25. Jahrestag der Katastrophe von Tschernobyl

Atomenergie - eine strahlende Gefahr

Es ist, als wolle die Erde ihren Beitrag dazu leisten, die Menschheit daran zu erinnern, was sich dieses Jahr zum 25ten Male jährt: Der Super GAU - also noch schlimmer als der "größte anzunehmende Unfall" eines Kernkraftwerkes - von Tschernobyl am 26. April 1986.

25 Jahre nach der Katastrophe von Tschernobyl - Das Unglück in Japan erinnert an die hohen Risiken von Atomkraft und bietet neuen Zündstoff für die Befürworter des "Ausstiegs aus dem Ausstieg".
Foto: © Bjoern Schwarz / Pixelio.de
Ein hartes Erwachen

In Japan ist die Lage im Atomkraftwerk Fukushima Daiichi (1) und - Daini (2) ernst, einige der Reaktoren waren nach einem der heftigsten Erdbeben der Geschichte des Landes instabil geworden und drohten völlig außer Kontrolle zu geraten. Die notwendige Kühlung der Reaktoren war laut sich gegenseitig jagenden Meldungen nicht mehr gewährleistet, in der Folge sind Kernschmelzen eingetreten und die in der nächsten Umgebung gemessene Strahlung überschreitet vorgegebene Grenzwerte bei weitem. Die Einstufung nach der siebenstufigen Ines-Skala auf Level 4 (Einstufung der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA) wurde von japanischen Behörden revidiert und nun auf Level 7 gestellt. Als Vergleich wurde der Super-GAU von Tschernobyl ebenfalls mit Level 7 bewertet, der GAU von Three Miles Island mit 5.

So wird der atomare Unfall von Tschernobyl in den Brennpunkt der deutschen Gesellschaft zurückgerissen, ein hartes Erwachen aus Verdrängung und Vergessen einer Katastrophe, die viele Todesopfer gefordert hat, nicht zu reden von langfristigen Schäden der Umwelt.
Die Entscheidung der Bundesregierung, die Atomkraftwerke acht bis 14 Jahre länger in Betrieb zu halten, wird wieder in Frage gestellt. Die Befürworter einer Abschaltung der Werke erhalten neuen Zündstoff - die Laufzeitverlängerungen der AKW werden neu überdacht.

Argumente, die am Fundament der Atomkraftwerke graben

Die Gegner der Atomkraft können nun mit dem - vom Geschehen in Japan - neu befeuerten Punkt argumentieren, dass das Risiko des GAU und "geringfügigeren" Unfällen beziehungsweise Störfällen ignoriert wird. Auch in Anbetracht von Terroristengruppierungen mit möglichen "Aggressionen" gegen Deutschland ist ein weiterer Betrieb mit schwer kalkulierbaren Gefahren verbunden: die 17 AKW des Landes könnten einem gezielten Terrorangriff zum Opfer fallen, dem sie nichts entgegensetzen können, denn selbst die Hüllen der jüngeren Kraftwerke mit neueren Technologien halten einem Anschlag mit panzerbrechenden Geschossen nicht stand.

Darüber hinaus gibt es noch keine zufriedenstellende Lösung der Atommüllproblematik, ein ebenso schwerwiegendes Thema wie die möglicherweise fehlende Sicherheit der Atomkraftwerke. Die vorhandenen maroden und offensichtlich ungeeigneten "Endlager" wie Asse und Morsleben sind nicht geeignet, um eine Million Jahre lang - bis der nukleare Müll zu einer "unbedenklichen" Stufe zerfallen ist - die Sicherheit zu gewährleisten, die vonnöten ist, um kommende Generationen nicht über Gebühr zu belasten. Zudem benötigen sie dringend eine äußerst kostenintensive Sanierung, die sich mit den Instandhaltungskosten der Lager und Atomkraftwerke summieren wird.

Hierbei stellt sich auch die Frage, ob eine Sanierung den Sicherheitskriterien gerecht werden kann und nicht nur das Grundproblem eines geeigneten Endlagers aufschiebt.
Hat ein Leistungsreaktor sein Lebensende erreicht, gehen die Kosten für seine Stilllegung und den Abbau in den Millionenbereich. Man kann sich vorstellen wie viele hunderte Millionen Euro früher oder später größtenteils auf die Steuerzahler Deutschlands zukommen werden, denn etliche Anlagen zur Forschung, Prototypen und das AKW Greifswald und Rheinsberg sind Sache der öffentlichen Hand. Kernspaltung ist also nicht zwingend die günstigste Möglichkeit, Energie - also auch Strom - zu gewinnen, vielmehr wird sie vom Staat stark unterstützt. Eine Kilowattstunde Atomstrom wird mit 4,3 Cent subventioniert, während die Umlage zur Förderung der erneuerbaren Energien nur 2 Cent pro Kilowattstunde beträgt.
Den Versuch der Atomlobby, ihre Kraftwerke als "Klimaretter" darzustellen, lassen die Gegner nicht durchgehen: Nur ca. sechs Prozent des weltweiten Primärenergiebedarfs werden durch Atomkraft gedeckt. "Erneuerbar" erscheint diese Energiequelle ebenso wenig: Die Uranvorräte würden beim Weiterbetrieb der aktuell laufenden Meiler nur ca. 65 Jahre ausreichen. Zudem sind der Uranabbau sowie die Umwandlung von Uran in Brennstoff für die Werke Hauptverursacher der Kohlendioxid (CO2 ) Emissionen im Prozess der Gewinnung von Atomenergie. Laut einer Studie des Institut für Energiewirtschaft und Rationelle Energieanwendung der Universität Stuttgart emittiert die nukleare Stromerzeugung in Deutschland einen Wert von rund 7 Gramm CO2 je erzeugter Kilowattstunde.

Ausstieg aus dem Ausstieg?

Die Befürworter des "Ausstiegs aus dem Ausstieg" argumentieren, dass die weltweiten Erdölreserven abnehmen, so dass Atomkraft als Brückentechnologien fungieren könne. Die globale Erwärmung werde zudem dank der geringeren CO2-Emissionen in Grenzen gehalten.

Atombefürworter rechnen vor, dass die Kernenergie kalkulierbare Kosten hätte und außerdem laut dem Kyoto-Protokoll (der jährliche Treibhausgas-Ausstoß der Industrieländer ist zu reduzieren; Sanktionen werden ausgesprochen, wenn die Ziele nicht eingehalten werden) Alternativen wie Gas, Öl und Steinkohle als Mittel zur Energiegewinnung eindeutig ungünstiger wären.

Gleichzeitig forciere der Atomausstieg Befürchtungen, dass ein Import von - den deutschen Maßstäben nicht gerecht werdendem - Strom notwendig werden würde, um eine entstehende Energieversorgungslücke ausgleichen zu können.

Die Betreiber der Anlagen würden bei einem Ausstieg ihre bereits veranschlagten Gewinne verlieren, denn der Aufbau und die Stilllegung beziehungsweise der Abbau ihrer Kernkraftwerke sind mit äußerst hohen fixen Kosten verbunden, der nukleare Brennstoff zum Betrieb im Verhältnis dazu eher "günstig". Daraus rechnet sich, dass die mit der Inbetriebnahme entstandenen, aber erst zum Lebensende der AKW anfallenden hohen Ausgaben erst durch einen langen Zeitraum vollen Betriebes gedeckt werden. Bereits abgeschriebene, ältere Atomkraftwerke erweisen sich als besonders wirtschaftlich für ihre Besitzer.

Und was denkt der Durchschnittsbürger?

Zusammengenommen muss man zur Meinungsbildung grundsätzlich beide Seiten der Problematik möglichst unvoreingenommen betrachten, dennoch erscheint der Ausstieg aus der Atomkraft nicht nur umweltfreundlicher, sondern auch unter humanen Gesichtspunkten notwendig. Dazu tragen erstens bestimmte Tatsachen wie die Atommüllproblematik bei, der Trend geht zu erneuerbaren Energien ohne gefährliche Abfallstoffe.

Weiterhin finden sich ungeklärte dunkle Flecken auf der weißen Weste der Atom-Lobby, wie erklärt sich beispielsweise die Geheimhaltung des "Unfalles von Majak" (29. September 1957) für 30 Jahre? Wie kann ein vernunftbegabter Mensch marode Anlagen mit absehbar hohem Unfallrisiko - die mit hochgefährlichen Substanzen arbeiten - weiter in Betrieb halten? In Anbetracht dieser Gefahrenverschiebung von Reststrommengen zwischen den Atomkraftwerken zugunsten der Betreiber überhaupt zuzulassen macht die Sache nicht besser. Denn damit könnten Laufzeiten von einzelnen Atomkraftwerken zu "Ungunsten" anderer Werke deutlich über ihren eigentlichen Abschaltzeitpunkt hinaus verlängert werden.

Vorschläge, Atomkraftwerke doch einfach sicherer zu machen, erscheinen als blanker Hohn: Sicherheitsvorrichtungen aufzustöpseln erinnert an das Bild eines alten schrottreifen Autos, dem man neue Airbags und einen schönen Lack spendiert, nur um auf der Autobahn zu erleben wie der Boden durchbricht oder der Motor sich in seine Einzelteile zerlegt.

Das Atommüllproblem im großen Stil klein zu reden zeugt nur davon, wie weit vom Zeitgeist der aufgeklärten Bevölkerung entfernt die sogenannten "Volksvertreter", die Politiker, denken und handeln. Die Regierung wird ihrer Verantwortung nicht gerecht, die Bürger aufzuklären und gleichzeitig nachhaltige Entscheidungen zu treffen, die nicht dazu dienen die Probleme immer wieder zu vertagen, sondern konkret Lösungsansätze bieten sollten.

Gibt es sinnvolle Pläne zum Ausstieg?

Die genannten Argumente und Denkanstöße befürworten eine Abschaltung der Atomkraftwerke, allerdings nicht durch die logischerweise schwer durchführbare "Hammermethode", sondern stufenweise, nach einem - die Parteien Staat, Energieversorger, Bürger und auch die Umwelt möglichst gering belastenden - "Ausstiegsplan", an dem sich die Beteiligten in ihrem Rahmen der Möglichkeiten mit Wissen und Erkenntnissen einbringen sollten.
Besonders wichtig ist es dabei, klar zu planen in welchem Umfang sich andere Energieträger erweitern sollen, je weiter der Atomsektor einschrumpfen wird, um die berühmt-berüchtigte Versorgungslücke zu vermeiden. Wenn ein ausgeklügelter Plan entworfen und durchdacht wird, wird uns im Anschluss an diesen der Ausstieg reibungsloser gelingen.

Ein ausführliches Beispiel hierzu bietet "der Plan" von der bekannten Umweltorganisation Greenpeace - ein Energieszenario für einen Atomausstieg auf einem ökonomisch tragfähigen Weg bis 2015 - einsehbar auf der Homepage.

Einen anderen Anstoß liefert Carl-A. Fechner mit dem mehrfach ausgezeichneten Film "Die 4. Revolution", in dem gezeigt wird, dass eine Neustrukturierung des Energiemarktes entgegen den Aussagen der Atom-Lobby möglich ist und wie man diese durchsetzt.
 
 
Von Daniela Gschnaidner
 
 
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Quelle:
Technik | Energie, 26.04.2011

     
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