Betriebliches Mobilitätsmanagement

Unternehmen in der Mobilitätswende

Unsere Mobilität wird sich radikal verändern. Elektromobilität und Digitalisierung eröffnen neue Möglichkeiten, und Angebote wie das Fahrradleasing erfreuen sich höchster Beliebtheit. Unternehmen spielen dabei eine große Rolle: Mobilitätsmanagement als betriebliche Strategie wird zum Gewinn für Wirtschaft und Umwelt.

Um betriebliches Mobilitätsmanagement erfolgreich umzusetzen, müssen viele Teile ineinander greifen... © Mobil.Pro.FitHerr Schwarz (Name von der Redaktion geändert) hat ein Problem: Er ist Inhaber und Geschäftsführer eines mittelständischen Betriebs im Sauerland, das Geschäft entwickelt sich gut, über kurz oder lang braucht er eine weitere Produktions- und Lagerhalle. Aber es fehlt der Platz, das Betriebsgelände ist mit Verwaltung, Produktion, Lagerhallen bis auf den letzten Quadratmeter vollständig gefüllt. Vollständig? Nein, um seinen Mitarbeitern das Parken zu ermöglichen ist ein Teil des Werksgeländes als Parkfläche belegt. Bereits heute ist dieser Parkraum nicht ausreichend, mehrere Mitarbeiter weichen auf benachbarte Wohngebiete aus. Das gefällt den Nachbarn zwar nicht, wird aber murrend geduldet. Schließlich ist der Betrieb von Herrn Schwarz ein wichtiger Arbeitgeber am Ort. Die Situation wird sich weiter verschärfen, wenn der Betrieb erweitert wird, so viel ist klar. Also was tun?

Parkplatz verkleinern – Neubau realisieren
Schwarz ist begeisterter Fahrradfahrer, der – sofern er nicht auf Dienstreise ist – die 12 Kilometer von seinem Wohnort zur Arbeit mit dem Fahrrad zurücklegt. Er überlegt, ob nicht vielleicht auch Kollegen für den Arbeitsweg das Rad nutzen könnten. Oder ob es andere Möglichkeiten gibt, die wertvolle Parkfläche für betriebliche Erfordernisse zu nutzen, indem Mitarbeiter ohne ihren privaten Pkw zur Arbeit kommen. Herr Schwarz entwickelt dafür gemeinsam mit seinen Mitarbeitern verschiedene Angebote: Sie erhalten Betriebsfahrräder, die sie auch privat nutzen können. Werksbusse werden eingesetzt, um die Belegschaft aus der Produktion wohnortnah abzuholen. Eine interne Internetplattform unterstützt die Bildung von Fahrgemeinschaften und belohnt diejenigen Mitarbeiter, die auf einen Parkplatz auf dem Betriebsstandort verzichten.

Was heute immer noch progressiv klingt, ist ein nicht ausgedachtes Beispiel und etwa zehn Jahre alt. Rückblickend kann Herr Schwarz sagen: „Die Maßnahmen haben gewirkt: Wir konnten unseren Betrieb erweitern, die Mitarbeiterzahl erhöhen, und gleichzeitig den Parkraum reduzieren. Die Mitarbeiter sind mit den Angeboten hoch zufrieden und unsere Fluktuation ist extrem gering."

Mobilität so aktuell wie nie
Herr Schwarz war vor 10 Jahren ein Pionier. Heute liegen Betriebe, die über neue betriebliche Möglichkeiten der Mobilitätsgestaltung nachdenken, im Trend. Selbst die VDI-Nachrichten widmen der Fahrradnutzung im Betrieb unter der Headline „Im Alltags-Tritt" das Titelthema und Fachbeiträge. Mobilität ist zum gesellschaftlichen Dauerthema geworden, die Diskussionen um Dieselgate, Elektromobilität, (marode) Verkehrsinfrastruktur und neue Verkehrs- und Mobilitätskonzepte beschäftigt Journalisten, Politiker, Planer und Wirtschaftsführer wie nie zuvor. Die intensive Auseinandersetzung mit nachhaltiger Mobilität hat handfeste Gründe – nicht zuletzt, da die Autoindustrie für unser Land einen so hohen Stellenwert besitzt.

Die Mobilitätswende ist nicht mehr aufzuhalten
...und einige Hürden überwunden werden. © Mobil.Pro.FitDer nüchterne Blick auf die Mobilitätsdaten zeigt deutlich, dass die aktuell vorherrschende Mobilitätsgestaltung in Deutschland keine Zukunft hat.

Weite Teile des Landes versinken mittlerweile nicht mehr nur zur Rushhour im Stau. Die Instandhaltung der Verkehrsinfrastruktur hinkt weit hinter den selbst gesteckten Zielen her. Die Ballungsräume werden von Blechlawinen überrollt, die Konzentration an Stickoxiden sowie der zunehmende Lärm in Innenstädten gefährden die Gesundheit der dort lebenden Menschen, so dass die Politik bereits seit einiger Zeit zu restriktiven Maßnahmen greifen muss („Umweltzonen").

Die Nutzungsweise des Pkw als Hauptverkehrsmittel hat mit einem rationalen Verhalten wenig zu tun. Ein Investitionsgut, das durchschnittlich nur eine Stunde am Tag genutzt wird, dürfte in einer betriebswirtschaftlichen Rechnung keine Chance haben. Zudem ist es auch noch im Hinblick auf den Energieeinsatz höchst ineffizient: Maximal 40 Prozent der eingesetzten Energiemenge wird für den Antrieb genutzt.

Auch die private Rechnung geht nicht auf: Rund 80 Prozent der Beschäftigten fahren täglich mit dem Auto zur Arbeit, wobei der durchschnittliche Pkw-Besetzungsgrad im Berufsverkehr nur 1,1 bis 1,2 Personen beträgt. Da rund die Hälfte aller Beschäftigten in einem Radius von zehn Kilometern um den Betriebsstandort wohnt, ist dieser hohe Grad der Pkw-Nutzung absolut unverständlich.

Von daher stellt sich die Frage, wie eine Mobilitätswende gestaltet werden kann, ohne die Mobilitätsbedarfe in Wirtschaft und Gesellschaft zu gefährden. Dabei werden die Unternehmen eine entscheidende Rolle spielen.

Betriebliche Mobilitätskonzepte
Die Initiative „mobil gewinnt"
Mit der Initiative mobil gewinnt unterstützen das Bundesumweltministerium und das Bundesverkehrsministerium seit Mai 2017 Betriebe und Einrichtungen, die sich für nachhaltige Mobilität engagieren möchten. Ganz egal, ob das Unternehmen am Anfang steht oder bereits ein umfangreiches Mobilitätskonzept entwickelt hat – mobil gewinnt bietet eine Plattform für alle, die etwas bewegen möchten.
 
Der Wettbewerb
Wer Engagement zeigt, gewinnt beim zugehörigen Wettbewerb gleich doppelt: Denn Betriebe, die ein durchdachtes Mobilitätskonzept einreichen, erhalten die Chance, ihre Ideen umzusetzen. Möglich macht es eine finanzielle Förderung des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur.
 
150 kostenfreie Erstberatungen
Betriebe und Einrichtungen, die sich bislang noch nicht intensiver um Fragen des Mobilitätsmanagements gekümmert haben, können sich um eine der 150 kostenfreien Mobilitätsberatungen bewerben. Erfahrene Mobilitätsberater informieren dabei – konkret auf den Standort und die betrieblichen Anforderungen bezogen – über mögliche Mobilitätsmaßnahmen und deren Nutzen.
 
In den vergangenen 10 Jahren gab es verschiedene Projekte, mit denen die Möglichkeiten einer zukunftsfähigen Mobilitätsgestaltung in Unternehmen untersucht worden sind. 2008 bis 2010 haben Mobilitätsberater im Modellprojekt Effizient Mobil für rund 90 Betriebe und Einrichtungen Mobilitätskonzepte erstellt. Darauf aufbauend hat B.A.U.M. in den Jahren 2012 bis 2016 in regionalen Projektrunden (Mobil.Pro.Fit.) Mobilitätskonzepte mit rund 80 Betrieben und Einrichtungen erarbeitet. Dabei wurden alle Formen der Personenmobilität im Betrieb (Arbeitswege der Mitarbeiter, Dienstfahrten, Fuhrpark, Kunden-/Besucherverkehre) analysiert und dabei ermittelt, wie sich Verkehr vermeiden lässt, indem der Mobilitätsanlass auf andere Weise geregelt werden kann (z.B. durch den Einsatz von Videokonferenzen als Ersatz für Fahrten zu Meetings, Home-Office-Lösungen zur Vermeidung von Arbeitswegen). Wie sich das gewählte Verkehrsmittel effizienter nutzen lässt (beim Pkw z.B. durch eine effizientere Fahrweise, durch effizientere Motorentechnik oder durch eine bessere Auslastung der Fahrzeuge), welche alternativen Verkehrsmittel genutzt werden können, um den Mobilitätsbedarf auf umweltfreundlichere Weise zu befriedigen (z.B. durch die verstärkte Nutzung von Bus, Bahn und Fahrrad), und wie die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dabei so einbezogen werden können, dass sie das betriebliche Mobilitätskonzept mitgestalten und die Angebote des Betriebs umfassend nutzen.

Die Arbeiten in den Mobil.Pro.Fit.-Projekten haben deutlich gemacht, dass es auf dem Weg zu einem funktionierenden Mobilitätsmanagement drei Hürden gibt, die es zu überwinden gilt:

1. Zunächst muss ein Betrieb den Nutzen eines betrieblichen Mobilitätsmanagements erkennen. Nur so können die erforderlichen Ressourcen (Zeit und Geld) bereitgestellt werden und Mobilitätmaßnahmen sowie -konzepte entwickelt werden.

2. Ist der Beschluss zur Einführung eines betrieblichen Mobilitätsmanagements getroffen worden, müssen relevante Mobilitätsdaten erhoben und analysiert sowie Mobilitätsmaßnahmen entwickelt und umgesetzt werden.

3. Ist ein Maßnahmenprogramm erarbeitet, muss dieses in die betrieblichen Organisationsstrukturen eingefügt werden, um dauerhaft Erfolge erzielen zu können.

Herr Schwarz, der bereits seit 10 Jahren an seinem Mobilitätsmanagement feilt, hat es erkannt: Die Umsetzung und Weiterentwicklung eines Mobilitätskonzeptes braucht Kontinuität und regelmäßige Erneuerung. Rechtliche Rahmenbedingungen und Technologien verändern sich, auch in der Belegschaft gibt es Wechsel in Anzahl und Einstellung, so dass das Mobilitätskonzept regelmäßig angepasst werden muss.

Aus Erfahrungen lernen und Angebote nutzen
Fazit: Das betriebliche Mobilitätsmanagement ist auf dem Vormarsch. Alle Rahmenbedingungen sprechen derzeit dafür, dass vor allem die größeren Unternehmen über kurz oder lang ein Mobilitätskonzept erstellen müssen. Erfahrungen aus bisherigen Projekten belegen den internen Nutzen von Maßnahmen des Mobilitätsmanagements. Mit neuen Angeboten wie dem Projekt „mobil gewinnt" (siehe Kasten) stehen den Betrieben und Einrichtungen attraktive Unterstützungsangebote zur (Weiter-)Entwicklung ihres Mobilitätsmanagements zur Verfügung. Herr Schwarz tüftelt übrigens derzeit wieder an einem neuen Projekt: Die Elektrofahrzeuge, die er bereits im letzten Jahr gekauft hat, sollen nun den Mitarbeitern auch für private Fahrten über Nacht und am Wochenende zur Verfügung gestellt werden. Und auch der Nachbarschaft möchte er die Nutzung des Fuhrparks anbieten. Den Vorteil haben alle: Die Fahrzeuge werden besser ausgelastet und damit noch wirtschaftlicher, und Mitarbeiter und Nachbarschaft testen die Elektromobilität und können möglicherweise künftig auf ein eigenes Fahrzeug verzichten. Für die Buchungssoftware steht Herr Schwarz mit mehreren Anbietern in Kontakt und am liebsten würde er die Akkus der Autos auch noch in das Smart Grid seiner Firma einbeziehen. Und wir können sicher sein: Auch das wird er hinbekommen.
Von Johannes Auge, B.A.U.M. Consult

Wirtschaft | CSR & Strategie, 30.09.2017
Dieser Artikel ist in forum Nachhaltig Wirtschaften 03/2017 - Tierische Geschäfte erschienen.
     
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