Verbraucher zur Nachhaltigkeit bewegen

Forschungsprojekt zur Verbraucherkommunikation

Ist nachhaltiger Konsum eine Illusion? Nein, lautet die Antwort von Michael Bilharz im B.A.U.M.-Jahrbuch 2012. Nachhaltiger Konsum erfordert jedoch eine Fokussierung auf die von Bilharz so genannten Key Points: Um Konsum nachhaltig zu machen, muss konzentriert dort angesetzt werden, wo die ökologischen oder sozialen Auswirkungen besonders groß und zugleich die Chancen auf Umsetzung gut sind. Nur so kann die erforderliche große Hebelwirkung erreicht werden.


Auf der Suche nach den Hotspots
Eine von Lebensbaum beauftragte Untersuchung der Ressourcenverbräuche eigener Produkte entlang des Lebenszyklus zeigt ebenso wie öffentlich verfügbare Daten, dass die sozialen und ökologischen Hotspots der meisten Produkte zum einen in der Lieferkette und zum anderen in der Nutzungsphase zu suchen sind. Die Rolle der Unternehmen ist deshalb eine doppelte: In Bezug auf Liefer- und Wertschöpfungskette einschließlich Produkt- und Sortimentsgestaltung sind sie selbst die Akteure und Verbraucher, die nachhaltig handeln müssen. In Bezug auf Kauf und Nutzung ihrer Produkte durch Verbraucher sind sie hingegen in der Rolle der Ermöglicher und Impulsgeber eines nachhaltigen Konsums. Die Substitution nicht nachhaltiger durch nachhaltige Produkte und die Minimierung der Auswirkungen in der Nutzungsphase erfordert ein funktionierendes Zusammenspiel von Unternehmen und Verbrauchern. Dafür bedarf es nicht zuletzt einer Kommunikation der Unternehmen, die nachhaltige Inhalte nicht nur thematisiert, sondern die auch nah "dran" ist am Verbraucher, also alltagsrelevant und emotional bedeutsam, so dass sie wahrgenommen wird und Wirkung erzielen kann.


Das Projekt "Nachhaltige Verbraucherkommunikation"
Unternehmen sind in dieser Doppelrolle kulturelle Akteure mit einer kulturellen Verantwortung. Sie sind nicht bloß passiv von ihrem gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Umfeld abhängig, sondern gestalten und prägen dieses unmittelbar mit. Fortschrittliche Unternehmen erkennen dies als Chance: Durch ihre Wirtschaftsweise, ihr Produktangebot und ihre Kommunikation prägen sie Erwartungshaltungen und Konsumbedürfnisse und setzen dadurch wesentliche Akzente für nachhaltige Lebensstile und Wirtschaftspraktiken.

Wie und in welchem Maße können Unternehmen mit ihrer Kommunikation Kunden für Nachhaltigkeit gewinnen und Impulse für nachhaltige Konsumentscheidungen und Alltagspraktiken setzen? Diese Frage steht im Zentrum eines vom Europäischen Sozialfonds geförderten Lebensbaum-Projekts mit dem Titel "Nachhaltige Verbraucherkommunikation". Auf Grund der hohen Relevanz des Konsums in der modernen Gesellschaft nimmt der Verbraucher bei der Wende zu einer nachhaltigen Entwicklung eine Schlüsselstellung ein. Bisherige Nachhaltigkeitskommunikation hat diesbezüglich zu wenig aktivierende Wirkung entfaltet. Nachhaltigkeitskommunikation von Unternehmen muss sich also ihrer Bedeutung und ihrer Möglichkeiten stärker bewusst werden und stellen. Um dies zu erreichen, wird im Forschungsprojekt unterschieden zwischen einerseits den Wünschen und Erwartungen, die Verbraucher an das Handeln und die Verantwortungsübernahme von Unternehmen stellen und andererseits den Themen, an denen sie in der Kommunikation interessiert sind: Wie sollen Unternehmen handeln versus wozu möchte ich etwas wissen oder mich austauschen.


Verantwortlich handeln, Verantwortung kommunizieren
So ist es beispielsweise vorstellbar, dass eine Biokäuferin selbstverständlich erwartet und annimmt, dass ihr Bioprodukt auch fair hergestellt wurde, obwohl dies nicht Bestandteil des Biostandards ist. Kommunikation des Herstellers dazu erwartet sie nicht, weil dies für sie selbstverständlich ist. Ihre Erwartung ist deshalb keineswegs weniger ausgeprägt und kann durchaus bis zu sofortiger und dauerhafter Boykottbereitschaft reichen, wenn die Erwartung enttäuscht werden sollte. Umgekehrt können für eine Kommunikation, der es um Wirksamkeit für Nachhaltigkeit geht, durchaus Themen interessant sein, bei denen nicht direkt das Handeln des Unternehmens im Fokus steht, sich das Unternehmen aber mit seiner Expertise einbringen kann. So wäre es z.B. denkbar, dass ein Biohersteller mit produktnahen Tipps und Rezepten zu gesundem, ökologischem und leckerem Kochen, das auch Kinder begeistert, wichtige Türen öffnen und handlungswirksame Impulse setzen kann.


Den Alltag in den Blick nehmen
Grundbaustein des Projekts, in dem speziell die Biobranche in den Blick genommen wird, ist u.a. eine repräsentative Erhebung unter mehr als 1.000 Biokäufern. Dabei ist bekannt, dass zwischen den in Befragungen geäußerten Erwartungen und Handlungsbereitschaften und dem Entscheiden und Handeln in Alltagssituationen häufig Diskrepanzen bestehen. Um also mit Kommunikation anknüpfen zu können an dem, was emotional und handlungspraktisch im Alltag für Verbraucher relevant ist, sind zwei weitere Fragestellungen zu klären: In welche Zubereitungs- und Konsumgewohnheiten und -kontexte sind Produkte konkret eingebettet? Und welche Kommunikationspraktiken und -vorlieben bestehen jeweils und bieten sich für nachhaltige Verbraucherkommunikation an?

Um die Key Points nachhaltigen Konsums umzusetzen, ist nachhaltige Verbraucherkommunikation nur einer, aber ein wesentlicher Bestandteil der kulturellen Verantwortung von Unternehmen. Dazu will das Projekt beitragen. Eine Illusion jedenfalls, so viel ist klar, darf nachhaltiger Konsum und damit nachhaltige Verbraucherkommunikation nicht bleiben!


Quellen:
  • Bilharz, M. (2012): Nachhaltiger Konsum: eine Illusion?, in: B.A.U.M. e.V.: Jahrbuch 2012: Die Gesellschaft auf dem Weg zur Nachhaltigkeit. S. 46-49.
  • Antoni-Komar, I., Pfriem, R. (2010): Kulturelle Kompetenzen für nachhaltigen Konsum. Qualitative Befunde kulturell-basierter Hemmnisse und Lösungsvorschläge, in: Antoni-Komar u.a. (2010): Wenke² - Wege zum nachhaltigen Konsum, Marburg, S. 217-251.

Von Henning Osmers, Nachhaltigkeitsbeauftragter, Lebensbaum / Ulrich Walter GmbH


Quelle:
Wirtschaft | Marketing & Kommunikation, 22.01.2014

     
        
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