Für ein neues Zeitalter von Unternehmertum?! - Wege in ein Resonanz-Unternehmertum. 11. bis 13. Juni 2024

Skifahrn …

… weil Skifahrn is des leiwandste, was ma si nur vorstell´n kann.

So besingt es zumindest Wolfgang Ambros in seiner Lobeshymne auf das Skifahren. Aber: Nachhaltiges Skifahren – geht so etwas überhaupt? Oder ist das nicht ein Widerspruch in sich selbst? Ausgerechnet das als mondän geltenden St. Anton am Arlberg will hier ein Vorbild und Vorreiter sein.

© TVB St. Anton am Arlberg/Fotograf Sepp Mallaun
Skifahren auf der Piste droht zunehmend in Verruf zu geraten. Zu energieintensiv, zu CO2-lastig, einfach umweltschädlich lautet der Hauptvorwurf. In der Tat ist der Energieaufwand für Bergbahnen und Lifte, Beschneiungsanlagen sowie Hotellerie und Gastronomie enorm. In Zeiten des Klimawandels zeigen daher immer mehr Finger auf die Brettlkurver.

Die Anreise macht´s
CO2-Bilanzen gibt es heute für nahezu alles, auch fürs Skifahren. Eine Studie der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) in Zürich kommt dabei zu einem überraschenden Ergebnis: Bei einem einwöchigen Skiurlaub entfallen drei Viertel des gesamten CO2-Ausstoßes allein auf die An- und Abreise. Denn die erfolgt in der Regel bequemerweise mit dem eigenen Auto – und das ist noch in den allermeisten Fällen ein Verbrenner. Mit dem Zug und anderen öffentlichen Verkehrsmitteln anzureisen, auf diese Idee kommen die wenigsten. Zu langsam und vor allem zu umständlich, sagen die meisten. Man muss es nur wollen, sagen die anderen. Und es gibt dafür spannende Destinationen in den Alpen.

Mit dem ICE auf die Piste – CO2 frei?
Mit dem 'Ski Express Tirol' aus Hamburg über Hannover, München und Innsbruck ist St. Anton nun der höchstgelegene ICE-Bahnhof weltweit. © TVB St. Anton am Arlberg / Fotograf Patrick BätzWer mittags um kurz nach zwölf am Heidelberger Hauptbahnhof ist, der reibt sich vielleicht verwundert die Augen. Um 12.06 Uhr startet dort ein ICE zu einer Direktverbindung nach St. Anton am Arlberg. Ohne Umsteigen geht es über Stuttgart, Ulm und Bregenz direkt an die Piste. Ankunft: 17.35 Uhr, also noch rechtzeitig vor Apéro und Abendessen. Auf dem Weg zum Zielbahnhof in Innsbruck liegen auch noch andere Skigebiete an der Schiene. Das Montafon etwa, später das Kaunertal, das Pitztal und das Ötztal. Möglich ist eine derart schnelle Verbindung erst seit zwei Jahren. Die Arlbergbahn verbindet zwar schon seit 140 Jahren die beiden österreichischen Bundesländer Vorarlberg und Tirol. Auf deutscher Seite jedoch ist der gut 100 Kilometer lange Streckenabschnitt zwischen Ulm und Friedrichshafen, die sogenannte Südbahn, erst seit 2021 durchgehend elektrifiziert.

Auch aus Berlin schafft man es mit dem ICE in Rekordzeit auf die Piste. Wer um 9.04 startet ist um 16.55 ebenfalls rechtzeitig zum Aperitif in St. Anton. Mit dem Auto dürfte das kaum zu toppen sein und wer schon im Oktober sein Ticket bucht, ist bereits ab 39,90 € dabei.

Vom Infinity Pool bis zum Vier-Gänge-Menu – mit Wasserkraft?
Zweitgrößter CO2-Treiber im Skiurlaub ist die Hotellerie und Gastronomie. Beleuchtung, Herde, Kühlaggregate, Wasch- und Spülmaschinen, aber auch das Beheizen von Pools, Saunen und Dampfbädern fressen enorme Mengen Energie. Ähnlich wie bei der Bahnstrecke kommt St. Anton auch hier seine Lage entgegen. Genau genommen: seine Topografie. Im Süden des Orts, in der Bergwelt des Verwall, ziehen sich mehrere Hochtäler in Richtung Galtür und Ischgl. In einem dieser Täler, dem Moostal, liegt auf 2.000 Metern ein nicht nur optischer Schatz: der 32 Hektar große Kartell-Stausee, dessen Wasser im Sommer wie ein türkisfarbener Smaragd leuchtet.

Wer sich der Staumauer von unten nähert, der wird diese kaum als solche erkennen. Kein nahezu senkrechtes Beton-Ungetüm, sondern ein steiler, komplett begrünter, sich kaum von der Umgebung unterscheidender Wall. Dieser ist nicht aus Beton. Stattdessen wurden 800.000 Kubikmeter Gletschermoräne und Schutt zusammengetragen, verdichtet und mit einer flüssigen Masse ausgehärtet. „Beim Bau des Stausees vor rund 20 Jahren gab es für das Projekt überhaupt keinen Gegenwind", sagt Markus Strolz, Geschäftsführer der Energie- und Wirtschaftsbetriebe St. Anton (EWA), „weil wir von Anfang an sehr offen und transparent kommuniziert haben."

Aus dem See rast das Wasser durch Rohre 600 Höhenmeter ins Tal, schießt mit einer Geschwindigkeit von über 200 km/h und einem Druck von fast 60 bar in zwei Turbinen, die wiederum zwei Generatoren antreiben. Mit einer Leistung von zweimal vier Megawatt sind der Stausee und das kleine Kraftwerk das Herzstück der Stromversorgung von St. Anton. 30 Millionen Kilowattstunden Strom werden allein in diesem Kraftwerk erzeugt, ohne ein einziges Gramm CO2. Dem Wasser gönnt man aber nur eine kurze „Verschnaufpause". Nach einem „Zwischenaufenthalt" im kleinen Verwallsee geht es erneut hinein in Rohre und Turbinen ins etwas kleinere Rosanna-Kraftwerk, vor den Toren des Dorfs gelegen und in den achtziger Jahren errichtet. Und noch ein drittes gibt es auf dem Gemeindegebiet: das erste und noch heute in Betrieb befindliche Kraftwerk wurde bereits 1921 und damit vor mehr als 100 Jahren eingeweiht.

Im Sommer energiepositiv
„Insgesamt erzeugen wir mit unseren drei Anlagen jedes Jahr etwa 50 Millionen Kilowattstunden regenerativen Strom", sagt Markus Strolz. Das reicht aus für etwa 25.000 Vierper­sonenhaushalte. St. Anton hat aber nur 2.400 Einwohner, dafür 10.000 Gästebetten. Im Sommer ist der Urlaubsort nicht nur komplett energieautark, es kann den nicht benötigten Strom für gutes Geld weiterverkaufen. Die Bürger St. Antons zahlen gerade einmal 9 Cent pro Kilowattstunde – eine Zahl, von der man in Deutschland nur träumen kann. „In unserer Hochsaison im Winter reicht die produzierte Strommenge allerdings nicht ganz", räumt Strolz ein, „da müssen wir etwa drei bis vier Millionen Kilowattstunden zukaufen."

Vom Öl zur Biomasse – vom Diesel zum E-Antrieb
Geheizt wird in St. Anton zwar noch überwiegend mit Öl. Aber auch in Sachen Wärme tut sich etwas. 2020 ging ein Biomassekraftwerk für die Nahwärmeversorgung in Betrieb. Mit einer Wärmemenge von 15,4 Millionen Kilowattstunden pro Jahr spart es nach EWA-Angaben 1,6 Millionen Liter Heizöl und damit 4.800 Tonnen CO2 ein.

Nach Sonnenuntergang kommen die Raupen auf die Piste: Mit starken Motoren und Sensortechnik zaubern sie perfekte Hänge. Trotz zahlreicher Innovationen ist der CO2-Ausstoß enorm. © Ski Arlberg / Fotograf Patrick BätzBleibt noch der Betrieb der 25 Raupen für die tägliche Präparierung der Pisten. Circa 25 davon sind allein in St. Anton in Betrieb. Nach Berechnung der Salzburger Nachrichten verbrauchen solche Raupen zwischen 25 und 40 Liter Diesel pro Stunde. Das macht pro Saison, je nach Skigebiet, Öffnungszeiten und Wetter bis zu 60.000 Liter Diesel pro Fahrzeug aus. Weltmarktführer ist der „Pistenbully" der Firma Kässbohrer aus dem schwäbischen Laupheim. Wir stellen die Frage: Wo bleibt der Elektroantrieb, denn für die Präparierung von Langlaufloipen gibt es bereits Prototypen. „Für den Einsatz auf steilen Pisten sind die aktuellen Batterien aber nicht leistungsfähig genug", räumt Unternehmenssprecherin Maria Schackert ein. Eines der Kässbohrer-Modelle würde jedoch dieselelektrisch angetrieben, was etwa 20 Prozent CO2 einspare. Ab dem Baujahr 2022 können die Pistenbullies zudem auch mit sogenannten HVO-Kraftstoffen betrieben werden: Hydrotreated Vegetable Oil auf der Basis pflanzlicher und tierischer Abfälle wie etwa Frittierfett. Der CO2-Ausstoß soll sich dadurch um bis zu 90 Prozent verringern. „Eine Reihe von Skigebieten haben bereits komplett umgestellt", so Schackert.

Fazit: Für die Pistenraupen zahlt man also einen hohen CO2-Tribut! Aber: Die An- und Abreise ist immer noch das Hauptproblem im Tourismus und Wintersport.

Bequem mit den Skiern direkt zum Bahnhof St. Anton
Damit zurück zur Bahn und zu St. Anton. Der ICE startet mitten im Ort um 10.22 Uhr, Ankunft in Heidelberg 15.53 Uhr. Gerade rechtzeitig zur Nachmittagsjause. Und die Münchner können gar bis kurz vor 15.00 Uhr auf der Piste bleiben und sind dennoch bereits kurz nach 18.00 Uhr in der bayerischen Landeshauptstadt. Rail and Ski ist also auf jeden Fall eine angenehme, schnelle und nachhaltige Alternative.

Wünsche allen forum-Lesern leiwande Winterferien und für alle Skifahrer ein zünftiges Ski Heil.

Gut zu wissen

Mit dem Zug in die Alpen
Die Österreichische Bundesbahn (ÖBB) schnürt gemeinsam mit dem Fachverband der österreichischen Seilbahnen und der Tirol Werbung GmbH nachhaltige Urlaubspakete. Eine Bahnfahrt mit 3?, 4?, 5? oder 6?Tage?Skipass sowie Transfer vor Ort sind unter anderem für die Tiroler Skigebiete St. Anton am Arlberg, Stubaier Gletscher, Skiwelt Wilder Kaiser – Brixental sowie KitzSki - Skigebiet Kitzbühel, Ski Juwel Alpbachtal Wildschönau, Tiroler Zugspitz Arena, Region Seefeld und für das Zillertal buchbar. Die stark steigende Nachfrage aus Deutschland und den Niederlanden bestätigt, dass immer mehr Menschen auf eine klimafreundlichere Anreise Wert legen. Auch die ÖBB „Wintersport-Kombitickets" für die gemeinsame Buchung von Reisen in Tageszügen und Skipässen erfreut sich wachsender Beliebtheit.

Auch in Bayern gibt es dieses Jahr wieder ein Ticketpaket der Deutschen Bahn. Wählbar sind zwei Skigebiete. Das „Garmisch-Classic-Ticket" kostet 65, das „Zugspitze-Ticket" 70 Euro. Ab
1. Dezember ist es an allen DB-Verkaufsstellen buchbar.

Die Pistenpflege: Daten und Fakten
Traumpisten brauchen permanente Pflege durch Pistenraupen und jede Menge „technischen Schnee". Das kostet viel Energie und verursacht einen hohen CO2 Ausstoß. Der Snow Space Salzburg hat deshalb mit ClimatePartner eine CO2-Bilanzierung erstellt: Die Beschneiungsanlage wird bereits durch 100 % Ökostrom gedeckt und verursacht damit rechnerisch keinen CO2-Ausstoß. Trotzdem wurden 2020 in der Wintersaison 4.149,1 Tonnen CO2 durch den Skibetrieb produziert. Das sind pro Skifahrer und Tag 2,30 kg CO2 (gerechnet mit 1,8 Mio. Skitagen). 2,30 kg CO2 entspricht einer Autofahrt von 7,14 km bzw. 2,5 Waschgängen einer Waschmaschine bei 60 °C. Allein 2.600 Tonnen CO2 pro Jahr tragen Pistenraupen und Fuhrpark des Skigebietes zur Ökobilanz bei.

Die Alternativen zum Dieselantrieb für Pistengeräte
Der Dieselverbrauch einer modernen Pistenraupe liegt bei circa 5-30 Litern pro Stunde – bei älteren Modellen bis zu 50 Liter. Für kleinere Anwendungen, etwa zur Loipenpflege, gibt es von Prinoth eine vollelektrische Pistenraupe. Mit der Entwicklung des „Leitwolfs" experimentiert das Unternehmen auch mit Wasserstoffantrieb. „Wir hoffen, dass wir bis 2025 mit der Serienproduktion beginnen können", so der CEO der Prinoth AG, Klaus Tonhäuser. Die „Pistenbullies" von Kässbohrer sind schon für den Einsatz mit einem Dieselersatz aus Pflanzenölen ausgelegt. Darüber hinaus arbeitet man an Pistenraupen mit Diesel- und Elektrohybridantrieb. Dank effektiver Energierückgewinnung sollen diese nur 17 Liter pro Stunde verbrauchen.

Zahlen und Fakten
In Europa gibt es schätzungsweise 60 Millionen Skifahrer und Snowboarder, die Jahresmitteltemperatur im Gebirgsraum wird laut dem Expertenforum Klima & Schneesport bis Ende des Jahrhunderts um weitere zwei Grad steigen. Die NGO „POW – protect our winters” hat weltweit 150.000 Mitglieder. Sie will die Outdoor-Sportgemeinschaft, Athleten, Branchenführer und Enthusiasten vereinen, um sich für systemische und nachhaltige Lösungen einzusetzen, die den Wintersport erhalten, den Klimawandel bekämpfen und die Umwelt schützen.

Klaus Pfenning war lange Jahre Unternehmenssprecher und berichtet nun als freier Journalist von lohnenden Reisezielen – auch aus dem Blickwinkel der Nachhaltigkeit.

Lifestyle | Sport & Freizeit, Reisen, 17.11.2023
Dieser Artikel ist in forum Nachhaltig Wirtschaften 04/2023 mit dem Schwerpunkt Innovationen & Lösungen - Innovationen und Lösungen für Klima und Umwelt erschienen.
     
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