Mr Social und Mrs Business

Mit dem Bambusfahrrad gegen Armut in Afrika

Das Kieler Start-up my Boo stellt in Kooperation mit einem sozialen Projekt in Ghana Fahrräder her. Der Rohstoff für die Rahmen: Bambus. Mit ihrem Vorhaben werden Arbeitsplätze geschaffen und Kindern das Lernen ermöglicht.

Gute Zusammenarbeit: Die Rahmen werden in Ghana montiert und auf Herz und Nieren geprüft, bevor sie in Kiel zu fertigen Fahrrädern zusammengebaut werden. © my BooMr Social freut sich schon auf die Fahrradsaison. Zusammen mit Mrs Business möchte er eine längere Radtour unternehmen. Nun, wo sich die ersten Frühlingsboten ankündigen und die Tage länger werden, juckt es besonders in den Beinen. Einzig ein Fahrrad fehlt noch. Er möchte ein gebrauchtes Fahrrad kaufen, um die Umwelt nicht zusätzlich zu belasten. Am liebsten in einer sozialen Fahrradwerkstatt. Mrs Business ist skeptisch: „Mit einem Neurad sind wir auf der sicheren Seite. Was, wenn das Gebrauchte zwischendrin doch eine Macke hat, die wir übersehen haben?" Mr Social möchte mit dem Radkauf aber auch etwas Gutes tun. Da stoßen sie auf das Social Start-up my Boo – und beide sind sofort glücklich. Mr Social verliebt sich sofort in das schicke Bambus-Rennrad und Mrs Business in den City-Flitzer. Die Räder entsprechen nicht nur anspruchsvollen europäischen Standards, ihr Verkauf finanziert zudem Kindern in Ghana eine bessere Zukunft.
 
Dezember 2012
Die Gründer Maximilian Schay und Jonas Stolzke haben gerade mit ihrem BWL-Studium begonnen und sind voller Tatendrang. Da zeigt ihnen ein Freund ein Foto von seinem Aufenthalt in Ghana. Darauf zu sehen: ein Bambusfahrrad. Schay und Stolzke beginnen über dieses Material zu recherchieren. Das Gehölz ist durch einzelne Kammern und eine dicke Außenwand extrem stabil und steif, dabei aber auch noch sehr leicht. Alles Eigenschaften, die es als Material für Fahrradrahmen perfekt machen. Über Umwege stoßen sie schließlich auf das Yonso-Projekt in Ghana. Das von Kwabena Danso 2005 gegründete soziale Projekt soll vor allem Schulstipendien, Schulrenovierungen, Büchereien und Mikrokredite finanzieren. Dafür sind sie auf Spenden angewiesen. Um davon unabhängig zu werden, beginnen sie mit dem Verkauf von Bambusfahrrädern.
 
Frühjahr 2013
Als Schay und Stolzke auf das Yonso-Projekt aufmerksam werden, steht es kurz vor dem Aus. Es fehlt an Spendengeldern. Der Verkauf der Bambusfahrräder läuft nicht besonders gut. Das wollen Schay und Stolzke ändern, indem sie die Rahmen in Deutschland vertreiben. Sie bestellen einige Testrahmen. Und müssen feststellen: Sie sind für den europäischen Markt vollkommen ungeeignet. Zu hohe Fertigungstoleranzen und fehlerhafte Konstruktionen machen sie unverkäuflich. Der scheinbare Rückschlag ist für alle Beteiligten im Nachhinein ein großes Glück. Nun können sie bei Null anfangen und zusammen mit Ingenieuren ein Produkt entwickeln, das europäischen Standards entspricht – davon profitieren am Ende auch die Ghanaer. Zunächst aber reisen Schay und Stotzke nach Afrika, um sich vor Ort mit Vertretern des Yonso-Projektes auszutauschen. Sie fassen gemeinsam den Plan, Fahrradrahmen aus Bambus in Ghana zu produzieren und diese für den deutschen Markt in Kiel zu Fahrrädern aufzubauen. Später soll auch noch der europäische Markt hinzukommen.
 
Sommer 2013
Zurück in Deutschland haben Schay und Stolzke zwar einen Plan in der Tasche – aber sonst mangelt es an allem. Sie haben kein Geld, keine Werkstatt, nicht einmal ein Büro. Um die Finanzierung für das Projekt zu stemmen, brauchen sie einen Investor. Den finden die Gründer von my Boo mit Hans-Helmut Schramm. Diesen kennt Maximilian Schay aus seinem privaten Umfeld. Er kommt aus der Region und leitet ein mittelständisches Unternehmen im maritimen Bereich.
 
Dezember 2013
Mit dem Kapital ihres Business Angels gründen Schay und Stolzke eine GmbH in Kiel. Ihr Büro haben sie vorerst in einem Coworking-Space. In Ghana entsteht durch die Finanzierung des Investors eine Werkstatt, in der die Bambusrahmen produziert werden.
 
Anfang 2014
my Boo steckt noch in den Kinderschuhen. Aber hinter den Kulissen passiert viel: Modelle werden entwickelt, Lieferketten und Vertriebswege organisiert. Im April ist es schließlich soweit: Mit vier Modellen, zwei Herren- und zwei Damenräder, geht my Boo in den Verkauf. Die Rahmen werden vor Ort in Ghana komplett produziert, in Kiel werden sie dann mit Anbauteilen zu fertigen Fahrrädern aufgebaut.
 
Ende 2014
Stolz präsentiert Gründer Stolzke das Modell „my Densu' © my Boomy Boo steht nun auf eigenen Füßen. Im ersten Jahr verkauft das Social Start-up etwa 150 Räder. Es wird Zeit, die bisher genutzten Räumlichkeiten im Coworking-Space zu verlassen. Ende 2014 zieht my Boo in die erste eigene Immobilie um. Es handelt sich dabei – wie könnte es anders sein – um einen alteingesessenen Radladen in Kiel.
 
2015
Das junge Unternehmen wächst stetig. Das Jahr 2015 wird vor allem genutzt, um sich einen Namen zu machen. Das Ziel der Marketing-Maßnahmen ist ambitioniert: Bambus soll neben Aluminium, Stahl und Carbon als Material für Fahrradrahmen am Markt etabliert werden. Zudem möchten die Kieler ihren Absatz an Fahrrädern jährlich verdoppeln.
 
2016
my Boo errichtet in Ghana eine zusätzliche Lackierwerkstatt – so werden vor Ort neue Arbeitsplätze geschaffen und ein weiterer Produktionsschritt kann an Ort und Stelle verrichtet werden. Zusammen mit UNICEF, dem Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen, wird zudem ein weiteres soziales Projekt verwirklicht: 150 Bambusfahrräder werden an ghanaische Kinder gespendet. Denn die Schulwege in Ghana sind lang – ein Fahrrad erleichtert so das Lernen. Hierzulande verkaufen die Kieler 350 Fahrräder. Auch ein erneuter Umzug steht an, die alte Immobilie ist zu klein geworden. Am neuen Standort hat my Boo alles an einem Platz – Büro und Werkstatt, in der die Rahmen zu fertigen Fahrrädern aufgebaut werden.
 
2017
Mit mittlerweile zehn Modellen startet my Boo in die neue Fahrradsaison. Dabei haben die Kieler ein echtes Highlight im Angebot: das weltweit erste Bambus-Pedelec. Der Mittelmotor ist formschön im Tretlagerbereich integriert. Nicht nur die Modellpalette ist stetig gewachsen: In Ghana sind mittlerweile über 30 junge Menschen beschäftigt – zu Beginn des Projektes waren es drei. Zudem sammeln die Kieler Spenden für den Neubau einer Schule in Ghana. 25.000 Euro kommen zusammen, ein Großteil davon wird von der Umweltbank gestiftet. Die neue Schule entsteht in Zusammenarbeit mit dem Yonso-Projekt und soll im Spätsommer 2017 eröffnet werden. Auch der Absatzmarkt der Räder von my Boo wächst. Sie werden mittlerweile von rund 100 Händlern in ganz Europa vertrieben, die meisten davon in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Das erklärte Ziel für das Geschäftsjahr 2017 lautet: 500 bis 600 Räder sollen verkauft werden – so viele, wie das Unternehmen bislang seit der Gründung abgesetzt hat. Vielleicht gehen ja davon zwei Modelle an Mr Social und Mrs Business und sie können guten Gewissens auf ihre Radtour gehen.
Sebastian Henkes

Wirtschaft | Mr Social und Mrs Business, 01.05.2017
Dieser Artikel ist in forum Nachhaltig Wirtschaften 02/2017 - Wie ernähren wir uns in Zukunft? erschienen.
     
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