Ein gut aufgestellter Hotelneubau

Projektmanagement mit Systemaufstellungen

Nur ein Jahr hat es gedauert, den Neubau von Schenna Resort mit 60 Zimmern zu planen, zu bauen und zu eröffnen. Eine Meisterleistung, wenn man bedenkt, dass vorher 7 Jahre verstrichen, mit vergeblichen Planungen, Bewilligungs- und Finanzierungsanfragen.
 
Straffe Bauleitung, klare Finanzierung, moderne Architektur und edles Design im neuen Hotel Rosengarten – punktgenau realisiert dank ­Organisationsaufstellung. © Schenna ResortDie Wende kam durch eine Organisationsaufstellung. Genau genommen waren es gleich zwei entscheidende Aufstellungen an diesem ersten Anlass im April 2015: die eine verdeutlichte, dass eine uralte Familiengeschichte sich über Generationen auswirkte. Die viel verblüffendere Aufstellung war jedoch jene, die klar aufzeigte, dass der externe Projektleiter nicht zu diesem Bauvorhaben passte. Die anwesende Hoteliersfamilie war fassungslos. Sie vertraute dem Projektleiter und hatte bereits frühere Aufträge an ihn vergeben. Seit vielen Jahren beschäftigte er sich mit dem Neubauprojekt, welches immer wieder Verzögerungen erlitt: mal fehlten die Bewilligungen, dann ließ sich keine Finanzierung finden, es war einfach der Wurm drin und die Stammgäste mussten von Jahr zu Jahr vertröstet werden. Die vier Geschwister und die Eltern, welche beim ersten Aufstellungsanlass alle anwesend waren, ließen die Frage zum Projektleiter am selben Tag noch mehrmals aufstellen, auch verdeckt, aber immer mit derselben Erkenntnis: Es braucht einen anderen Architekten/Projektleiter für diesen Neubau.

Eine mutige Entscheidung
Parallel zum Aufstellungsergebnis brachte eine umgehend eingeholte Fachexpertise erhebliche Planungsfehler ans Licht und machte deutlich, dass mit größeren Kostenüberschreitungen zu rechnen wäre. Bei einem 15-Mio.-Projekt wird das für einen Familienbetrieb schnell bedrohlich. Keine zwei Wochen verstrichen, bis die Familie zum Entschluss kam, die bisherigen Aufwände zu vergüten und nochmals ganz von vorne anzufangen.

Die Familie hielt zusammen, wie immer schon. Vater Luis, ehemaliger Malermeister, und seine Frau Rosa, legten im Jahre 1968 mit der Frühstückspension Etschblick den Grundstein zum heutigen Schenna Resort. Drei weitere Hotels wurden nach und nach erstellt oder dazu gekauft und stetig weiter entwickelt. Das heutige 4-Stern-Superior-Hotel befindet sich am Dorfeingang von Schenna, in herrlichster Aussichtslage mit Blick auf Meran. Es wird von den Hoteliers Heidi und Stefan geführt. Schwester Priska leitet den Spa- und Wellnessbereich. Auch Schwester Elisabeth ist eng mit ihren Geschwistern und dem Hotel verbunden, sie führt mit Ihrem Mann eine eigene Metzgerei im Dorf.

Gemeinsam wurde nun nach passenden Architekten/Projektleitern gesucht – und glücklicherweise schnell gefunden. In Windeseile plante das junge Architektenpaar Stefan Marx und Elke Ladurner aus dem nahen Vinschgau das Hotel neu. Die zur früheren Projektplanung erstellte Fachexpertise diente als wertvolle Grundlage für die Neukonzeption.

Prozessbegleitung mittels Organisationsaufstellung
Bereits am ersten Arbeitstag mit Organisationsaufstellung erkannten die Hotelverantwortlichen wichtige Zusammenhänge und erhielten einen klareren Blick auf das Gesamtbild. Die Aufstellungsbilder führten zu neuen Sichtweisen. Die Inhaber wurden sich ihrer Verantwortung noch bewusster. Sie erkannten die Handlungsalternativen und trafen Entscheidungen. Das ins Stocken geratene Bauvorhaben kam in Bewegung. Den Auftraggebern war schnell klar, dass die intuitive Methodik als prozessbegleitendes Instrument einen erheblichen Mehrwert stiften konnte. So kam es, dass parallel zur fachlichen Begleitung durch die Bauexperten auch ein Prozess mit Organisationsaufstellung installiert wurde. Dieser umfasste 8 Aufstellungstage innerhalb eines Jahres, also bis zur Eröffnung des Hotels. Im Anschluss gab es noch Optimierungsfragen, welche ebenfalls aufgestellt wurden, um das vorhandene Potenzial des neuen Schenna Resorts weitestgehend zu realisieren. Insgesamt fanden zum Neubauprojekt Schenna Resort etwas mehr als 50 Organisationsaufstellungen statt.

Die Auswahl der Baufirma
Für ein Hotelbauprojekt dieser Größe ist die passende Baufirma von grosser Bedeutung. Ob Organisationsaufstellung dabei helfen könne? Aus einer Gruppe von ca. 10 neutralen Personen versetzten sich einige als Stellvertreter in die Rollen des folgenden Settings:
  • Schenna Resort,
  • Betreiberfamilie,
  • Faktor Qualität (Kann die geforderte Qualität sicher­gestellt werden?),
  • Faktor Zeit (Wird der Bau fristgerecht fertig?),
  • Faktor Kosten (Können die angebotenen Preise eingehalten werden?)
  • Faktor Zusammenarbeit (Gelingt eine angenehme Zusammenarbeit auf der Baustelle, mit den Partnerfirmen, wie auch mit den Hoteliers?)
Sie wurden im Raum zu einem Simulationsbild aufgestellt. Nun gesellte sich der Stellvertreter für die erste mögliche Baufirma dazu, was sofort Wahrnehmungsveränderungen bei allen Beteiligten auslöste. Diese wurden systematisch abgefragt und mit den Wahrnehmungen zu den nacheinander aufgestellten weiteren Baufirmen verglichen. Es zeigten sich sehr interessante Bilder, welche von denjenigen Personen, die die Baufirmen kannten, als treffend beschrieben wurden. Die jeweiligen Stellvertreter der Baufirmen zeigten sich teils selbstbewusst, teils eher unsicher, die Faktoren für Qualität, Zeit, Kosten und Zusammenarbeit reagierten erstaunlich differenziert und bald war klar, dass es einen absoluten Top-Kandidaten gab. Allerdings entschied sich die Hoteliersfamilie entgegen dem klaren Aufstellungsbild für den zweitbesten Kandidaten, weil die Angebotsdifferenz zwischen den beiden besten Anbietern einfach zu gross erschien.

„Wie kann es trotzdem gelingen?" war die Frage der nächsten Aufstellung. Die Lösung kristallisierte sich Schritt für Schritt heraus: „Qualität ist oberstes Gebot", war hier die Schlüsselerkenntnis. Anschliessend ging es um eine optimale Zusammenarbeit von bis zu 200 Personen täglich. Später hatte die Baustelle tatsächlich einen sehr „friedlichen" Ruf. Dann kam der Faktor Zeit: hier war es wichtig, von Anfang an die 1-2 Reservewochen miteinzuplanen und keinen Druck aufzusetzen, sondern Raum zu lassen. Druck hätte in diesem Fall, so zeigte es die Aufstellung, vermutlich eine Verzögerung von erheblichem Ausmass zur Folge gehabt.

Wie auch immer, das neue Schenna Resort konnte pünktlich 6 Monate nach Baubeginn eröffnet werden und das Budget wurde eingehalten – so wie es der Faktor Kosten bereits viel früher angezeigt hatte. Heute, nur ein Jahr später, würde der Bau übrigens durch generelle Preiserhöhungen im Bausektor um mindestens eine Million teurer! Die effiziente Herangehensweise hat sich also doppelt gelohnt.

Von der Kinderrutsche bis zur Männerkosmetik
Organisationsaufstellungen schaffen Einblick und Weitblick. Sie erlauben Begegnungen und Erkenntnisse, wie sie jetzt auch an der neuen Kaminbar des Hotels möglich sind. © Schenna ResortEine der ersten Fragen war, ob der neue Wellnessbereich auch für Kinder zugänglich sein sollte. Die Antwort ist deutlich: der neue Spa-Bereich soll ein Ort des Genusses und der Erholung für die erwachsenen Gäste sein. Die Simulation machte auch deutlich, dass der Wellnessbereich in der bereits bestehenden Hotelstruktur für Kinder geeignet ist, aber aufgewertet werden soll. Ideen dazu wurden gleich ausgetestet: so kam das Element „Wasserrutsche" ins Bild, was sich in der Aufstellung sehr positiv zeigte. Die Rutsche wurde später gebaut und die Kinder liebten sie von Anfang an.

Die passende Kosmetiklinie zu finden, war eine besondere Herausforderung. Die Aufstellungen machten deutlich, dass männliche Kunden ganz andere Bedürfnisse hatten als weibliche. Das führte dazu, dass heute im Beauty-Bereich zwei spezielle Produktlinien und gezielte Angebote für Sie und Ihn angeboten werden. Männer kommen in Genuss von „Team Dr. Joseph", der echten Südtiroler High Tech Naturkosmetik. Frauen werden mit „Pharmos Natur" verwöhnt, natürlich biologisch zertifiziert.

Wasser und Wein, offen oder verdeckt
Etwa die Hälfte aller Fragen wurden verdeckt aufgestellt. Das hat den Vorteil, dass die Wahrnehmung geschärft ist und das rationale Denken keine Streiche spielen kann. Ein Beispiel: Beim Thema „Granderwasser oder Schenner Quellwasser" wurden die Rollen auf Zettel geschrieben, zusammen gefaltet und unter den Stellvertretern verteilt, so dass niemand wusste, ob er für die Kunden, das Schenna Resort, die Betreiberfamilie, das Granderwasser oder das Quellwasser stand. Die Kunden fühlten sich zur Gruppe von Schenna Resort, Betreiberfamilie und Quellwasser hingezogen, der Stellvertreter des Granderwassers wandte sich von selbst ab und sagte: „Mich braucht’s hier gar nicht." Eine Gegenüberstellung von Kunden und Granderwasser weckte in diesem Falle wenig Interesse. Die Stellvertreterin für das Quellwasser fühlte sich frisch und munter, den Kunden gefiel das. Auf die Granderanlage konnte getrost verzichtet werden. Vorgesehen ist, das frische Quellwasser in schönen Karaffen in jedem Zimmer anzubieten.

Eng mit dem Hotel verbunden ist auch das Weingut Pföstl. Innerhalb von nur einem Jahr hat die Marke ein Re-Branding erfahren, begleitet durch Aufstellungen. Die Produktlinien und die Rebsorten wurden dem Kundenbedarf gegenüber gestellt und neu definiert, die Produktionsmengen, das Pricing und die Vertriebskanäle konnten ausgelotet werden, sogar das neue Logo und die neuen Etiketten wurden mittels Organisationsaufstellung verfeinert.

Vielfältig: unterschiedlichste Themen
Hier noch ein paar weitere Beispiele: für jede Saison und jede Zimmerkategorie wurde ausgelotet, was das Angebot den Kunden Wert ist. Vom Preis im Businessplan bis zum möglichen Preis, der verlangt werden kann, liegt eine deutliche Differenz. Das kann sich auf den potenziellen Gewinn maßgeblich auswirken. Die Umsetzung erfolgt vorsichtig und nur schrittweise.
Fragestellungen zur Personalauswahl gab es gleich ­mehrere – mit erstaunlich treffenden Aussagen der Stellvertreter, welche ja die realen Personen nicht kannten.
Mehrfach stellte sich auch die Frage, ob die Praxis Lebensglück von Schwester Priska ins Schenna Resort integriert werden könnte. Die auf den ersten Blick attraktive Idee erwies sich jedoch in allen Aufstellungen als unglücklich und kräfteraubend für alle Beteiligten.
Dem angedachten Straßenkreisel vor dem Hotel war alles andere als wohl: „Mir ist es hier viel zu eng!" sagte der Stellvertreter. Ein genaues Ausmessen der Situation bestätigte, v.a. in Anbetracht der Hangneigung, dass eine Straßenführung ohne Kreisel viel sinnvoller ist.
Erhellend waren die Aufstellungen zu den Seminarräumen: nicht nur der optimale Bodenbelag konnte so ermittelt werden, auch die Namensgebung der Räumlichkeiten fiel klar und eindeutig aus.

Speziell: eine Aufstellung in der Bank
Auch Geld ist wichtig. Für die Finanzierung wurden drei Banken angefragt und ebenfalls aufgestellt. Keine der Banken stand im Aufstellungsbild wirklich optimal. Interessanterweise stand der Vertreter für die Volksbank ganz genau so suboptimal, wie es die Aufstellungsleiterin Romy Gerhard wenige Tage zuvor bei einer Volksbank-internen Multichannel-Aufstellung für Hotelkunden gesehen hatte. Die Hotelverantwortlichen erlaubten es, diese Erkenntnis mit dem Vertriebschef der Bank zu besprechen. Gleichzeitig waren die Familienmitglieder auch dankbar für die Gelegenheit, eine mögliche Partnerschaft mit der Volksbank vorgängig prüfen zu können.

Die Lösung war schnell und einfach: der Vertriebschef lud zu einer Organisationsaufstellung in der Bank ein, bei welcher alle relevanten Funktionen der Bank aufgestellt wurden, genauso wie das Bauprojekt und die Hoteliersfamilie. Es zeigte sich ein stimmiges Bild, was auch frühere Bedenken der bei der Aufstellung anwesenden Geschwister Pföstl ausräumte. Die Bank nahm diese Aufstellung zum Anlass, ihre Positionierung gegenüber Corporate Kunden neu zu definieren.

Als dann zu einem späteren Zeitpunkt der neue Businessplan und die Finanzierungsanfrage bei der Bank eingereicht wurde, konnte die Genehmigung innerhalb kürzester Zeit ausgestellt werden. Hotel und Bank hatten dazu gelernt – angestoßen durch Organisationsaufstellungen.

Von Fritz Lietsch und Romy Gerhard

Dieser Artikel ist in forum Nachhaltig Wirtschaften 03/2017 - Tierische Geschäfte erschienen.

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