Starke Frauen - Prof. Dr. Beate Jessel
Naturschutz - Viel mehr als „Viecherl“ und „Pflänzerl“
Wenn Beate Jessel über den Naturschutz spricht, wird eines deutlich: Naturschutz lässt sich nicht auf seltene oder gefährdete Pflanzen und Tiere eingrenzen, sondern ist wesentlich weiter zu fassen. Wie weit, das zeigen die vielfältigen Aufgaben „ihres" Amtes, des Bundesamtes für Naturschutz (BfN).
Eine Präsidentin aus der Praxis
Gerade wenn es um Fragen der Landschaftsentwicklung geht, macht der BfN-Präsidentin so schnell niemand etwas vor. Denn Beate Jessel ist mit der Praxis eines Planungsbüros genauso vertraut wie mit der wissenschaftlichen Forschung und Lehre. Bevor sie im Herbst 2007 auf Vorschlag des damaligen Bundesumweltministers Sigmar Gabriel an das BfN berufen wurde, hat sie ihr „Handwerk" von der Pike auf gelernt: Dem Studium der Landespflege an der TU München in Freising-Weihenstephan folgten praktische, wissenschaftliche und leitende Tätigkeiten, unter anderem an der Bayerischen Akademie für Naturschutz und Landschaftspflege (ANL) in Laufen an der Salzach. Nach ihrer Promotion zum Dr. agr. und vor ihrem Wechsel zum BfN hatte Beate Jessel den Lehrstuhl für Strategie und Management der Landschaftsentwicklung an der Technischen Universität München inne und war Professorin für Landschaftsplanung am Institut für Geoökologie der Universität Potsdam.
Seit nunmehr neun Jahren leitet die gebürtige Stuttgarterin und Professorin die einzige wissenschaftliche Behörde für den Naturschutz auf Bundesebene. Sie ist Chefin von rund 370 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, deren Alltag von der wissenschaftlichen Forschung, der Beratung des Bundesumweltministeriums in allen Fragen des Naturschutzes sowie dem Vollzug verschiedener nationaler und internationaler Abkommen geprägt ist. So ist das BfN unter anderem Vollzugsbehörde für den Meeresnaturschutz in der ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) der Vereinten Nationen und für das internationale Artenschutzübereinkommen CITES. Das BfN fördert aber auch zahlreiche andere Vorhaben, darunter Projekte mit der Wirtschaft im Rahmen des Bundesprogramms zur Biologischen Vielfalt. Hier ist das Projekt „Naturnahe Firmengelände" besonders erfolgreich, ebenso wie die vom BfN unterstützte Dialog- und Aktionsplattform „Unternehmen Biologische Vielfalt 2020", die Organisationen aus Wirtschaft und Naturschutz zusammenbringt.
Mindestens genauso breit gefächert wie die Vollzugsaufgaben und die geförderten Projekte sind die Themenfelder, die das BfN in der wissenschaftlichen Forschung besetzt. Sie reichen von den „Viecherln" und „Pflänzerln", also dem zoologischen und botanischen Artenschutz, über die nachhaltige Nutzung von Flächen zu Lande und zu Wasser bis hin zu rechtlichen, ökonomischen und auch gesellschaftlichen Fragestellungen. Darüber hinaus werden Daten und Literatur vom Meeresnaturschutz bis hin zur Landschaftsplanung und -gestaltung bereitgestellt.
Gerade wenn es um Fragen der Landschaftsentwicklung geht, macht der BfN-Präsidentin so schnell niemand etwas vor. Denn Beate Jessel ist mit der Praxis eines Planungsbüros genauso vertraut wie mit der wissenschaftlichen Forschung und Lehre. Bevor sie im Herbst 2007 auf Vorschlag des damaligen Bundesumweltministers Sigmar Gabriel an das BfN berufen wurde, hat sie ihr „Handwerk" von der Pike auf gelernt: Dem Studium der Landespflege an der TU München in Freising-Weihenstephan folgten praktische, wissenschaftliche und leitende Tätigkeiten, unter anderem an der Bayerischen Akademie für Naturschutz und Landschaftspflege (ANL) in Laufen an der Salzach. Nach ihrer Promotion zum Dr. agr. und vor ihrem Wechsel zum BfN hatte Beate Jessel den Lehrstuhl für Strategie und Management der Landschaftsentwicklung an der Technischen Universität München inne und war Professorin für Landschaftsplanung am Institut für Geoökologie der Universität Potsdam.
Diplomatie ist gefragt
Ihre beruflichen Erfahrungen und ihr profundes Fachwissen erleichtern es der BfN-Präsidentin, auch in schwierigen Situationen die oftmals nicht unumstrittene Position des Naturschutzes souverän zu vertreten. Sie ist schon von Amts wegen weniger eine Kämpferin, eher eine Diplomatin für den Naturschutz. Sie agiert klug und überzeugt mit Argumenten. Sie versteht es, dem einen oder anderen, der dem Naturschutz partiell oder sogar per se kritisch gegenübersteht, den sprichwörtlichen Wind aus den Segeln zu nehmen.
Denn letztlich ist – so ihr Verständnis – Naturschutz eine Querschnittsaufgabe, die in viele gesellschaftliche Sektoren und Politikbereiche hineinreicht und hier Überzeugungsarbeit erfordert: Ob es nun um Anforderungen an eine naturverträgliche Land- und Forstwirtschaft oder die nachhaltige Nutzung der Meere und deren Schutz vor Überfischung geht. Sei es die Abschätzung von Risiken, die von der Ausbringung gentechnisch veränderter Organismen in der Landschaft ausgehen, oder eine Siedlungsentwicklung, die neben flächensparenden Bauweisen auch im Auge behält, dass dabei Lebensqualität und Möglichkeiten zur Naturerfahrung für die dort lebenden Menschen erhalten bleiben. Beate Jessel versteht es mit Kompetenz und Charme für die Sache und ihre Anliegen zu kämpfen.
Alles hat zwei Seiten
So ist die Rückkehr des Wolfes nach Deutschland ein Beispiel dafür, wie kontrovers sich Naturschutz und Nutzerverbände oder auch Naturschutz und verunsicherte Bürgerinnen und Bürger gegenüberstehen können. Für die BfN-Präsidentin zeigt der Wolf vor allem eines: So wie der Mensch einst den Wolf in Deutschland ausgerottet hat, so ist er heute dazu angehalten, sich wieder an dessen Anwesenheit zu gewöhnen. Angst- und Panikmache sind hier fehl am Platz.
Ein anderes Beispiel, das die enge Verzahnung, ja Abhängigkeit von Mensch und Natur verdeutlicht, aber auch großes Konfliktpotenzial aufzeigt, ist der Hochwasserschutz. Technische Maßnahmen sind hier zwar unabdingbar, können aber nicht die alleinige Lösung sein. Vielmehr gilt es, den Flüssen wieder mehr Raum zu geben, und daher kommt der Renaturierung von Auen und Fließgewässern große Bedeutung zu, nicht nur mit Blick auf die Natur, sondern auch aus ökonomischen Gesichtspunkten. Denn selbst wenn vielleicht baulicher Hochwasserschutz viel mehr „wert" zu sein scheint als ein Konzept, das auf naturnahe Gestaltung setzt, hat eine Studie des BfN gezeigt: Durch die Renaturierung von Auen und Fließgewässern lassen sich auf lange Sicht Summen in Millionenhöhe einsparen. Für die BfN-Präsidentin ein Zeichen dafür, dass hier nicht nur Aufklärungsarbeit nötig ist, sondern auch die Politik verstärkt tätig werden muss. An den beiden Beispielen zeigt sich einmal mehr, wie treffend die Worte von Beate Jessel sind: Naturschutz ist zwar auch „Pflänzerl" und „Viecherl" – reicht aber weit darüber hinaus!
Ruth Schedlbauer hat Geschichte und Germanistik studiert. Vor ihrer Tätigkeit im BfN war sie u.a. als Pressereferentin für den Deutschen Alpenverein tätig. Ihr besonderes Engagement gilt den „Viecherl" und „Pflänzerl".
Gesellschaft | Pioniere & Visionen, 01.05.2017
Dieser Artikel ist in forum Nachhaltig Wirtschaften 02/2017 - Wie ernähren wir uns in Zukunft? erschienen.
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