Die Nachhaltigkeit von Verpackungen

Spagat zwischen Lifestyle und Ressourcenschutz

In Deutschland fallen pro Person und Jahr 196 kg Verpackungsabfälle an - 20 Prozent mehr als der europäische Durchschnitt. In nur fünf anderen EU-Mitgliedstaaten werden mehr Verpackungsabfälle produziert. Gleichzeitig sind die politischen und gesellschaftlichen Ansprüche an umweltfreundliche Verpackungen so hoch wie nie. Laut einer Studie der Gesellschaft für Konsumforschung ist für rund zwei Drittel der Verbraucher eine umweltfreundliche Verpackung ein wichtiger Gesichtspunkt beim Einkauf. In diesem Spannungsfeld steht die Verpackungsindustrie vor der Herausforderung, die bislang hohen Verpackungsmengen durch intelligentes Design und kreislauforientiertes Ressourcenmanagement mit den gesellschaftlichen Ansprüchen an nachhaltige Verpackungen in Einklang zu bringen.

Ein Beispiel kurzlebiger Einwegverpackungen: die Dose
Foto: © Thomas Siepmann / www.pixelio.de
Verpackungen im Wandel der Zeit
Verpackungen gehören zum täglichen Leben. Sie erfüllen verschiedene Aufgaben, wie die sichere Lieferung von Produkten, den Schutz von Waren und die Darbietung von Erzeugnissen. Verpackungen haben sich jedoch in den vergangenen Jahrzehnten stark verändert und zu einem rasanten Wandel der Packmittelstruktur und des Abfallaufkommens geführt.

Zu Beginn der 1950er Jahre waren Verpackungen noch schlicht und zweckmäßig, denn es stand die Schutz-, Transport- und Lagerfunktion im Vordergrund. Es dominierten die Monomaterialien Papier, Glas und Holz. Die Modernisierung der Warenwirtschaft in den 1960er Jahren führte zu neuen Darreichungsformen von Produkten und einem veränderten Konsumverhalten. Es begann die Ära kurzlebiger Einwegverpackungen: Cola gab es plötzlich in Dosen, Saft in Getränkekartons und Milch in Kunststoffbeuteln. Seit den 1980er Jahren begann der Siegeszug der Universalkunststoffe Polyethylenterephtalat (PET), Polyethylen (PE) und Polypropylen (PP) als Verpackungsmaterial. Eine aufkommende Plastik- und Verpackungsflut brachte Anfang der 1990er die Politik dazu, sich mit dem Recycling von Produktverpackungen zu beschäftigen: Die Verpackungsverordnung wurde eingeführt und der Grüne Punkt war geboren. Parallel zum aufkeimenden Recycling reduzierten sich die Verpackungsgewichte stark. Die zahlenmäßige Zunahme von Verpackungen wurde bis 1997 durch die Abnahme der Einsatzgewichte kompensiert, sodass der Verpackungsabfall insgesamt abnahm. Seit Ende der 1990er kehrt sich dieser Trend jedoch wieder um.

Heutzutage müssen Verpackungen ein Produkt nicht nur schützen und transportieren. Sie müssen auch dem Lifestyle entsprechen und der Bequemlichkeit von sogenannten Convenience-Produkten dienen: Sie müssen u.a. wiederverschließbar sein, dosieren, portionieren und Genuss stiften. Vor allem die Nahrungsmittelindustrie portioniert zunehmend ihre Produkte vor und füllt sie in immer kleinere Verpackungen ab. Der demographische Wandel und immer mehr Life-Style-Produkte erhöhen Verpackungsaufkommen. Spätestens seit Beginn dieses Jahrtausends geht die Materialeffizienz der eingesetzten Verpackungen tendenziell wieder zurück.



Von der europäischen Abfallhierarchie-Pyramide lassen sich konkrete Handlungsstrategien für nachhaltige Verpackungen ableiten.
Foto: © DUH


Die umweltfreundlichste Verpackung ist die, die erst gar nicht entsteht
Die beste Verpackung ist die, die gar nicht erst produziert wird. Dieser einfach klingende Grundsatz ist Teil der fünfstufigen Abfallhierarchie der europäischen Abfallrahmenrichtlinie: Abfälle sind in erster Linie zu vermeiden. Nicht vermeidbare Abfälle sollen in abnehmender Prioritätenfolge wiederverwendet, recycelt, verwertet oder beseitigt werden.

Für eine Verpackung, die nicht hergestellt werden muss, wird weder Material, noch Energie benötigt. Ob eine Verpackung gebraucht wird, hängt von der Art des Produktes ab. In jedem Fall sollten Doppelverpackungen vermieden und bei offener Ware wie Obst und Gemüse auf unnötiges Verpackungsmaterial verzichtet werden.

Die nächstbeste Lösung sind Mehrwegverpackungen, da sie durch ihre mehrfache Nutzung in besonderem Maße zur Abfallvermeidung beitragen. Dadurch müssen keine Verpackungen für denselben Zweck neu produziert werden - und man spart wertvolle Rohstoffe. So werden Glas-Mehrwegflaschen für Mineralwasser durchschnittlich rund 50 Mal wieder befüllt, bevor sie aussortiert, recycelt und für die Herstellung neuer Glasverpackungen eingesetzt werden.

Weniger Umweltauswirkungen durch Recycling und Eco-Design
Verpackungen müssen nach der Nutzung problemlos recycelt und für die Herstellung neuer Materialien eingesetzt werden können. Monomaterialien erleichtern ein hochwertiges Recycling, wogegen Verbundstoffe aus mehreren Materialien das Recycling erschweren. Hersteller und Nutzer von Verpackungen sollten deshalb bei der Auswahl von Verpackungsmaterialien unbedingt deren Wiederverwendbarkeit berücksichtigen.

Verpackungen sollten grundsätzlich so gestaltet sein, dass die Verpackungsmenge in einem optimalen Verhältnis zum Füllgut steht. Durch eine Reduzierung des Materialeinsatzes, z.B. durch die Verringerung der Foliendicke von Plastikverpackungen, kann die Materialeffizienz weiter verbessert werden. Bei kleiner werdenden Verpackungen sinkt tendenziell die Materialeffizienz, da mehr Verpackungsmaterial für die gleiche Inhaltsmenge eingesetzt werden muss. Halbvolle Produktverpackungen sollten, insbesondere bei Lebensmittelverpackungen, der Vergangenheit angehören.

Einsatz nachhaltiger Rohstoffe
Die Industrie steht zunehmend vor der Frage woher die Rohstoffe der Zukunft kommen sollen und setzt daher auf nachwachsende Rohstoffe. Auch aus Mais und Kartoffeln werden inzwischen Plastiktüten, Trinkbecher und Folien hergestellt. Biokunststoffe können ohne Zweifel einen bedeutenden Beitrag zur weltweiten Ressourcen-Effizienz leisten. Allerdings gibt es Nutzungskonkurrenzen, wenn nachwachsende Rohstoffe als Energieträger, Chemierohstoff oder als Nahrungsmittel genutzt werden. Besser wären deshalb Verpackungsmaterialien, die aus Pflanzenabfällen hergestellt werden, die sich nicht als Nahrungsmittel eignen (z.B. Pflanzenstängel). Schließlich ist auch zu berücksichtigen, dass die Herstellung von Kunststoffen aus nachwachsenden Rohstoffen Energie benötigt und die oft beworbene Klimaneutralität nicht gegeben ist.

Vor allem die Nahrungsmittelindustrie portioniert zunehmend ihre Produkte vor und füllt sie in immer kleinere Verpackungen ab. Doch die umweltfreundlichste Verpackung ist die, die erst gar nicht entsteht.
Foto: © Thomas Siepmann / www.pixelio.de
Ressourceneffizienz als Erfolgsfaktor für Unternehmen
Sicher, hygienisch einwandfrei, passend für jeden Einsatz und trotzdem mit möglichst geringem Materialaufwand: So müssen Verpackungen der Zukunft sein. Der verantwortungsvolle Umgang mit natürlichen Ressourcen wird für den Erfolg von Unternehmen zunehmend wichtiger. Sowohl Händler als auch Verbraucher fordern von Herstellern nachhaltige und ökologisch sinnvolle Lösungen. Eine Faustformel für "die" nachhaltige Verpackung gibt es zwar nicht, denn letztlich bestimmt die Funktion der Verpackung die Herstellung, den Materialeinsatz und die Logistik. Deshalb kann man per se auch keine Materialart generell als "die" beste einstufen. Glas eignet sich beispielsweise hervorragend für Mehrwegflaschen, würde jedoch nie für die Verpackung von Eiern in Frage kommen. Doch es gibt grundlegende Ansätze zur Verbesserung der Verpackungs-Nachhaltigkeit, die den Weg weisen: Bei der Herstellung von Verpackungen sollte v.a. konsequent das Gewicht reduziert, der Einsatz von Rezyklat erhöht, die Kreislauffähigkeit gesteigert und nachwachsende Rohstoffe eingesetzt werden. Unternehmen, die diese Grundsätze beachten, machen sich fit für die Zukunft.

 
 
Von Thomas Fischer


Im Profil
Thomas Fischer ist Umweltwissenschaftler und Projektmanager Kreislaufwirtschaft bei der Deutschen Umwelthilfe e.V.

E-Mail: fischer@duh.de


Quelle:
Umwelt | Ressourcen, 27.04.2011
Dieser Artikel ist in forum Nachhaltig Wirtschaften 02/2011 - Ressourcen erschienen.
     
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