Green Deal light? Chancen im regulatorischen Rückbau

Die EU Kommission fährt mit dem Regulatorik-Omnibus

Die Endhaltestelle heißt weiterhin Green Deal, doch der Kurs und Fahrplan werden angepasst. Was als Wettbewerbsstärkung und Bürokratieentlastung für Unternehmen gedacht ist, entpuppt sich bei genauerer Betrachtung als eine riskante Umgestaltung des Streckennetzes europäischer Nachhaltigkeitspolitik mit ungewissem Ausgang.
 
 © skyoverse, pixabay.comDie mit dem Green Deal verbundenen Nachhaltigkeitsziele erfordern zudem weiterhin Informationen, Analysen und Umsetzungsmaßnahmen. Und die gute Nachricht für Unternehmen ist, dass sich erprobte Instrumente und Verfahren nutzen lassen, um vorausschauend zu handeln. Eine Analyse der geplanten Omnibus-Vorhaben legt nahe, dass die Europäische Kommission zentrale Nachhaltigkeitsziele des Green Deal durch übermäßige Regulierung gefährdet sieht – und nun den Rückwärtsgang einlegt.
 
Mehrere Schlüsselinitiativen sollen spürbar zurückgefahren werden: das Inkrafttreten wird verschoben, Anwenderkreise sollen begrenzt, der Maßnahmenumfang soll verringert, Ausnahmen sollen erlaubt werden.
 
Die Corporate Sustainable Reporting Directive (CSRD), die EU Taxonomie, die Corporate Sustainable Due Diligence Directive (CSDDD), die EU Deforestation Regulation (EUDR), der Carbon Border Adjustment Mechanism (CBAM) und zuletzt auch die Green Claims Directive sind betroffen.
 
Viele Nachhaltigkeitsexpertinnen und -experten zeigen sich – trotz Verständnis für Vereinfachung – fassungslos über das Ausmaß der geplanten Eingriffe. Die bisherigen Gegner regulatorischer Einflussnahme scheinen hingegen positiv verblüfft zu sein und testen mit noch weitergehenden Forderungen aus, wie weit sich der Spielraum für Deregulierung ausreizen lässt.
 
In der Debatte droht dabei eine zentrale Erkenntnis in Vergessenheit zu geraten: Regulierung ist kein Selbstzweck. Sie ist ein Instrument, um die Ziele des Green Deal – Klimaschutz, Biodiversität, soziale Gerechtigkeit – möglich zu machen.
 
Denn auch wenn sich politische Standpunkte verändern: Der Anpassungsdruck durch den Klimawandel bleibt und Umweltkrisen und der Erhalt der Artenvielfalt verlangen vorausschauendes Handeln. Menschen-, Arbeits- und Verbraucherrechte verdienen weiterhin Schutz. Und Interessengruppen aus Gesellschaft, Kapitalmarkt und Zivilgesellschaft fordern nach wie vor transparente und verlässliche Berichterstattung.
 
Der ursprünglich mit dem Green Deal verbundene breite Konsens, dass eine Transformation hin zu einer nachhaltigen, generationengerechten Wirtschafts- und Lebensweise zwingend notwendig ist, scheint zu zerfallen.
 
Die Befürworter der Omnibus-Vorhaben präsentieren sie als Beitrag zu Bürokratieabbau und Wettbewerbsfähigkeit. Ihre Kritiker hingegen sehen in ihnen den Einstieg in den Abbau von notwendigen Schutzrechten und nachhaltigkeitsschädlicher Deregulierung. Die Erwartungen der Europäischen Kommission, dass weniger Berichtspflichten zu mehr freiwilliger unternehmerischer Nachhaltigkeit und zugleich zu einer wirtschaftlichen Stärkung führen, müssen sich an der Realität messen lassen.
 
Die Erfahrung der letzten Jahrzehnte zeigt: Freiwilligkeit allein reicht selten aus. Zu stark sind die Anreize, Nachhaltigkeit dort, wo sie sich nicht unmittelbar rechnet, auszublenden. Die Geschichte belegt: Gemeinwohlorientierte Interessen brauchen einen klaren, regelbasierten Rahmen. Ohne diesen bestimmen nicht die besten Ideen das Geschehen, sondern die stärksten Interessen. Und ohne Regulierung geraten die drei Säulen der Nachhaltigkeit – Ökonomie, Ökologie und Soziales – aus dem Gleichgewicht.
 
Schon heute ist der Vorrang wirtschaftlicher Interessen in vielen Bereichen unübersehbar. Sicher lässt sich darüber streiten, ob eine Regulierung die nötigen Impulse für die nachhaltige Transformation liefert oder ob sie lediglich zu administrativen Mehraufwand führt.
 
Unbestritten ist jedoch: Gute Regulierung wirkt.
Ob beim Verbot umweltschädlicher Substanzen, beim Schutz von Naturräumen, bei Arbeitsschutzvorgaben in globalen Lieferketten oder beim Tierschutz – überall dort, wo klar geregelt und kontrolliert wird, sind messbare Fortschritte sichtbar.
 
Hinzu kommt: Ökologische und soziale Risiken schlagen zunehmend in ökonomische Risiken um. Der Global Risk Report 2025 des World Economic Forum führt in seiner Prognose für die zehn größten globalen Risiken der kommenden Dekade sieben Risiken auf, die ökologischer oder sozialer Natur sind. Nachhaltigkeitsmanagement ist damit längst auch ökonomisches Risikomanagement.
 
Und auch wenn regulatorische Pflichten reduziert werden – der Informationsbedarf von Banken, Investoren und anderen Stakeholdern bleibt bestehen. Wer einmal einen Kredit beantragt hat, weiß: Ohne umfassende und valide Daten über die Auswirkungen, Risiken und Chancen der Investition, gibt es keine solide Kapitalvergabe.
 
Es ist sogar zu erwarten, dass bei einem Rückzug staatlicher Regulierung andere Akteure eigene Standards setzen. Die Folge: Eine Zunahme statt Abnahme der Berichtspflichten – fragmentiert, uneinheitlich und für Unternehmen potenziell noch aufwändiger.
 
Ob der vielbeschworene „Shielding"-Mechanismus der freiwilligen VSME- Berichterstattung entlang komplexer Lieferketten tatsächlich wirkt, bleibt abzuwarten.
 
Wie also mit dieser Gemengelage umgehen?
Die Richtung ist vorgegeben: Die ökologische, soziale und wirtschaftliche Transformation bleibt notwendig. Die Europäische Kommission verfolgt mit dem Green Deal und dem Green Industrial Act ambitionierte Ziele. Ob diese durch regulatorische Vorgaben oder durch finanzielle Anreize erreicht werden sollen, ist politisch umstritten und abhängig von wechselnden Mehrheiten. Dass Veränderungen kommen werden, steht jedoch außer Frage.
 
Klar ist auch: Ohne die Wirtschaft wird es nicht gehen. Warum also nicht jetzt schon handeln – vorausschauend, strategisch und zukunftsorientiert? Unabhängig von der aktuellen Regulatorik: Die Verbindung von wissenschaftlicher
Erkenntnis mit ökonomischem Handeln war schon immer ein Innovationsmotor. Wer heute gemeinwohlorientierte, generationengerechte Perspektiven in sein Geschäftsmodell integriert, verschaWt sich nicht nur einen ethischen, sondern auch einen strategischen Vorteil.
 
Instrumente und Verfahren gibt es zuhauf. So sind die doppelte Wesentlichkeitsanalyse und CO2-Bilanzierung erprobte und bewährte Instrumente, um den individuellen Ausgangspunkt zu bestimmen. Sie hilft Unternehmen, die relevanten Nachhaltigkeitsthemen aus interner und externer Perspektive zu identifizieren – und daraus umsetzbare Maßnahmen abzuleiten. Förderprogramme, Schulungen, sachkundige Beratung und digitale Tools stehen bereit, um Unternehmen bei der Informationsbeschaffung, Analyse und Umsetzung zu unterstützen.
 
Denn eines ist sicher: Der Fahrplan in eine nachhaltige Zukunft braucht nicht weniger, sondern kluge und vorausschauende Steuerung.
 
Gemeinsam mit Monja Henkel bringen Sven Fischer und Stephan Ley die Vision der LUWE GmbH – Gesellschaft für regenerative Nachhaltigkeit – in die Praxis: Als erfahrene Nachhaltigkeitsberater:innen begleiten sie Unternehmen auf dem Weg zu enkeltauglichen Wirtschaftsmodellen. Ihr interdisziplinäres Team unterstützt bei der Entwicklung und Umsetzung von Nachhaltigkeitsstrategien, beim Nachhaltigkeitsreporting, im Bereich Circular Economy sowie im nachhaltigen Design. Weitere Einblicke gibt es unter www.luwe.de.


     
        
Cover des aktuellen Hefts

forum future economy

forum Nachhaltig Wirtschaften heißt jetzt forum future economy.

  • Mit diesem Schritt markiert der Verlag bewusst eine Zeitenwende – hin zu einer Wirtschaft, die Zukunft schafft, statt nur Probleme zu verwalten.
Weiterlesen...
Kaufen...
Abonnieren...
09
DEZ
2025
Club of Rome Salon: Building the City of the Future (in English)
Cities, World Expos, and Stakeholders Driving Sustainability
10178 Berlin
Alle Veranstaltungen...
Anzeige

Professionelle Klimabilanz, einfach selbst gemacht

Einfache Klimabilanzierung und glaubhafte Nachhaltigkeitskommunikation gemäß GHG-Protocol

Pioniere & Visionen

Großzügigkeit und Wohlwollen
Christoph Quarch wünscht sich einen Relaunch des Nikolaus-Festes
B.A.U.M. Insights
Hier könnte Ihre Werbung stehen! Gerne unterbreiten wir Ihnen ein Angebot

Jetzt auf forum:

The GREEN MONARCH Awards 2025 Verleihung in Berlin

forum Nachhaltig Wirtschaften heißt jetzt forum future economy

forum future economy

Lkw-Service unterwegs

future economy: Regeneration als neue Fortschrittserzählung

Für Hobby- und professionellen Gartenbau: Label kennzeichnet nachhaltige Substratherstellung

"Was heute vermieden wird, muss später unter massivem Zeit- und Kostendruck nachgeholt werden."

Großzügigkeit und Wohlwollen

  • DGNB - Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen
  • World Future Council. Stimme zukünftiger Generationen
  • TÜV SÜD Akademie
  • Futouris - Tourismus. Gemeinsam. Zukunftsfähig
  • NOW Partners Foundation
  • circulee GmbH
  • Dr. Ing. h.c. F. Porsche AG
  • Engagement Global gGmbH
  • Bundesverband Nachhaltige Wirtschaft e.V. (BNW)
  • Protect the Planet. Gesellschaft für ökologischen Aufbruch gGmbH
  • BAUM e.V. - Netzwerk für nachhaltiges Wirtschaften
  • Global Nature Fund (GNF)
  • toom Baumarkt GmbH