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SUVs sind kriminell

Ein Kommentar zur interdisziplinären Problemlösung

Die Geschichte geht ungefähr so: Eine LOHAS-Familie kauft im Bio-Supermarkt ein; Honig aus Mittelamerika, so wird den Kindern geduldig erklärt, kommt wieder ins Regal, wegen der CO2-Bilanz. Draußen auf dem Parkplatz steht ein riesiger SUV...
Solche Geschichten kann man täglich erleben oder in der Zeitung lesen.


Der Verkehrsclub Deutschland VCD schreibt in seiner aktuellen Ausgabe vom Juni 2011 über SUVs als Dienstwagen: "Dabei gibt es keinen rationalen Grund, weshalb ein Mensch mit 510 PS zum Geschäftstermin fahren sollte".

Ja selbst der indische Umweltminister Jairam Ramesh sagte, "die Nutzung von Fahrzeugen wie SUVs... in Ländern wie Indien ist kriminell".

Der Unterschied zwischen Vernunft und Logik erschließt sich manchmal nicht auf den ersten Blick.
Mit den Mitteln des Evolutionsmanagements können und sollten wir versuchen zu verstehen, ob es nicht recht logische Gründe für irrationales Handeln gibt. Wir glauben, dass es wichtig ist, eine Vielzahl an recht unterschiedlichen Aspekten heranzuziehen, um das "Problemfeld SUV" erklären und letztendlich adäquat "lösen" zu können.

Das Auto: Balzsymbol und Insignie der Macht

Zum Ersten sollten wir sehr bewusst einen zweiten Blick auf die Schwellenländer richten:
Einem Artikel der SZ zufolge gab es Ende März 2010 in ganz China 192 Millionen Fahrzeuge - das sind knapp fünf Millionen mehr als drei Monate vorher, seit 2003 hat sich die Zahl verdoppelt. Die Zeitung zitiert den jungen Chinesen Li Quiang, der regelmäßig im Stau steht und glücklich ist:"Jetzt mit dem Auto wird es kein Problem mehr sein, eine Freundin zu finden".

Die Bedeutung dieser Aussage ist keineswegs trivial und so ist es nur logisch, dass folgender Tipp in nahezu allen Karriereführern steht, v.a. auch für Frauen, die oft gar keine Vorstellung von den bzw. Lust haben auf die sogenannten Sandkastenspielchen. Und so wird in einem weiteren Artikel der Süddeutschen Zeitung empfohlen, bei Kleinigkeiten manchmal einfach mitzuspielen: "Der Firmenwagen zum Beispiel ist bei manchen Unternehmen ein typisches Symbol der Macht. Da sollte man nicht sagen: 'Nein danke, mein Smart reicht mir'" (SZ, 11.02.11).
Man beachte die 200 Millionen kriminellen Kleinigkeiten - in China und anderswo...

Die ehemalige SPD-Vorsitzende Ute Vogt hat es einmal als einen der größtmöglichen Fehler bezeichnet, wenn Frauen auf die Insignien der Macht freiwillig verzichten, weil es als mangelndes Interesse oder als Schwäche interpretiert werde.

Handicap-Prinzip: Verschwendung & Fülle wirken anziehend

Zum Zweiten spielt es unter den gegebenen Umständen natürlich eine entscheidende Rolle,
mit wieviel PS man bei einem Geschäftstermin auftaucht. Wo könnte man dies besser studieren als bei "wirklich teuren" Unternehmensberatern. Nach wie vor gilt die Devise: Je aufwändiger graue Akten zu bunten Folien verwandelt werden, desto wertvoller erscheint die Beratung. Auch dies hat in der Evolutionsbiologie einen Namen: Das sog. Handicap-Prinzip besagt, je verschwenderischer man seine Fitness darstellen kann, desto mehr Wert wird beim Gegenüber erzeugt. Auch dieses Verhaltensmuster ist also strikt logisch und dieses Prinzip "funktioniert" sogar trotz besserem Wissen!

Zum Dritten können wir evolutionsbiologisch festhalten, dass sich die Revierkämpfe in subtilen Abstufungen global fortsetzen, Tausende von Freunden in Sozialen Netzwerken müssen erst mal überboten werden. In den nüchternen Worten des Sozio- und Evolutionsbiologen Eckart Voland:
"Untersuchungen zeigen, dass unser Gehirn mit seinen Methoden der unbewussten
Informationsverarbeitung und Verhaltenssteuerung nicht sehr gut darin ist, reale von virtuellen Welten zu unterscheiden.
Massenmedien mit ihrer Informationsflut... machen nämlich alle Teilnehmer am medialen Geschehen faktisch zu einer einzigen kompetitiven Gruppe. Man gerät als Medienkonsument -wider besseres Wissens - in Wettbewerb mit den Schönen und Reichen dieser Welt".

Wettbewerb auf allen Ebenen

Viertens findet der Wettbewerb um Status-Symbole auf allen Ebenen statt. Schon hört man Meldungen aus China, wo bereits Nieren zum Verkauf angeboten werden sollen, um sich beispielsweise ein Iphone leisten zu können. Die (vergleichenden) Status-Symbole sind somit nicht aus der Realität wegzudiskutieren - und das war schon immer so, wie Eckart Voland weiterhin anfügt.

Diesen Wettbewerb bestätigen zahllose weitere Publikationen, z.B. bemerkt Richard Wilkinson im Zeitungsartikel "Soziale Disparitäten": "Vor allem Reiche kaufen sich immer mehr elektronische Schutzanlagen, um ihre Häuser vor Einbrechern zu schützen. Ähnliche Motive führen auch zum Verkaufsboom von tonnenschweren, vierradgetriebenen Großraumlimousinen (SUV), die ein panzerartiges Gefühl der Sicherheit vermitteln sollen." (SZ, 02.11.09)

Streben nach mehr

Größer, schneller, weiter findet also nicht nur anonym an den "bösen" Kapitalmärkten statt, sondern ist ein elementarer Bestandteil des Menschen, wie u.a. auch Jon Krakauer in seinem Buch "In eisige Höhen" beschreibt: Die Schilderungen einer 8000er Besteigung sind so unvorstellbar dramatisch, dass man sich nicht vorstellen kann, daß Menschen solche Strapazen auf sich nehmen, aushalten, bzw. gar übertreffen können.
Reinhold Messner wird darin folgendermaßen zitiert:
"Wenn Boukreev zu den wirklich bedeutenden (sic!) Bergsteigern der Welt gezählt werden wolle, müsse er das Schwergewicht auf steile, sehr schwierige und noch nicht begangene Routen legen. Boukreev beherzigte diesen Rat". Es lohnt sich wirklich, das Buch unter dem Gesichtspunkt "Streben nach mehr" zu lesen.

"Wer kennt schon den zweiten Menschen auf dem Mond? Der Grund für den 'winner-takes-it-all'-Effekt im Gehirn ist Effizienz", erklärt Christian Scheier im Buch "Darwin Meets Business". Es ist also auch - fünftens - neurobiologisch recht plausibel herleitbar, warum der Status-Wettbewerb kaum aus dem Alltag wegzudenken ist.
Und auch Tor Norretranders schreibt bei edge.org, sinngemäß übersetzt:
"Das Einzige was zählt ist, wie man relativ zu 'Anderen' steht... Es scheint, daß die treibende Kraft ist, immer besser als 'Die Anderen' zu sein, in welchem Metier auch immer."
Die subjektive Besserstellung erscheint vorteilhaft, objektiv betrachtet führt die Endlos-Spirale in die globale Katastrophe, v.a. wenn wir die sozialen und Umwelt-Kosten ausblenden bzw. verlagern.

Die Betrachtung der Thematik SUV ergibt nur aus interdisziplinärer Sicht einen "Sinn".
Die (neurobiologische) Effizienz unseres Gehirns, das immerhin eine Reifezeit von vielen Millionen von Jahren aufzuweisen hat, wird in Zeiten des Information Overload und der Aufmerksamkeits-Ökonomie zunehmend zu unserem Problem, und das nicht nur bei SUVs.
Wir brauchen "Neue Werte" und einen Wettbewerb, der Individuen erlaubt, um die schönen, nachhaltigen Dinge verschwendend konkurrieren zu können, ähnlich wie dies auch Michael Braungart formuliert hat: In der Natur wird nicht verzichtet. Dies gilt v.a. auch für uns Menschen.
 
 
Von Erich Feldmeier
 
 
 


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Quelle:
Technik | Mobilität & Transport, 04.10.2011

     
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