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Wie Firmen dem Klimawandel begegnen sollten

Drei "Jahrhunderthochwasser" haben wir seit dem Jahrtausendwechsel schon erlebt. Freiwilliger Klimaschutz ist für viele Unternehmen schon normal geworden - aber mit Klimaanpassung beschäftigen sich noch wenige. Denn liegt es nicht näher, die Ursache zu bekämpfen, statt sich mit den Folgen zu arrangieren?

Unternehmen reagierten bisher nur auf Neuerungen an Märkten oder im rechtlichen Handlungsrahmen, nun gilt für sie, sich auch an die Veränderungen des Klimas anzupassen.
Foto by pixabay.com
Zum Stand der Klimaanpassung in Unternehmen hat das Forschungsprojekt KLUG (Klimawandel unternehmerisch gestalten) eine zweistufige empirische Erhebung in der Untersuchungsregion Nordhessen durchgeführt. Befragt wurden die Geschäftsleitungen von 2.300 Unternehmen. (Rücklauf von 14,2 Prozent). Aufbauend auf dieser quantitativen Untersuchung führte das Forscherteam der Universität Kassel insgesamt 25 persönliche Interviews mit unternehmerischen Entscheidungsträgern aus 21 Unternehmen.

Die Befragten stellen den Klimawandel selbst nicht infrage. Sie greifen auf dieselben Informationen zurück wie der "Normalbürger" und erwarten entsprechend auch die in den Medien diskutierten Folgen: einen Temperatur- und Meeresspiegelanstieg sowie Extremwetterereignisse. Auch gehen sie davon aus, dass Klimawandelfolgen auftreten werden, die heute noch nicht in ihrem Ausmaß oder gar nicht bestimmbar sind. Heute bereits Klimaanpassungsmaßnahmen zu treffen, sehen die wenigsten als geboten an.

Unternehmen sind Anpasser

Anpassung an veränderte Bedingungen ist seit jeher unternehmerische Kernaufgabe, um langfristig die Existenz zu sichern. Damit sollte auch Klimaanpassung prinzipiell anschlussfähig an etabliertes unternehmerisches Denken sein: Sie schafft einen Wettbewerbsvorteil, denn sie verbessert die eigenen Handlungsmöglichkeiten gegenüber der nicht angepassten Konkurrenz, während Klimaschutzbemühungen in erster Linie Geld kosten.

Die unvermeidbaren Folgen des Klimawandels bergen allerdings neue Herausforderungen. Während Unternehmen routiniert Neuerungen an Märkten oder im rechtlichen Handlungsrahmen bearbeiten, gilt es nun, auf Veränderungen eines vormals stabilen Faktors zu reagieren, den man zumindest in Mitteleuropa bisher nicht als kritisch im Blick hat. Die Langfristigkeit der Klimaszenarien und die vielen Unsicherheiten in den Projektionen machen Klimaanpassung zu einer besonderen Herausforderung, die kaum in die etablierte strategische Planung passt und sich mit Instrumenten des Risikomanagements nur schwer bewältigen lässt.

...aber noch nicht an den Klimawandel

Wie sehen das die Unternehmen? Gefragt nach den langfristigen Chancen und Risiken des Klimawandels zeigt sich ein klares Bild: Abwärts der Wertschöpfungskette sehen viele Unternehmen marktliche Vorteile, so z.B. im Handwerk bei Reparaturen von Wind- und Hagelschäden oder dem Einbau von Kühlungs- und Verschattungsanlagen. Die vorgelagerten Stufen internationaler Lieferketten nehmen stattdessen Risiken wahr, z.B. in Form von wetterbedingten Logistikproblemen. Allgemein stufen die Befragten Deutschland bzw. den eigenen Standort als nur geringfügig betroffen ein.

Mit Ausnahme weniger Branchen wie dem Baugewerbe und dem Transport- und Verkehrssektor, die besonders sensibel für Wetterextreme sind, sehen sich die Befragten aber noch keinem Handlungsdruck aufgrund direkt erfahrbarer Klimaänderungen ausgesetzt. Bislang setzen nur wenige Unternehmen Aspekte der Anpassung um - und dann zumeist spontan und punktuell anstatt planmäßig wie z.B. bei Hitzeschutzmaßnahmen in Produktionshallen.

Wenn dieses "Abwarten" auf einer gründlichen Analyse der möglichen Klimawandel-Auswirkungen auf das eigene Unternehmen beruht, dann gibt es aus betriebswirtschaftlicher Sicht keinen Grund zum Alam. Doch ein Problem besteht an anderer Stelle: Wo große Unsicherheiten über Klimaeffekte herrschen, darf man nicht mehr nach Anpassungsmaßnahmen, sondern muss nach Anpassungsfähigkeiten fragen - z.B. der Fähigkeit, unvorhersehbare wetterbedingte Stockungen in Produktion oder Vertrieb kurzfristig zu beseitigen.

Es bleibt das Gefühl von Verletzlichkeit

Mit diesem Blick auf das Unerwartete äußern auch die befragten Unter-nehmensvertreter quer durch alle Branchen, dass sie sich als verwundbar wahrnehmen - in erster Linie physisch, während ihnen marktbedingte oder rechtlich-regulative Verwundbarkeiten kaum in den Sinn kommen. "Was passiert, wenn Extremwetter-Ereignisse auftreten, die wir weder lokal noch in die-ser Stärke oder überhaupt nicht erwartet haben? Werden wir in der Lage sein, schnell und umfassend genug zu reagieren? Und falls nicht, haben wir genug Ressourcen, um uns wieder neu aufzubauen?

Die mit dem Klimawandel verbundenen Unsicherheiten sind zwar ein Argument für den langfristigen Aufbau von Anpassungsfähigkeit, heute dienen sie den Verantwortlichen aber vorrangig als Begründung dafür, warum dies (noch) nicht möglich ist.

Speziell in inhabergeführten mittelständischen Unternehmen wird die langfristige Verwundbarkeit schon als bedeutsam wahrgenommen, nicht zuletzt weil die Geschäftsführung des Unternehmens oft innerhalb der eigenen Familie weitergegeben wird. Doch meist setzt niemand diesen Weitblick in eine konsequente Strategie um, weil die Unternehmen oft gar kein systematisches strategisches Management betreiben. In Großunternehmen ist es dagegen vor allem der kurzfristigere Blick des angestellten Managements ("Quartals-denken"), der die Bearbeitung eines so langfristigen Themas verhindert. Die weit verbreiteten Bemühungen zur personellen und organisatorischen Verschlankung in Unternehmen stehen einem Ausbau von Anpassungsfähigkeit ebenfalls entgegen. Doch wer sein tägliches operatives Pensum auch mit Überstunden kaum bewältigt, findet keine Zeit, sich auch noch Gedanken über eventuell gebotene Maßnahmen zur Klimaanpassung zu machen.

Alle befragten Unternehmen äußern fehlende finanzielle, personelle und zeitliche Ressourcen als Hinderungsgründe. Die Quintessenz: Klimaanpassung ist nicht drängend und erfolgskritisch genug, um eben diese Ressourcen zur Existenzsicherung des Unternehmens heute bereit zu stellen. Auch mit Blick auf das Unbekannte gehen Unternehmensvertreter davon aus, dass mit der Zeit schon die nötigen Fähigkeiten vorhanden sein werden. Mehr als ihr Bauchgefühl ist dies oft jedoch nicht.

Was lässt sich heute schon tun?

In erster Linie müssen Unternehmen "zukünftige Schäden" vermeiden, d.h. Entwicklungspfade, die langfristig die Angepasstheit sowie die Anpassungsfähigkeit reduzieren können. Wer etwa aus Kostengründen zunehmend seine Vorprodukte weltweit beschafft, der schafft sich damit zusätzliche Verwundbarkeiten, denn gerade diese Lieferanten produzieren oft in Regionen, die besonders stark vom Klimawandel betroffen sind (z.B. Thailand oder Bangla-desch). Zumindest als zusätzliches Kriterium sollte Klimaanpassung grundsätzlich in alle strategischen Unternehmensentscheidungen einbezogen werden. Entscheider sollten auf zwei Fragen eine Antwort wissen:
  1. Ist wirklich noch so viel Zeit?
  2. Lässt sich vorhandene Zeit sinnvoll nutzen?
Bei der ersten Frage geht es darum, die eigene Verwundbarkeit rechtzeitig wahrzunehmen. Dazu gehört die Frage nach der potenziellen Betroffenheit ebenso wie die nach den eigenen Fähigkeiten, mögliche Schäden abzuwehren. Einen Schnupfen bekommt vorrangig derjenige, dessen Immunsystem geschwächt ist. Verwundbarkeitsanalysen sollten die gesamte Wertschöpfungskette abdecken. Denn neben ihrer unmittelbaren physischen Betroffenheit am eigenen Standort sind Unternehmen auch mittelbar betroffen, beispielsweise durch einen Ausfall wichtiger Lieferanten, der den Produktionsprozess ins Stocken geraten lässt.

Marktliche oder gesetzgeberische Reaktionen können Unsicherheiten zwar nicht auflösen, aber für Unternehmen in Sicherheiten umwandeln. So ist z. B. die Übersetzung von Klimarisiken in rechenbare Größen alternativlos für Versicherungsunternehmen - und das wirkt sich die Anpassungen der Versicherungsprämien auf alle Unternehmen aus. Die zweite Frage zielt auf die Klimaanpassungsfähigkeit. Folgende Kompetenzen beeinflussen diese:
  • kulturelle Grundannahmen, wie ein auf allen Hierarchieebenen vorhandenes "Wir"-Gefühl statt 70 Prozent Mitarbeitern in "innerer Kündigung",
  • Kommunikations- und Informationsstrukturen, z.B. ob Wissen über mögliche Klimachancen oder -schäden in der gesamten Organisation verfügbar ist
  • Identifikation mit dem Unternehmen, z.B. die Bereitschaft der Mitarbeiter, Produktionsausfälle durch spontane Sonderschichten auszugleichen und
  • Maßnahmen zur Entwicklung von Lernfähigkeit der Mitarbeiter und der Organisation
Im Sinne eines "organisationalen Fitness-Programms" lassen sich diese Kompetenzen entwickeln. Und gerade weil der Aufbau solcherart organisationaler Fähigkeiten Zeit braucht, ist hier zu empfehlen, dies bereits heute anzugehen.

Zum Weiterlesen:

  • Blume, T./ Walther, M. (2011): Wenn sie könnten, wie sie wollten. Klimaanpassungsfähigkeit in der Selbstwahrnehmung unternehmerischer Akteure, 337-356.
  • Freimann, J./ Mauritz, C. (2011): TOP Klimawandel. Wie kommt der Klimawandel auf die unternehmenspolitische Tagesordnung?, 33-58.
Beide in: Kaczmarcyk, A./ Pfriem, R. (Hrsg.): Klimaanpassungsstrategien von Unternehmen, Marburg.
 
 
Von Jürgen Freimann, Carsten Mauritz, Michael Walther  
 
 

Autoren

Prof. Dr. Jürgen Freimann, Dipl. Oec. Carsten Mauritz, Dr. Michael Walther (Universität Kassel) arbeiten für das Forschungsprojekt KLUG (Klimawandel unternehmerisch gestalten), KLIMZUG Nordhessen.

Quelle:
Umwelt | Klima, 26.10.2013

     
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