Regionale Wirtschaftskreisläufe

- so nachhaltig wie ihr Ruf?


Regionale Netzwerke erfordern großes Engagement,
spielen aber nur selten kurzfristig Geld in die Kasse.
Gettyimages © John Lund
Regionale Wirtschaftskreisläufe werden seit rund 25 Jahren vielfach als das zentrale Instrument schlechthin für die Entwicklung strukturschwacher ländlicher Räume gesehen. Auch in die Förderprogramme zur Regionalentwicklung haben sie seit Anfang der 90er Jahre entsprechend Eingang gefunden. So sind in zahlreichen Regionen im deutschsprachigen Raum derartige Projekte finanziell unterstützt worden. Doch wie sieht es hinter den Kulissen aus? Erfüllen regionale Wirtschaftskreisläufe die hohen Erwartungen an eine nachhaltige Entwicklung?

Lange Zeit ging man von der Annahme aus, dass durch die Förderung regionaler Wirtschaftskreisläufe Importprodukte ersetzt und dadurch Wertschöpfung und Arbeitskräfte in der Region gehalten werden können. Denn durch geringere Ausgaben für Importe würden die regionalen Einkommen steigen und somit indirekt regionale Arbeitsplätze sichern. Im Zusammenhang mit der Diskussion über nachhaltige Entwicklung wurde die bereits sehr positive Wahrnehmung regionaler Wirtschaftskreisläufe auch in der Wissenschaft nochmals erhöht: Das Credo lautete: "Durch die Sicherung regionaler Wirtschaftskraft, die Reduzierung des Transports und die Stärkung regionaler sozialer Systeme leistet regionales Wirtschaften einen wichtigen Beitrag zur Nachhaltigkeit, der sowohl den ökologischen und sozialen als auch den volkswirtschaftlichen Kriterien nachhaltigen Wirtschaftens entspricht."(1)

"Begrenzt lebensfähig"

Aktuell herrscht sowohl in der Wissenschaft als auch in der regionalpolitischen Praxis jedoch eine gewisse Ernüchterung über den Erfolg von Projekten, die auf die Initiierung und Förderung regionaler Wirtschaftskreisläufe zielen. Das hat zwei Gründe:

1. Verschiedene Evaluationen von Regionalförderprogrammen wie INTERREG oder LEADER+ zeigen, dass derartige Projekte oft nur eine sehr begrenzte Lebensfähigkeit haben. Viele Projekte enden, wenn die Subventionierung durch das Förderprogramm ausläuft. Nur einem kleinen Teil der Projekte gelingt es, sich langfristig eine ökonomische Basis zu erarbeiten, die eine eigenwirtschaftliche Trägerschaft des Projektes erlaubt.

2. Zudem belegen verschiedene Studien(2) der letzten Jahre, dass es vor allem exportorientierte Projekte sind, die einen positiven Beitrag zur wirtschaftlichen Entwicklung der ländlichen Räume leisten.

Es stellt sich nun die Frage, welche Faktoren dafür verantwortlich sind, dass die früher so hochgelobten regionalen Wirtschaftskreisläufe plötzlich derart in der Kritik stehen. Empirische Studien über regionale Entwicklungsprojekte lassen darauf schließen, dass die Ursachen hier im System selbst liegen.

Die Krux mit dem Kreislauf

Ein zentrales Problem ist die Art der Regionsabgrenzung, die für das jeweilige Projekt gewählt wird. Die politisch-institutionell begründete Förderkulisse ist oft zu kleinräumig, so dass ein Marktraum nicht die Größe erreicht, die für ein Projekt notwendig ist, um langfristig wirtschaftlich existieren zu können. Mögliche economies of scale können damit nicht genutzt werden. Die Suche nach der zum jeweiligen Produkt oder zur Dienstleitung passenden Regionsgröße wird daher zu einer der zentralen Herausforderungen für jedes Projekt, das auf den Aufbau eines regionalen Wirtschaftskreislaufes zielt. Sicher ist aber in den allermeisten Fällen, dass die für ein wirtschaftliches Überleben notwendige Region meist größer ist als das jeweilige Regionalfördergebiet, in dem das Projekt subventioniert wird.

Ein weiteres Problem ergibt sich aus der netzwerkartigen Struktur der Zusammenarbeit, die derartige Projekte meist aufweisen. Aus der Netzwerkforschung ist bekannt, dass Netzwerke und Kooperationen in der Regel nur dann selbsttragend funktionieren, wenn für die Beteiligten messbare Effekte nachweisbar sind, die ihren Eigeninteressen nutzen. Bei gemeinwohlorientierten Netzwerken und Kooperationen haben die nicht monetären Effekte eine größere Bedeutung und sind auf die Zufuhr von externen Ressourcen angewiesen. In der Regel werden Projekte zur Förderung regionaler Wirtschaftskreisläufe durch die jeweiligen Regionalmanagementstrukturen initiiert. In ihnen kooperieren verschiedene gesellschaftliche Gruppen mit mehreren eigenständigen Unternehmen. Diese engagieren sich im Netzwerk, da sie mittelfristig einen spürbaren ökonomischen Mehrwert von der Zusammenarbeit erwarten. Die Erfahrungen mit derartigen Projekte zeigen nun, dass dieser ökonomische Mehrwert kurzfristig nicht oder nur begrenzt spürbar wird. Gleichzeitig erfordert die Anfangsphase der Kooperation aber ein hohes Engagement der beteiligten Unternehmen. Aufgrund dieser oftmals problematischen Kosten-Nutzen-Relation sinkt die Motivation zum Engagement der beteiligten Unternehmen, während die Wahrscheinlichkeit eines Ausstiegs des Unternehmens deutlich ansteigt. Das Auslaufen der (öffentlichen) Subventionen verschlechtert dieses Kosten-Nutzen-Verhältnis nochmals, was in der Folge oft das gesamte Projekt zusammenbrechen lässt, wenn es sich noch nicht soweit etablieren konnte, dass der Mehrwert für die beteiligten Unternehmen spürbar ist.

Beide Problembereiche hängen indirekt mit dem - aus heutiger regionalökonomischer Sicht - zu stark vereinfachten theoretischen Entwicklungsmodell zusammen, also der Annahme, dass durch Importsubstitution eine entsprechend hohe Wertschöpfung generiert werden kann und dass dadurch Arbeitsplätze in den (ländlichen) Regionen geschaffen werden können. Dieses Entwicklungsmodell einer endogenen Regionalentwicklung muss dringend erweitert werden.

Regionale Wertschöpfungsketten fördern

Diese sehr kritische Beurteilung der Bedeutung regionaler Wirtschaftskreisläufe darf nicht so verstanden werden, dass regionale Wirtschaftskreisläufe keinen Beitrag zu einer nachhaltigen Regionalentwicklung leisten können. Es gibt immer wieder Beispiele, wie derartige Projekte doch erfolgreich umgesetzt werden können. Betrachtet man diese Erfolgsgeschichten etwas genauer, so zeigt sich, dass diese immer dann ökonomisch rentabel sind, wenn im Mittelpunkt des Projektes ein "starkes" Unternehmen steht. Dieses Unternehmen hat für sich entschieden, auf die Karte "Region" zu setzen, richtet seine Geschäftstätigkeit entsprechend professionell auf diesen Markt aus und zieht die anderen Kooperationspartner mit. Gute Beispiele dafür gibt es in verschiedenen Wirtschaftsbereichen, etwa in der Getränkeindustrie, dem Holzbau oder der Nahrungsmittelverarbeitung.

Die Bachthal-Käserei Bieri Girenbad nimmt am
Regionalvermarktungsprojekt "natürli" aus dem Züricher
Berggebiet teil. Seit sie ihre Produkte zusätzlich
über eigene Läden in Zürich und Winterthur
vermarktet, steigen die Einnahmen merklich.
© Pro Zürcher Berggebiet e.V.

Grundsätzlich muss aber davon ausgegangen werden, dass eine Neubesinnung in der Diskussion über regionale Wirtschaftskreisläufe notwendig ist. Die Exportorientierung als zentrales Erfolgskriterium und wichtiger Treiber der regionalen Entwicklung darf nicht vernachlässigt werden. Exportziel kann die nächste Region, die metropolitanen Räume eines Landes oder möglicherweise auch der Weltmarkt sein. Viele Produkte oder Dienstleistungen, die im ländlichen Raum hergestellt beziehungsweise bereitgestellt werden, finden in der Region selbst zu wenig Nachfrage oder einen zu kleinen Absatzmarkt. Je mehr Schritte aber innerhalb der Wertschöpfungskette dieser Produkte und Dienstleistungen in einer Region produziert werden können, umso besser für die Region und deren Entwicklung. Es geht also weniger um die Förderung regionaler Wirtschaftskreisläufe, sondern um die Förderung regionaler Wertschöpfungsketten, an deren Ende dann neben dem regionalen Eigenverbrauch ganz prominent auch der Export von Gütern und Dienstleistungen stehen sollte. Dazu zwei Beispiele:

1. Ein innovatives Projekt von vier Schreinereien aus dem Schweizerischen Val Müstair ist die Herstellung von Möbeln aus einer heimischen Kiefernart in modernem Design. Für dieses Produkt bot aber das ländlich geprägte Bergtal viel zu wenig Vermarkungschancen. Erst seit sie die Möbel nicht mehr nur in der Region selbst vermarkten, sondern auch in der Metropole Zürich, begann der wirtschaftliche Erfolg des Projekts.

2. Auch für das Regionalvermarktungsprojekt "natürli" aus dem Züricher Berggebiet war dies der richtige Weg. Sie weiteten den Verkauf ihrer Käse- und Milchprodukte vom Bauernladen in den Gemeinden auf eigene Läden in Zürich und Winterthur sowie zahlreiche Einzelhandelsgeschäfte im Großraum Zürich aus und erhöhten damit ihre Wertschöpfung deutlich.

Die beiden Praxisbeispiele zeigen neben dem betriebswirtschaftlichen Erfolg auch einen nachweisbaren positiven Einfluss auf die gesamte Entwicklung ihrer Region. Ihre Wirkung beschränkt sich nicht nur auf die ökonomische Dimension, sondern beinhaltet auch die ökologische (Nutzung des heimischen Arvenholzes) und die gesellschaftliche Dimension (Identitätsbildung).

Neue Strategien auf dem Weg

Wir brauchen deshalb in der gesamten Diskussion über Regionalentwicklung wieder eine Rückbesinnung auf den Export als den zentralen Treiber der regionalen Entwicklung der ländlichen Räume. Die entsprechenden Förderprogramme für diese Regionen müssen diesen Faktor wieder stärker in den Vordergrund rücken, um damit auch den dauerhaften wirtschaftlichen Erfolg ihrer Förderung zu gewährleisten. In der Schweiz wurde dieser Schritt mit dem neuen Bundesgesetz über die Neue Regionalpolitik gemacht, das seit 2008 in Kraft ist. Hier wird explizit versucht, durch die staatliche Regionalförderung in den ländlichen Regionen der Schweiz Wachstumsimpulse zu generieren, die aus dem Export von Produkten und Dienstleistungen in andere Räume entstehen. Es wird spannend sein zu beobachten, wie nachhaltig die Wirkungen dieser neuen Strategie der Regionalförderung sein werden.



Literatur:
(1) Gothe, Gothe & Hahne, Ulf (2005): Regionale Wertschöpfung durch Holzcluster. Gezeigt an Best-Practice-Beispielen regionaler Holz-Cluster aus den Bereichen Holzenergie, Holzhaus- und Holzmöbelbau. wald-Arbeitspapier Nr. 14
(2) etwa die Studien in der Schweiz von P. Rieder im Zusammenhang mit dem Projekt MovingAlps und die Arbeiten im Rahmen des NFP 48 "Landschaften und Lebensräume in den Alpen".






Im Profil

Dr. Roland Scherer ist Vizedirektor des Instituts für Öffentliche Dienstleistungen und Tourismus und Leiter der Abteilung Regionalwirtschaft an der Universität St. Gallen. Seine Forschungsschwerpunkte sind unter anderem Regionalökonomie, Regional Governance und Grenzüberschreitende Kooperation.

E-Mail roland.scherer@unisg.ch

www.idt.unisg.ch


Quelle:
Wirtschaft | Lieferkette & Produktion, 12.12.2008

     
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