Klimaschutzplan 2050: Quo vadis?

Mehrfache Modifizierung der ursprünglichen Fassung und Abschwächung in einigen Punkten

Die erste inoffizielle Entwurfsfassung des Klimaschutzplans 2050 hat in Politik und Verbänden hohe Wogen geschlagen. Auf Drängen des Kanzleramts und der Ressorts Wirtschaft, Verkehr und Landwirtschaft wurde die ursprüngliche Fassung mehrfach modifiziert und in einigen Punkten abgeschwächt. Nach aktuellem Stand soll sich das Kabinett am 02. November 2016 mit dem „Klimaschutzplan 2050" befassen.
 
Umweltverbände und die Oppositionsparteien sind von dem 'aufgeweichten' Strategiepapier enttäuscht und bezeichnen dieses als 'mutlos, mangelhaft und ohne Substanz'. Foto: www.pixabay.comUrsprünglich sollte der „Klimaschutzplan 2050" noch vor der Sommerpause 2016 verabschiedet werden. Kernziel des Strategiepapiers ist, Maßnahmen zu definieren, die eine Einhaltung der nationalen Klimaziele – im Einklang mit dem Pariser Klimaabkommen –sicherstellen. Deutschland strebt an, seine Treibhausgasemissionen bis 2050 um 80 bis 95 Prozent unter das Niveau von 1990 zu senken.
 
Zur Erarbeitung des Strategiepapiers wurde zwischen Juni 2015 und März 2016 ein mehrstufiger Dialogprozess mit verschiedenen Stakeholdern aus Ländern, Verbänden und Kommunen durchgeführt. Dieser mündete in einem Maßnahmenkatalog mit 97 Vorschlägen für die Handlungsfelder Energiewirtschaft, Industrie und Wirtschaft, Verkehr, Gebäude, Landwirtschaft sowie Landnutzung und Forstwirtschaft.
 
Ein erster nicht-öffentlicher Hausentwurf des Klimaschutzplans 2050 wurde im April 2016 publik. Dieser enthielt mitunter tonnenscharfe sektorspezifische Treibhausgasminderungsziele sowie eine Reihe von Maßnahmen, die vor allem in der Wirtschaft für Furore sorgten, wie z. B. die Beendigung der Stromerzeugung auf Basis von Kohle deutlich vor 2050, die Einführung eines europaweiten CO2-Mindestpreises im EU-Emissionshandelssystem oder die „Harmonisierung" der Ausnahme- und Entlastungsregelungen bei Steuern und Umlagen.
 
Die Inhalte und Maßnahmen des Strategiepapiers wurden in Politik, Wirtschaft und Medien intensiv diskutiert. In diesem Kontext forderten eine Reihe von Umweltverbänden und NGOs eine deutlich ambitioniertere Ausgestaltung des Klimaschutzplans und sprachen sich für die Abschaffung von Subventionen für energieintensive Unternehmen, eine Nachschärfung der Klimaschutzziele sowie einen gesetzlich verankerten Kohleausstieg aus.
 
Wirtschaftsverbände, Gewerkschaften und die Wirtschaftsminister hingegen sahen in dem bis dato vorliegenden Entwurf des Klimaschutzplans ein hohes Risiko für den Wirtschaftsstandort Deutschland. Befürwortet wurden technologieoffene Ansätze und attraktive finanzielle Reize statt verschärfter ordnungsrechtlicher Vorgaben und die entschiedene Vermeidung einer Doppelregulierung zum EU-Emissionshandel. Ferner wurde eine Quantifizierung der Auswirkungen der anvisierten Maßnahmen im Rahmen eines Impact Assessments gefordert. Letztlich wurde auch kritisiert, dass bei der Erarbeitung des Strategiepapiers sowohl die Wirtschaft mit ihren Vertretern und Verbänden als auch die Wirtschaftsressorts der Länder nicht ausreichend einbezogen wurden.
 
Ende Juni 2016 kursierte eine neue Fassung des Entwurfs. Diese umfasste im Vergleich zur ersten Fassung keine tonnenscharfen Emissionskorridore und auch keinen festen Zeitpunkt für den Kohleausstieg mehr. Darüber hinaus wurden einige Maßnahmen vager – allerdings mit Spielraum für politische Entscheidungen – formuliert.
 
Mitte Juli 2016 hat sich auch das Bundeskanzleramt zum „Klimaschutzplan 2050" positioniert. In der Stellungnahme wurde Kritik an ausgewählten Formulierungen geübt und eine Reihe von Maßnahmen über alle Handlungsfelder hinweg in Frage gestellt. Auf Bitte des Kanzleramts wurde der Entwurf des Strategiepapers vom Bundesumweltministerium nochmals angepasst. Nicht zuletzt auch, um die Abstimmung mit den anderen Ministerien nicht weiter hinauszuzögern.
 
Die abgeänderte Entwurfsfassung wurde am 06. September 2016 auf der Webseite des Bundesumweltministeriums veröffentlicht. Vor allem in den Handlungsbereichen Verkehr, Gebäude und Landwirtschaft wurden einige Ziele und Maßnahmen modifiziert bzw. abgeschwächt.
 
So sah die ursprüngliche Fassung noch vor, dass bis 2030 der überwiegende Teil der Pkw-Neuzulassungen elektrisch oder mit regenerativ erzeugten Kraftstoffen betrieben werden solle. In der abgeänderten Version wird als 2030-Ziel die „signifikante" Absenkung der Pkw-Emissionen benannt. Zudem wurden die 2030-Zielwerte für die Minderung des Treibhausgasausstoßes pro Fahrkilometer von Pkw und Lkw entfernt.
 
Im Gebäudebereich wurde der Zielwert für die energetischen Anforderungen an Neubauten gelöscht. Auch der Verzicht auf fossile Heiztechniken bei Neuinstallationen ab 2030 wurde herausgenommen. Stattdessen sollen ab dem Jahr „x" erneuerbare Heizsysteme „deutlich attraktiver als fossile" sein.
 
In puncto Emissionsreduktion in der Landwirtschaft ist anstelle einer deutlichen Minderung des Fleischkonsums nur noch von einem Abbau der Tierbestände die Rede. Darüber hinaus wurden die Zahlen- und Zielwerte für die Obergrenzen für Stickstoffüberschüsse entfernt.
 
Sämtliche fehlenden Zahlen und Zielwerte sollen im Rahmen der Ressortabstimmung festgelegt werden. Diese wurde am 06. September 2016 gestartet. Zudem wurden Länder und Verbände zur Abgabe einer Stellungnahme bis zum 30. September 2016 eingeladen. Die Verbändeanhörung ist für den 27. September 2016 angesetzt.
 
Während der neue Entwurf des Klimaschutzplan seitens der Wirtschaft begrüßt und als deutlich bessere Diskussionsgrundlage befunden wird, sind Umweltverbände und die Oppositionsparteien von dem „aufgeweichten" Strategiepapier enttäuscht und bezeichnen diesen als „mutlos, mangelhaft und ohne Substanz".
 
Letztlich bleibt abzuwarten, welche Inhalte die finale Fassung des Strategiepapiers enthält. Ferner wird sich zeigen, inwieweit erste Vorhaben noch vor der nächsten Bundestagswahl im Herbst 2017 lanciert werden. So soll beispielsweise noch bis Mitte 2017 eine Prüfung von Energiebestandteilen in Form von Abgaben, Umlagen und Steuern erfolgen.
 
co2ncept plus – Verband der Wirtschaft für Emissionshandel und Klimaschutz e. V. unterstützt seit 2005 Unternehmen bei der betrieblichen Umsetzung von klimaschutzrechtlichen Vorgaben. In Form von Veranstaltungen und einem umfangreichen Newsservice informiert co2ncept plus über zentrale politische Entwicklungen, akute rechtliche Fragestellungen, interessante Handelsaktivitäten und Best-Practice-Ansätze.
 

Gesellschaft | Politik, 09.09.2016

     
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