Hydrogen Dialogue 2024

Her mit dem Mist!

Die machen was draus: Das florafuel-Verfahren produziert Brennstoffe aus feuchter Biomasse. Ein Pilotprojekt zur Strom- und Wärmeerzeugung, das nicht mit der Nahrungsmittelproduktion konkurriert.

Holz wird knapp. Nach einer Studie im Rahmen des EU-Projektes "Euwood" könnte das Angebot an Rohholz bis zum Jahr 2030 um 400 Millionen m³ geringer ausfallen als der Bedarf. Doch für Holz als Energieträger gibt es beachtenswerte Alternativen. Nach Aussagen des Sachverständigenrats für Umweltfragen (2007) wären ca. 65 Prozent der jährlich bundesweit anfallenden rund 100 Millionen Tonnen "Biomassereststoffe" technisch und ökologisch sinnvoll nutzbar, was immerhin ein Potenzial von vier bis fünf Prozent des Primärenergiebedarfs Deutschlands darstellt. Ein Verfahren zur Aufbereitung von feuchter Biomasse zu Brennstoff wird gerade an der Universität der Bundeswehr München an der Professur Siedlungswasserwirtschaft und Abfalltechnik optimiert.

Die Pilotanlage für das florafuel-Verfahren steht in der Nähe von München und wird schrittweise durch Anlagenoptimierung weiteren Biomassetypen angepasst und zur Marktreife geführt. Durch die Aufbereitung der verschiedenen Biomassetypen unterliegt die Anlagenauslastung keinen jahreszeitlichen Schwankungen.
Foto: © Marilyn Peddle
Die Pilotanlage des Forschungsprojekts verarbeitet halmgutartige feuchte Biomasse, wie z.B. Gras, Laub, Feuchtwiesenschnitt oder Straßenbegleitgrün zu Brennstoff. Dabei macht sie sich das zum Patent angemeldete florafuel-Verfahren "Waschen, Zerkleinern, mechanisch Trocknen, thermisch Trocknen und Verdichten (Pelletieren/ Brikettieren)" zunutze. Fermentierungsabfälle, wie Pferdemist oder Schilf, werden mit einem reduzierten Anlagenaufwand aufbereitet.

Brennstoff, Dünger und Wasserwiederverwendung
Die Heizwerte der aufbereiteten Brennstoffe (Gras, Laub, .) liegen zwischen 17.000 und rd. 18.000 kJ/kg (wf) und damit fünf bis zehn Prozent unter den Werten von Holzbrennstoffen. Ein positiver Einfluss des florafuel-Aufbereitungsverfahrens zeigt sich in der Reduktion des Aschegehaltes und der verbrennungstechnisch bedenklichen Inhaltsstoffe, wie Chlor (Reduktion bis zu 90 Prozent) und Kalium (Reduktion bis zu 80 Prozent).

Das im Prozess anfallende Presswasser kann in Abhängigkeit von der Biomasse als Dünger auf landwirtschaftliche Flächen ausgebracht oder zur Biogaserzeugung genutzt werden. Der Vorteil der Vergärung der Presssäfte, im Vergleich zur Vergärung der Ganzpflanze, liegt in einem schnellen Prozessablauf innerhalb von maximal 15 statt 30 Tagen. Die Vergärung der Presssäfte in einem industriellen oder kommunalen Faulbehälter auf Kläranlagen zur Energieerzeugung ist denkbar. Das Waschwasser wird direkt in der Anlage aufbereitet und wiederverwendet. Das Presswasser kann, wenn es nicht als Dünger verwendet wird, direkt in der Anlage aufbereitet und nach der Abwassersatzung in den Kanal eingeleitet werden.

Die Durchsatzleistung der Versuchsanlage ist abhängig von der Biomasse und liegt bei Gras bei drei Tonnen Frischmasse pro Stunde und einer Pelletproduktion von 660 kg. Der Energiegewinn (unter Berücksichtigung des Energiegehaltes des Presswassers) liegt bei 3.580 kWh/t Pellet (13 Prozent Feuchtegehalt), das entspricht umgerechnet auf die Tonne Frischgras (80 Prozent Feuchtegehalt) einem Energiegewinn von 620 kWh/t.

Strom und Wärme aus Bioabfällen und Grünzeug: So lässt sich das neue Verfahren in einen Biomassehof integrieren.
Foto: © Swantje Schlederer


Die ersten Berechnungen zeigen deutlich, dass die Nutzung der Biomasse als Brennstoff, im Vergleich zur Vergärung der Ganzpflanze (Biogasanlage) einen rund 20 Prozent höheren Energieertrag aus einer Tonne Frischgras erzielt. Findet die Produktionswärme der Biogasanlage keine Verwendung, reduziert sich der Energiegewinn einer Tonne Frischgras auf 170 kWh/t. In diesem Vergleich liegt der erzielte Energiegewinn durch das Aufbereitungsverfahren 3,6 mal höher als bei der Nutzung durch Vergärung des Grasschnitts.

Energetische Unabhängigkeit und regionale Wertschöpfung
Wenn man 5.000 Betriebsstunden im Jahr bei der Anlage unterstellt, können Brennstoffe mit einem Energiegehalt von rund 9,3 Millionen kWh bereitgestellt werden, was einem Erdgasäquivalent von 1.054.500 m³ entspricht. Durch den Einsatz dieser Brennstoffe könnten pro Anlage rund 2500 Tonnen CO2 jährlich eingespart werden. Zum Vergleich: Die CO2-Emissionen aller PKW in Deutschland betrugen 2006 laut Umweltbundesamt ca. 104 Millionen Tonnen CO2.

Durch das florafuel-Verfahren können regenerative CO2-neutrale Brennstoffe unter konsequenter Erschließung bislang ungenutzter Energiepotenziale bereitgestellt werden. Die hergestellten Brennstoffe sind lager-, transport- und grundlastfähig und leisten einen Beitrag zur energetischen Unabhängigkeit bei regionaler Wertschöpfung und kurzen Wegen zwischen Produktion und Verbraucher. Die aufbereiteten Brennstoffe stehen nicht in Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion. Insgesamt wird hierdurch die Rohstoffbasis der Biobrennstoffe erweitert und hochwertige Brennstoffe werden als Monochargen (Laub-, Graspellets) oder Mischbrennstoffe, wie zum Beispiel Holz-/Gras- oder Holz-/Laubpellets als Energieträger bereitgestellt. Zudem kann die Abwärme von Industrie- und Biogasanlagen zur Trocknung der Brennstoffe genutzt werden. Die praktische Umsetzung des Verfahrens bringt außerdem eine dezentrale Schaffung von Arbeitsplätzen und eine potenzielle Wertschöpfung der Betreiber (Landwirte, Kompostbetreiber, Kommunen oder sonstige Gewerbetreibende) mit sich.

Kooperationspartner willkommen
Das vorgestellte Aufbereitungsverfahren birgt noch weiteres Optimierungspotenzial. Die Versuchsanlage soll unter ökonomischen Bedingungen im Rahmen eines Biomassehofes 2011 betrieben und weiter zur Marktreife hin optimiert werden. Im Fokus stehen 2011 Versuche zur Aufbereitung der biogenen Reststoffe aus der Biotonne und die Aufbereitung von Mischpellets (Gras/Holz, Laub/Holz). Der Projektträger sucht Kooperationspartner zur Platzierung weiterer Pilotanlagen. Ebenso wären im Ausland Lizenzen für das Verfahren zu vergeben.
 
 
 
Von Swantje Schlederer


Im Profil



Dr. Swantje M. Schlederer ist Mitarbeiterin an der Universität der Bundeswehr München am Institut für Wasserwesen.



swantje.schlederer@gmx.de


Quelle:
Umwelt | Ressourcen, 10.05.2011
Dieser Artikel ist in forum Nachhaltig Wirtschaften 02/2011 - Ressourcen erschienen.
     
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