Good Governance und CSR im Blick
Neue Herausforderungen für Aufsichts- und Beiräte
Fotolia © Franz Pfluegl |
Der Aufsichts- oder Beirat handelt primär im Interesse der Kapitaleigner. Er berät das Management und stellt sicher, dass aus der Geschäftstätigkeit Gewinn erzielt wird. Im Rahmen der CSR-Diskussion steht jedoch nicht der Profit im Mittelpunkt, sondern die gesamte Verantwortung des Unternehmens gegenüber seinen Stakeholdern. Diese reicht von den sozialen Verpflichtungen des Unternehmens, wie faire Entlohnung, Gesundheitsprävention und Ausbildungsprogramme für Mitarbeiter, über Investitionen in die zukünftige Ertragsfähigkeit des Unternehmens bis hin zu Maßnahmen im Umwelt- und Ressourcenschutz.
Ein verantwortungsbewusster Aufsichts- oder Beirat muss deshalb nicht nur das Zahlenwerk wie die Bilanz und die Gewinn- und Verlustrechnung, also die Ertrags-, Vermögens und Finanzlage beurteilen können, sondern genauso auch den Umwelt- oder CSR-Bericht.
Hier herrscht absoluter Nachholbedarf. Die Bedeutung von CSR-Aktivitäten und einer Good Governance wird von vielen Räten noch unterschätzt. Das kann zum Bumerang für alle Beteiligten werden, wie es sich in der Vergangenheit und vor allem in der jetzigen Krise gezeigt hat.
Somit sollten Verfehlungen im Bereich der Compliance zukünftig viel früher von den Kontrollgremien erkannt und korrigiert werden, denn der Ruf eines Unternehmens ist schnell verspielt und der Wert einer über Jahrzehnte aufgebauten Marke rasch beschädigt. Darüber hinaus verringert sich die Anziehungskraft des Unternehmens auf Talente und bringt damit Nachteile im globalen Wettbewerb.
Sparringspartner der Unternehmensleitung
Neben seiner Funktion als Kontrolleur versteht sich ein fähiger Aufsichts- oder Beirat als Sparringspartner der Geschäftsführung. Er hört zu, hinterfragt, erteilt konstruktiven Rat, gibt Impulse und spornt an. Kritischer Überwacher und Sparringpartner kann jedoch nur sein, wer konfliktfrei mit dem Vorstand beziehungsweise mit den Aufsichtsratskollegen diskutieren kann. Darum gilt es, möglichen institutionellen Interessenskonflikten vorzubeugen, wenn beispielsweise ein Aufsichtsratsmitglied gleichzeitig bedeutender Finanzier, Lieferant oder Kunde ist. Wer Gefahr läuft, in einen derartigen Interessenskonflikt zu geraten, sollte darum besser kein Mandat annehmen. Schließlich sollten die Interessen des beratenen Unternehmens vorgehen.
Know-how als Grundvoraussetzung für eine Überwachungstätigkeit
Schon der Bundesgerichtshof fordert für die Amtsausübung als Aufsichtsrat Mindestkenntnisse allgemeiner, wirtschaftlicher, organisatorischer und rechtlicher Art. Also jenes Know-how, das erforderlich ist, um alle anfallenden Geschäftsvorgänge auch ohne fremde Hilfe verstehen und sachgerecht beurteilen zu können. Kommen wir auf die jüngsten Ereignisse der Finanzkrise zurück, so haben einige Aufsichtsräte die komplexen Finanzkonstruktionen nicht erfasst und damit das Risiko für ihre Bankhäuser falsch eingeschätzt. Nicht nur Politiker haben sich hier in hohem Maße blamiert. Von daher sind für die Tätigkeit als Aufsichtsrat Grundkenntnisse zu den Geschäftsgegenständen nötig, vor allem in Bereichen, die die Risikostruktur des Unternehmens berühren. Zu den Mindestkenntnissen zählt insbesondere:
- die gesetzlichen und satzungsmäßigen Aufgaben des Aufsichtsrats zu kennen,
- sich der Rechte und Pflichten als Aufsichtsratsmitglied bewusst zu sein,
- Berichte, die dem Aufsichtsrat vorgelegt werden, sachgerecht verstehen, bewerten und daraus Schlussfolgerungen ziehen zu können,
- die Prüfung des Jahresabschlusses mithilfe des testierenden Wirtschaftsprüfers nachvollziehen zu können,
- Führungsentscheidungen im Hinblick auf ihre Ordnungsmäßigkeit, Wirtschaftlichkeit, Zweck- und Rechtmäßigkeit zu beurteilen,
- Ansprüche der unterschiedlichen Stakeholdergruppen zu kennen und berücksichtigen zu können.
Von selbst versteht sich, dass sich ein Aufsichtsratsmitglied vor einer Mandatsübernahme mit der Branchensituation, der Organisations- und Führungsstruktur des Unternehmens sowie der finanziellen Lage und Risikostruktur vertraut gemacht haben sollte. Darüber hinaus muss das Mitglied sich informieren, wie es um das gesellschaftliche Engagement des Unternehmens und gegebenenfalls vorhandene Umwelt- und Ressourcenproblematiken steht. Aufsichtsrats- oder Beiratstätigkeit ist nicht zu unterschätzen. Sie erfordert persönliches Engagement, Eigeninitiative sowie harte Arbeit - gerade dann, wenn die Gesellschaft konjunkturbedingt oder durch Managementfehler in schweres Fahrwasser gerät.
Zeit, ein kritischer Faktor
Jeder, der gewissenhaft ein Aufsichtsrats- oder Beiratsmandat wahrnehmen möchte, sollte dafür wirklich Zeit haben. Wer neben seiner Geschäftsführer- oder Vorstandstätigkeit noch vier oder fünf Mandate als Aufsichts- oder Beirat wahrnimmt, sollte sich ernsthaft fragen, ob er in der Krise eine wirksame Hilfe und Kontrolle sein kann. Eine solche Situation erfordert die volle Aufmerksamkeit: Ein guter Aufsichtsrat ist gewöhnlich nicht nur zu den vier Sitzungen im Jahr vorbereitet und präsent, sondern auch während der Sitzungspausen über den Fortgang der Geschäfte informiert. Wer seine Funktion auch im Sinne der Förderung einer Good Governance wahrnimmt, wird sich rege an der CSR-Diskussion innerhalb und außerhalb des Unternehmens beteiligen. Die Festsetzung der CSR-Strategie samt ihrer Implementierung und Überwachung gehört damit zu seinen Kernaufgaben.
Externe Beurteilung schärft das Profil
Weltweit steigen die Anforderungen an die Qualität von Aufsichtsgremien. Fast alle internationalen Kodices fordern deshalb Leistungsbeurteilungen der Überwachungsgremien, selbst wenn das für viele heute noch ungewöhnlich erscheint. Es ist schwer vorstellbar, dass eine Persönlichkeit wie Hermann Josef Abs, der in den 1960er Jahren bis zu 30 Aufsichtsratsmandate inne hatte, sich einer Beurteilung seiner Tätigkeit freiwillig unterzogen hätte. Doch gibt es gerade in jüngster Zeit "starke" Aufsichtsratsvorsitzende, die sich bewusst der Beurteilung ihrer Tätigkeit stellen. Erfolgt dies anschließend auch für das Gesamtgremium, regt dies einzelne Aufsichtsratsmitglieder an, trotz unterschiedlicher Rollenerwartung im Sinne des Gesamtunternehmens und aller beteiligten Stakeholder zu agieren. Dies gilt insbesondere auch für jene Parteien, die kraft der Mitbestimmungsregeln in die Gremien rücken. Die zu Tage geförderte Kritik an der Arbeit eines einzelnen Aufsichtsratsmitglieds wird meist von der Mehrzahl der Mitglieder geteilt. Durch die externe Evaluation können Missstände offen zur Sprache gebracht und gemeinsam im Gremium beseitigt werden.
Die Vorteile einer Aufsichtsratsbeurteilung:
- Es ergeben sich Anregungen für eine effizientere Aufsichtsarbeit.
- Ungenutzte Potenziale können gehoben und ausgeschöpft werden.
- Investoren, Analysten, Banken und kritische NPOs erhalten die Ergebnisse einer professionellen Aufsichtstätigkeit.
- Das Ergebnis ist eine Win-Win-Situation für das gesamte Gremium.
Fazit: Gute Performance, Good Governance und CSR sind die Eckpfeiler einer verantwortungsbewussten Wahrnehmung eines Aufsichts- oder Beiratsmandates. Deshalb sollte sich jeder Aufsichts- oder Beirat seiner Vorbildfunktion im Unternehmen und auch gegenüber den Stakeholdergruppen bewusst sein. Durch Gremientätigkeit prägt man entscheidend die Geschicke des Unternehmens. Eine hohe fachliche Expertise, Wertebewusstsein und Ethik sind damit keine lapidaren Anforderungen an einen Aufsichts- oder Beirat, sondern schlechthin eine "conditio sine qua non".
Von Axel Smend
Im Profil Dr. jur. Axel Smend Nach Stationen in leitender Position bei der Commerzbank war er Generalbevollmächtigter der DG/DZ-Bank AG. Seit 2002 ist er geschäftsführender Gesellschafter der Deutschen Agentur für Aufsichtsräte, die Firmen bei der Auswahl von Aufsichtsräten und Beiräten unterstützt, Aufsichtsgremien trainiert und evaluiert. Seit Mai 2008 ist er Mitglied der Expertenrunde zum Public Corporate Governance Kodex des Bundes. E-Mail: info@aufsichtsrats-agentur.de |
Versicherungsschutz für Aufsichts- und Beiräte Gegen welche Risiken sollte sich ein Aufsichtsrat absichern? Prof. Thümmel: Zu unterscheiden ist zwischen Ansprüchen aus Innen- sowie aus Außenhaftung. Bei der Innenhaftung geht es darum, dass die Gesellschaft selbst ihre Aufsichtsräte in Anspruch nimmt, weil sie durch Pflichtverletzungen das Unternehmen geschädigt haben. Die Außenhaftung betrifft den Fall, dass Aufsichtsräte in Folge von Pflichtverletzungen Dritten gegenüber - wie zum Beispiel Kunden oder Lieferanten des Unternehmens, Anlegern oder Wettbewerbern - für Schäden einstandspflichtig werden. Beide Risiken haben große praktische Bedeutung. Prof. Fissenewert: Die Deckung der Innenhaftung gestaltet sich darum als wichtigste Komponente der Managerhaftpflichtversicherung (D&O-Versicherung), denn diese macht den wesentlichen Teil aller Schadensfälle aus. Beim Vertragsschluss ist darauf zu achten, dass die D&O-Versicherung keinen sogenannten Insolvenzausschluss vorsieht. Ein solcher würde sämtlichen Ansprüchen, die im Zusammenhang mit einer Insolvenz der Versicherungsnehmerin stehen, die Deckung entziehen. Was ist sonst noch zu beachten? Prof. Fissenewert: Der Strafrechtsschutz sollte ausreichend sein, denn damit sichert das betroffene Organ sich die Verteidigung in einem Straf- und Ordnungswidrigkeitsverfahren, hingegen nicht gegen die Zahlung von Geldstrafen oder Bußgeldern ab. Allerdings springt die Versicherung nur ein, wenn es sich um betrieblich veranlasste Tätigkeit handelt. Wichtig ist in dieser Konstellation, dass der Strafrechtsschutz auch bei bedingtem Vorsatz greift sowie eine mögliche Irrtumsproblematik, wie beispielsweise die irrtümliche Annahme anerkannter Rechtfertigungsgründe, berücksichtigt. Bei Vertragsschluss ist darauf zu achten, dass alle relevanten Risiken einbezogen sind. Die unterschiedlichen Versicherungs-Bedingungswerke weichen erheblich voneinander ab. Prof. Thümmel: Eine D&O-Versicherung führt zu keinem geldwerten Vorteil für das Aufsichtsratsmitglied, die Prämie unterliegt damit nicht der Einkommenssteuer. Wichtig ist, dass eine ausreichend hohe Deckungssumme vereinbart wird und die Police eine Rückwärtsdeckung sowie geeignete Nachmeldefristen vorsieht. Eine Besonderheit der D&O-Versicherung liegt darin, dass der Versicherungsfall nicht durch den Pflichtverstoß des Aufsichtsrats, sondern durch die Erhebung von Ansprüchen ausgelöst wird (claims-made-Prinzip). Pflichtverletzung und Anspruchserhebung können zeitlich erheblich auseinanderfallen, weshalb es auf Rückwärtsdeckung und Nachmeldefristen ankommt. Wie lassen sich Haftungsfälle vermeiden? Prof. Fissenewert: Aufsichtsräte und Beiräte können ihr Haftungsrisiko dadurch vermindern, dass sie auf den Aufbau eines funktionierenden Risikomanagements im Unternehmen drängen und dieses überwachen. Im Übrigen kommt es entscheidend darauf an, dass die Unternehmensführung den Anforderungen der Gesetze, der Satzung, anwendbarer Geschäftsordnungen sowie auch freiwilliger Kodizes entspricht. Hierfür muss der Aufsichtsrat im Rahmen seiner Überwachungsaufgabe Sorge tragen. Im Profil Prof. Dr. Peter Fissenewert ist Rechtsanwalt und Partner an den Standorten Berlin und Brüssel der Kanzlei Buse Herberer Fromm. Neben seiner Tätigkeit als Rechtsanwalt hat er eine Professur für Wirtschaftsrecht an der privaten SRH-Hochschule in Berlin inne. Seine Tätigkeitsschwerpunkte sind das Gesellschaftsrecht (Mergers & Acquisitions), das Bank- und Kapitalmarktrecht sowie die Restrukturierungs- und Sanierungsberatung. E-Mail: fissenewert@buse.de Prof. Dr. Roderich C. Thümmel ist Rechtsanwalt und Partner der Sozietät Thümmel, Schütze & Partner in Stuttgart sowie Honorarprofessor an der Universität Tübingen. Seine Tätigkeitsschwerpunkte sind das Aktien- und GmbH-Recht, Corporate Governance und D&O Liability, M&A-Transaktionen, das US-Gesellschaftsrecht sowie internationales Vertragsrecht. E-Mail: roderich.thuemmel@tsp-law.com |
Quelle:
Wirtschaft | CSR & Strategie, 05.05.2009
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