert oder war das mehr Anspruch als Realität?
Ich habe ja schon darauf hingewiesen, dass sich dort das Konzept der nachhaltigen Entwicklung
etabliert hat. Und das heißt auch wirtschaftliche Entwicklung, diese Komponente war notwendigerweise dabei. Rio hieß nicht zufällig „Conference on Environment and Development". Es war ja auch eine Nachfolgekonferenz der ersten UN-Umweltkonferenz von Stockholm 1972, also 20 Jahre davor, und die hieß noch United Nations Conference on Human Environment. Sie war noch geprägt davon, dass viele Entwicklungsländer glaubten, die Industrieländer wollen Umweltkonferenzen machen, um damit Hemmnisse für Entwicklung zu errichten. Damals sagte ja die indische Premierministerin Indira Gandhi, die hochentwickelten Länder wollen die Entwicklungsländer vor Fehlern bewahren, die sie selbst gemacht haben, um sich zu entwickeln. Für uns war das ein enormer Ansporn, es stand mehrfach in der Vorbereitungsphase kurz vor dem Scheitern, vor dem Boykott durch die Entwicklungsländer.
„Die beste Zeit um einen Baum zu pflanzen war vor 20 Jahren, die zweitbeste ist jetzt."
Im Vorfeld habe ich viele Entwicklungsländer besucht, und dort sprachen die Leute immer von der UN Conference on Development and Environment, also andersrum, und zwar absichtlich, sie hatten andere Prioritäten. Wenn Sie nach Johannesburg 10 Jahre später gehen, da hieß die Rio+10-Konferenz dann United Nations Conference on Sustainable Development. Bei UNEP habe ich dann den Begriff „Environment for Development" eingeführt, die Verbindung war ganz klar. Das ist schon mehr als reine Rhetorik, das ist zwangsläufig, weil wir in einer Welt großer, großer Ungleichgewichte leben.Wenn Sie im Nachhinein auf die Rio-Konferenz 1992 schauen, was hätten Sie mit Ihrem heutigen Wissen anders gemacht?
In Afrika habe ich einen schönen Spruch gelernt: Die beste Zeit um einen Baum zu pflanzen war vor 20 Jahren, die zweitbeste ist jetzt. Wir müssen die Bäume also jetzt pflanzen, mit der Kenntnis dessen, was wir damals gemacht haben, aber auch dessen, was wir nicht gemacht haben. Also, wir hätten uns mehr um die Finanzierung kümmern müssen, mehr um die Governance-Fragen. Aber die SDG, die Sustainable Development Goals, das war eine klare Weiterentwicklung, die man damals schon hätte machen können, das ist schon ein großer Unterschied. Also, fragen Sie besser nicht, was hättest du anders gemacht, denn dafür ist es zu spät. Wir haben uns über die Erfolge von Rio gefreut und das, was offengeblieben war, später auch in Angriff genommen.
Herr Töpfer, wir danken für das Gespräch.
Dieser Artikel ist in forum Nachhaltig Wirtschaften 04/2017 - Jetzt die SDG umsetzen erschienen.
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