Design Thinking

Innovation auf dem Siegeszug

Aus dem Zusammenspiel von Kreativitätstechniken, positivem Arbeitsklima und strukturiertem Prozess entstehen mit Design Thinking innovative und nutzerzentrierte Lösungen. Was liegt näher, als diesen Ansatz im Bereich Nachhaltigkeit gezielt zu nutzen.
 
Auf den Menschen kommt es an: Die Arbeitsweise des Design Thinking-Ansatzes fördert kreative, innovative Ideen und macht Spaß. © Jan von der HeydeDer Ansatz Design Thinking ist ein Kind des Silicon Valley. Als Eltern gelten die Design-Agentur IDEO und die renommierte Stanford University. Ein wichtiger Geburtshelfer: Hasso Plattner, der die Entwicklung der Idee nach Kräften fördert. Seit 2005 wird in Stanford an der d.school unter der Leitung des IDEO-Gründers David Kelley Design Thinking gelehrt und munter geforscht.
 
Seit 2007 auch am Schwesterinstitut in Deutschland, der HPI D-School in Potsdam unter Leitung von Professor Ulrich Weinberg und Dr. Claudia Nicolai. Maßgeblich verantwortlich dafür ist die Stiftung des SAP-Gründers Hasso Plattner. Die inzwischen dritte von ihm finanzierte School of Design Thinking öffnete erst kürzlich Anfang 2017 in Kapstadt ihre Pforten.
  
Das Ausbildungsprogramm zum Design Thinking findet in der Wirtschaft großen Anklang. Über die Hälfte der DAX30-Unternehmen hatten bereits Projekte mit der Potsdamer Innovationsschmiede. Neben dem Angebot für Studenten etablierte sich in Potsdam eine Ausbildungsakademie für Professionals, die die Universität schon vor mehr als einem Jahr verlassen haben. Immer mehr Unternehmen lassen ihre Mitarbeiter nun auch direkt am Hasso-Plattner-Institut Lehrgänge besuchen.
 
Inzwischen finden sich Ausbildungsangebote für Design Thinking auch bei einer Vielzahl privater und universitärer Institutionen, zum Beispiel in Karlsruhe, St. Gallen, Paris und Moskau. Ebenso gibt es offene Online-Kurse zum nutzerzentrierten Design. In Potsdam, dem europäischen Epizentrum der Design Thinking-Bewegung, treffen sich im Sommer 2017 viele der Experten beim d.confestival. Zur Feier des zehnjährigen Bestehens der Potsdamer HPI School of Design Thinking werden dort mehr als 1.000 Teilnehmer erwartet.
 
Vielfalt als Schlüssel zum Erfolg
Die Vielfalt ist ein wichtiger Schlüssel zum Erfolg des Design Thinking. Die Methoden und die Arbeitsweise bedienen sich aus den verschiedensten Bereichen. An agiles Management erinnern zum Beispiel die kurzen Entwicklungszyklen sowie die schnelle Anpassung an Veränderungen und neue Erkenntnisse. Die verwendeten Kreativitätstechniken und Brainstorming-Methoden sind teilweise auch Designern bekannt, die mit Design Thinking bisher nichts zu tun hatten. Ansätze der ethnografischen Forschung finden Einsatz bei der Suche nach dem Verständnis für die Bedürfnisse der Nutzer. Die Kultur der Zusammenarbeit ist beeindruckend positiv und erinnert an die Ansätze von Marshall B. Rosenberg zur gewaltfreien Kommunikation. Und last but not least werden im Design Thinking Teams zusammengestellt, die in Alter, Fachrichtung und Kultur so divers wie möglich sind. Erst durch das Zusammenkommen von verschiedenem Wissen und unterschiedlichen Denkweisen entsteht ein vernetztes, vielfältiges Denken, welches innovative Problemlösungen hervorbringen soll.
 
Schritt für Schritt: Ein mehrstufiges Verfahren sorgt dafür, dass nicht am Nutzer vorbei entwickelt wird. Durch den Bau von Prototypen wird der Projektfortschritt laufend getestet. © ProtellusDie Zutaten für Innovation: People – Place – Process
Diese heterogenen Teams suchen in einem mehrstufigen Prozess von bis zu sechs Phasen Lösungen für komplexe Aufgabenstellungen.
 
In der Verstehensphase wird das notwendige Verständnis für die Aufgabenstellung, das Thema und den Kontext, in den die Aufgabenstellung eingebettet ist, geschaffen. Da der Nutzer im Zentrum steht, wird dieser in der Beobachtungsphase befragt und beobachtet. Verständnis für den Nutzer und seine Bedürfnisse kann auch aufgebaut werden, indem dessen Per­spektive eingenommen wird – die Design Thinker versetzen sich dabei buchstäblich „in die Schuhe" des Nutzers, werden damit emotional zum Nutzer. Die Synthesephase trägt die gewonnenen Erkenntnisse zusammen, es entsteht ein Bild vom großen Ganzen. In diesem Schritt wird eine sogenannte „Persona" geschaffen, ein fiktiver oder realer Nutzer, der fortan im Zentrum aller weiteren Überlegungen steht. Für diese Persona werden die weiteren Lösungen entwickelt. In einer Mischung aus wilder Kreativität und strukturiertem Arbeiten werden in der Ideenphase Lösungen erzeugt. Die Inspirationen kommen aus analogen Kontexten, aus dem Alltag des Nutzers und manchmal auch aus der Natur.
 
Die Ideen werden zum Leben erweckt und auf einfachste Art und Weise als Prototypen aus Materialen wie Pappe, Knete und Lego-Bausteinen gebaut. Durch dieses „Denken mit den Händen" sind die Ideen tast-, test- und erlebbar und entwickeln sich beim Bauen weiter.
  
Und damit ist man bei der letzten und damit oftmals auch wieder ersten Phase im 2. Zyklus des Entwicklungsprozesses, dem Testen: Die prototypisch umgesetzten Ideen werden von Nutzern getestet. Das Feedback entscheidet meist darüber, wie viele Phasen man „zurückgehen" muss und bei welcher Phase im Design-Prozess wieder eingesetzt und damit fortgesetzt wird: Verbesserung oder Verwerfen des Prototypen, erneutes Befragen von Nutzern oder Schaffen einer neuen Persona.
 
Der Ort des Geschehens wird ebenfalls als Schlüssel zum erfolgreichen Innovieren gesehen. Ein angenehmes Arbeitsklima, flexi­bles Mobiliar wie Whiteboards auf Rollen, Post-Its und eine kreativitätsfördernde und menschenfreundliche Umgebung sind die physikalische Grundlage für erfolgreiches Arbeiten, wenn nötig auch abgelöst von Exkursionen in die Praxis.
 
Aufgabenstellungen aus allen Bereichen des Lebens
Stelldichein der Design Thinking-Bewegung: Beim d.confestival in Potsdam werden dieses Jahr mehr als 1.000 Besucher erwartet. Zu feiern gibt es das zehnjährige Bestehen der Potsdamer HPI School of Design Thinking. © HPI School of Design Thinking, Kay HerschelmannDesign Thinking präsentiert sich damit als ausgesprochene Universalmethode: Software-Lösungen, und physische Produkte können ebenso entwickelt werden wie Dienstleistungen und Prozessabläufe. Auch komplexe Fragestellungen, wie: „Wie kann jungen Flüchtlingen das nicht gerade selbsterklärende deutsche Müllsystem näher gebracht werden?" werden mit der Methode leichter lösbar. Ein Design Thinking-Team bekam die Aufgabe, auf diese Frage eine Antwort zu finden.
 
Projektpartner war eine Flüchtlingsunterkunft in Berlin, der dortige Umgang mit Müll ein großes Problem. Entwickelt wurden unter anderem Mülleimer in Gestalt freundlicher Müllmonster, um spielerisch das Trennen von Müll attraktiv zu machen. Allerdings war das Spielen mit den Müll-Monster derart anziehend, dass von den Kindern sogar absichtlich mehr Müll produziert wurde. So etwas fällt normalerweise erst auf, wenn das Produkt im Alltag getestet wird. Im Design Thinking erfolgt dieser Schritt schon sehr früh unter Nutzung des funktionalen Prototypen. Genau diese einfachen Prototypen und mehrere kurze Zyklen der Weiterentwicklung helfen, dem perfekten Produkt schneller nahezukommen. Aber hätte es hier nicht auch ohne Design Thinking ähnliche Ergebnisse geben können?
 
Gut möglich. Dieses Projektbeispiel ist allerdings vor allem aus einem anderen Grund spannend. Das Projektteam hatte in diesem Fall ein besonderes Hindernis zu überwinden: Es ist nicht leicht, sich in junge Flüchtlinge hineinzuversetzen. Durchaus eine große Herausforderung, wenn eben nutzerzentriert gestaltet werden soll. Das Design Thinking-Team führte viele Gespräche mit den Bewohnern der Einrichtung. Auch verbrachte es selbst nicht nur einige Tage, sondern auch Nächte in der Unterkunft, um zu verstehen, wie sich die jungen Flüchtlinge dort fühlten. Resultat war die Einsicht, dass fehlendes Wissen über ein Mülltrennungssystem noch das geringste Problem war. Vielmehr waren es der Mangel an Privatsphäre und die unklare Zukunftsperspektive, die die Bewohner so sehr beschäftigten, dass das Thema Müll kaum Beachtung fand. Entwickelt wurde daraufhin ein Trennwandsystem, das Rückzugsmöglichkeiten, Schallschutz und Privatsphäre in der großen Halle bieten sollte. Dies erwies sich als ein wichtiger Schritt hin zur Lösung des ursprünglichen Müllproblems. Erst der Blick auf das große Ganze und auf die tatsächlichen Bedürfnisse der Nutzer verhindert, dass mit bester Absicht wirkungslose Innovationen geschaffen werden.
 
Design Thinking für nachhaltige Entwicklung
Véronique Hillen, die Leiterin der Paris Est d.school, legt besondere Hoffnung in Design Thinking, wenn es um Nachhaltigkeit geht. In Paris spezialisierte sich ihre Institution auf bestimmte Exzellenzfelder, darunter unter anderem inklusives Design sowie partizipatives Design für nachhaltige Stadtentwicklung. Deshalb sieht die Stanford Gast-Professorin Design Thinking noch nicht am Ende seiner Entwicklung: „Es muss uns gelingen, Design Thinking so zu gestalten, dass wir damit neue Aufgaben, etwa in Fragen der Nachhaltigkeit und der globalen Entwicklung, lösen können. Das sind große Aufgaben, denen wir uns stellen sollten". Auch die Berliner Agentur Protellus ist begeistert von der Idee, Nachhaltigkeit und Design Thinking so zu verbinden, dass damit Ideen, Problemlösungen, Dienstleistungen und Produkte entstehen, die gut sind für people, planet, profit.
 
 
Weiterführende Links:
www.dschool.stanford.edu
Fritz Lietsch

Gesellschaft | Pioniere & Visionen, 25.05.2017
Dieser Artikel ist in forum Nachhaltig Wirtschaften 02/2017 - Wie ernähren wir uns in Zukunft? erschienen.
     
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