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Viel aufzuarbeiten, viel zu verzeihen

Christoph Quarch blickt auf vier Jahre Lockdown zurück

Am Samstag vor vier Jahren verkündete die Bundesregierung unter Angela Merkel verkündete den ersten Lockdown zur Eindämmung der Covid19-Pandemie. Damals wusste niemand genau, was auf uns zukommen würde: Ausgangssperren, Quarantänen, PCR-Tests, FFP2-Masken, Impfkampagnen. Mit fast prophetischer Hellsicht prognostizierte der damalige Gesundheitsminister Jens Spahn, man werde nach Ende der Pandemie einander vieles zu verzeihen haben. Einen Schritt in diese Richtung haben unlängst Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach und einige Mitglieder der früheren Bundesregierung unternommen, indem sie Fehler ihrer damaligen Politik eingeräumt haben. Ob das für die Aufarbeitung der Pandemie reichen wird? Darüber reden wir mit dem Philosophen und Autor Christoph Quarch.
 
Herr Quarch, wo steht Deutschland Ihrer Ansicht nach bei der Aufarbeitung der Covid-Pandemie?
Kinder waren von den COVID-Einschränkungen besonders betroffen. © educadormarcossv, pixabay.comNoch ganz am Anfang. Aber immerhin, der Anfang ist gemacht, und das ist gut so. Und gut ist auch, dass mit Horst Seehofer und Helge Braun zwei Mitglieder der damaligen Regierung den Mut aufbringen, Fehler einzugestehen. Das zeugt davon, dass sie ihr Handeln reflektieren und sich ernstlich fragen, was man in Zukunft besser machen kann. Genau das darf man von Politikern erwarten. Für eine umfassende, gesellschaftliche Aufarbeitung der Pandemie aber ist das noch zu wenig. Aus vielen Gesprächen weiß ich, welche tiefen Narben die Pandemie in den Seelen vieler Menschen hinterlassen hat. Dabei geht es nicht nur um Verzeihen oder das Eingestehen von Fehlern, sondern um psycho-soziale Heilung.

Karl Lauterbach räumt ein, man habe vor allem den Jüngsten in der Gesellschaft zu viel zugemutet. Tatsächlich ist gut dokumentiert, dass Kinder- und Jugendpsychologen seit der Pandemie mit einer steigenden Flut von Patienten zu tun bekommen haben. Teilen Sie Lauterbachs Sicht?
Es ist gut, dass Lauterbach an diesem Punkt Einsicht zeigt. Es war nicht klug, in der Pandemie alle Aufmerksamkeit auf den Schutz der sogenannten vulnerablen Gruppen zu legen und dabei die Kinder und Jugendlichen – immerhin die Zukunft des Landes – aus den Augen zu verlieren. Dass die Kids auf ihre Freunde, ihren Sport oder ihr schulisches Umfeld verzichten mussten: Das hat vielen nicht gut getan und sie in ihrer mentalen und physischen Resilienz geschwächt. Aber es sind nicht nur die Kinder und Jugendlichen, die man damals nicht genügend beachtet hat, sondern auch die Kinderärztinnen und Kinderärzte, die immer wieder darauf aufmerksam gemacht haben, dass es der Gesundheit der Kinder schadet, wenn man sie insoliert oder wegsperrt.

Andere Töne kommen von der Deutschen Stiftung Patientenschutz, deren Vorsitzender Eugen Brysch behauptet, die Hauptlast der Pandemie hätten Pflegebedürftige und Pflegeinrichtungen getragen. 
Das scheint mir eine einseitige Sichtweise zu sein. Was ich aber sehe, ist, dass es bei vielen Beschäftigten im Bereich von Pflege- und Gesundheitswesen infolge der Debatten über eine Impflicht zu einem dramatischen Vertrauensverlust in die Politik gekommen ist. Die Menschen fühlten sich bevormundet und gemaßregelt – was umso schwerer wiegt, als sie die Profis sind, die in Kliniken und Praxen die Arbeit machen. Vor allem bei niedergelassenen Ärzten sehe ich ein hohes Maß an Verbitterung. Von Heilpraktikern ganz zu schweigen. Viele hat es zutiefst gekränkt, dass ihre Kompetenz und Erfahrung plötzlich keine Rolle mehr spielten und Politik und Medien nur noch auf die Stimmen der Virologen hörten. Beim Umgang mit diesen Berufsgruppen gibt es noch sehr viel aufzuarbeiten und sehr viel zu verzeihen.

Fehler einzuräumen ist eines, aus Fehlern zu lernen ist ein anderes. Meinen Sie, dass Politik und Gesellschaft ihre Lektionen aus der Pandemie gelernt haben?
Da bin ich eher skeptisch. In meinen Augen sind wir alle sehr schnell wieder in unsere vorpandemischen Gewohnheiten zurückgefallen und haben diese teilweise sogar verschärft. Anstatt zu verinnerlichen, dass Aufgaben wie eine Pandemie nur durch eine gemeinsame Anstrengung bewältigt werden können, die Kooperation und Konsens verlangt, wird der politische Diskurs immer polemischer und spalterischer. Anstatt die so schmerzlich entbehrte persönliche Begegnung mit anderen Menschen zu suchen, ziehen sich viele immer weiter zurück in ihre digitale Ego-Bubble. Anstatt dankbar dafür zu sein, dass wir die Pandemie im Großen und Ganzen gut überstanden haben und zuversichtlich nach vorn zu schauen, jammern wir rum und richten uns in der Opferrolle ein. Das alles schadet der Gesellschaft langfristig mehr als die Pandemie selbst. Es gibt wirklich noch vieles aufzuarbeiten.
 

Der Philosoph Christoph Quarch schreibt regelmäßig für forum Nachhaltig Wirtschaften. © Christoph Quarch
Der Bestseller-Autor Christoph Quarch ist Philosoph aus Leidenschaft. Seit ihm als junger Mann ein Büchlein mit »Platons Meisterdialogen« in die Hand fiel, beseelt ihn eine glühende Liebe (philia) zur Weisheit (sophia), die er als Weg zu einem erfüllten und lebendigen Leben versteht. Als Autor, Publizist, Berater und Seminarleiter greift er auf die großen Werke der abendländischen Philosophen zurück, um diese in eine zeitgemäße Lebenskunst und Weltdeutung zu übersetzen."
 
In seinem neuen Buch "Begeistern! Wie Unternehmen über sich hinauswachsen" geht's um Fragen wie diese:
Wie kommt der Geist in unsere Unternehmen? – Durch Begeisterung! Und wie entsteht Begeisterung? Anders als die meisten glauben.

Lesen Sie mehr von ihm unter www.christophquarch.de

Als forum-Redakteur zeichnete Christoph Quarch verantwortlich für den Sonderteil „WIR - Menschen im Wandel". 

Gesellschaft | Politik, 12.03.2024

     
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