Wie über Wahrheiten, Fakten und Meinungen kommuniziert wird
Die Inkonsequenzen im Umgang mit der Klimakrise
Es wird unentwegt über den Klimawandel kommuniziert, aber nicht konsequent entschieden. Warum? Offensichtlich reichen die bisherigen Lösungswege wie Forschung, internationale Klimaabkommen wie Appelle an Bevölkerung nicht aus, um die Probleme zu lösen. Was sind die tieferliegenden Ursachen, die nicht im Blickfeld sind?
Neue Fragen
Dass die bisherigen Lösungswege in der Klimafrage nicht ausreichen, liegt nicht nur an den blinden Flecken in den Sichtweisen: Es wird so gut wie immer aus technologischer und politischer Sicht argumentiert, ohne die menschlich bedingten Widerstände in Betracht zu ziehen. Dazu gehört die Abwehr gegen das, was zu überfordern scheint wie zum Beispiel die Klimakrise. In der Politik sind zudem Sachzwänge und widerstreitende Interessen wirksam. Die Wissenschaft operiert mit fachspezifischen Methoden und stellt keine übergeordneten Fragen. Wie zum Beispiel diese:
Der Stellenwert der Kommunikation
In der Klimadebatte ist es verbreitet, zwischen Wahrheiten, Fakten oder Meinungen nicht zu unterscheiden. Wenn aber nicht geklärt wird, worüber geredet und entschieden wird, ist auch nicht klar, aufgrund welcher Voraussetzungen politische Entscheidungen getroffen werden. Hannah Ahrendt hat ihrem Essay über „Wahrheit und Politik" diese Begriffsunterscheidung maßgeblich gehalten. Fehlt dies Unterscheidung, bleibt offen, wovon die Rede ist. Von unumstößlichen Wahrheiten, von überprüften Fakten oder nur von Meinungen? Es ist verbreitet, daran zu zweifeln, dass es Wahrheiten gibt. Gleichzeitig wird der Wahrheitsbegriff geltend gemacht, wenn eine Lüge öffentlich wird. Fakten werden als maßgeblich bewertet, oft ohne dass die Frage gestellt wird, wer welche Fakten wie definiert und diese damit geltend machen will. Dokumentierte Fakten betreffen nicht nur das Gegebene (beobachtbare Naturkatastrophen), sondern auch das Gemachte (wissenschaftliche Ergebnisse und Protokolle). Meinungen geben Auskunft über Befindlichkeiten und Trends und sind in ihrer Bedeutung ebenso relevant wie überschätzt.
Barbara Strohschein ist als psychologisch und philosophisch ausgebildete Beraterin, Forscherin und Autorin tätig. Ihr jüngstes Buch heißt „Abwehr und Anerkennung in der Klimakrise: Wie über Wahrheiten, Fakten und Meinungen kommuniziert wird", ( Verlag Springer VS, 2022).
Neue Fragen
Dass die bisherigen Lösungswege in der Klimafrage nicht ausreichen, liegt nicht nur an den blinden Flecken in den Sichtweisen: Es wird so gut wie immer aus technologischer und politischer Sicht argumentiert, ohne die menschlich bedingten Widerstände in Betracht zu ziehen. Dazu gehört die Abwehr gegen das, was zu überfordern scheint wie zum Beispiel die Klimakrise. In der Politik sind zudem Sachzwänge und widerstreitende Interessen wirksam. Die Wissenschaft operiert mit fachspezifischen Methoden und stellt keine übergeordneten Fragen. Wie zum Beispiel diese:
- Woher kommt die Inkonsequenz im Umgang mit dem Klima?
- Welche Rolle spielt die Kommunikation dabei?
- Wie gehen Personen mit dem Klimaproblem um?
- Welche konstruktiven Lösungen gibt es?
Die Inkonsequenzen
Die erste Frage zwingt dazu, den Ursachen der Inkonsequenz auf den Grund zu gehen. Hier spielt Abwehr eine Rolle, die sowohl psychisch als auch sozial bedingt ist: Die psychisch bedingte Abwehr, unbewusst und/oder indirekt geäußert, ist wie ein Schutz, sich mit einem schwierigen Thema nicht auseinandersetzen zu wollen und zu können. Die sozial bedingte Abwehr spiegelt sich in rationalen Argumenten, mittels derer erklärt wird, warum Klimaschutz unnötig sei. In einer qualitativen Untersuchung über die „Argumentationsmuster in der Klimadebatte" habe ich aufgrund von Tiefeninterviews typischen Abwehr-Reaktionen auf die Klimakrise festgestellt, obgleich fast durchweg der Klimawandel als gegeben anerkannt wird. Die weiteren Ergebnisse: Man hofft auf die Macht, die Probleme lösen zu können und fühlt sich ohnmächtig. Man will sich engagieren, weiß aber nicht wie. Man zweifelt, will aber hoffen und weiß nicht, wie. Man fühlt sich hilflos und kämpft um Lösungen, die begrenzt sind. Man zweifelt und verlangt nach Wahrheiten, die dann nicht akzeptiert werden. Man fühlt sich nicht hinreichend informiert und sieht sich überfordert angesichts der Informationsfülle. Diese Widersprüche und Abwehr-Reaktionen sind wesentlich Ursachen für diese Inkonsequenzen, nicht nur in der Politik, sondern auch in jeder einzelnen Person, trotzdem es als No Go gilt, den Klimawandel zu bestreiten.
Der Stellenwert der Kommunikation
In der Klimadebatte ist es verbreitet, zwischen Wahrheiten, Fakten oder Meinungen nicht zu unterscheiden. Wenn aber nicht geklärt wird, worüber geredet und entschieden wird, ist auch nicht klar, aufgrund welcher Voraussetzungen politische Entscheidungen getroffen werden. Hannah Ahrendt hat ihrem Essay über „Wahrheit und Politik" diese Begriffsunterscheidung maßgeblich gehalten. Fehlt dies Unterscheidung, bleibt offen, wovon die Rede ist. Von unumstößlichen Wahrheiten, von überprüften Fakten oder nur von Meinungen? Es ist verbreitet, daran zu zweifeln, dass es Wahrheiten gibt. Gleichzeitig wird der Wahrheitsbegriff geltend gemacht, wenn eine Lüge öffentlich wird. Fakten werden als maßgeblich bewertet, oft ohne dass die Frage gestellt wird, wer welche Fakten wie definiert und diese damit geltend machen will. Dokumentierte Fakten betreffen nicht nur das Gegebene (beobachtbare Naturkatastrophen), sondern auch das Gemachte (wissenschaftliche Ergebnisse und Protokolle). Meinungen geben Auskunft über Befindlichkeiten und Trends und sind in ihrer Bedeutung ebenso relevant wie überschätzt.
Der menschliche Faktor
Alle Menschen sind vom Klimawandel betroffen und gehen sowohl unterschiedlich als auch ähnlich damit um. Wie reagiert wird, hängt davon ab, in welchen Lebensumständen, Berufen und Bildungskontexten jemand lebt, wie es in meiner Untersuchung über die „Argumentationsmuster" deutlich wurde. Unabhängig von einer weit verbreiteten Skepsis (nicht nur bei den Klimaskeptikern, sondern bei allen Befragten) herrscht mangelndes Vertrauen vor, ob und wie die Krise zu bewältigen wäre. In den Klimadiskursen tobt zudem ein Kampf um Anerkennung, nicht nur zwischen Klimaschutzgegnern und Klimaschützern, sondern auch in Gruppen ähnlich Gesinnter. Gefühle steuern dann weit mehr die Diskurse als die Auseinandersetzung mit der Faktenlage.
Der existentielle Lösungsweg
Anerkennung ist der Schlüssel für die Lösung der Probleme. Wer und was wird - so gesehen - in der Klimafrage anerkannt und was nicht? Welche institutionellen und sozialen Kontexte sind entscheidend dafür, dass etwas oder jemand anerkannt wird? Es beginnt bereits damit, zu akzeptieren, dass es diese Inkonsequenzen gibt. Zu erkennen ist, dass Kommunikation eine entscheidende Rolle in dieser Krise spielt und nicht nur, wie üblich, technologische und politische Aspekte. Es gilt zu begreifen, dass die Analyse des Sprechens und Handelns als Ausdruck der Kommunikation ebenso in Betracht zu ziehen ist wie Umwelttechnologien. Konstruktiv ist es, auch andere Positionen zu respektieren, ohne den eigenen Standpunkt aus dem Auge zu verlieren. Entscheidend ist, sich an bereits vorhandene Lösungen zu erinnern, optionale Lösungswege zu vergleichen und zu bewerten. Wenn etwas anerkannt werden soll, muss es verstanden und erklärt werden, weil sonst sofort Widerstand entsteht. Denn wer soll etwas anerkennen, was er/sie es nicht versteht? In diesem philosophischen Sinn von Anerkennung können Lösungen für die Klimakrise wie auch für die Stabilisierung Demokratie weiter entwickelt werden. Es ist dabei entscheidend, die menschlichen Faktoren zu berücksichtigen, um konstruktiv zu kommunizieren und um der weitverbreiteten Angst und Skepsis entgegenwirken zu können.
Barbara Strohschein ist als psychologisch und philosophisch ausgebildete Beraterin, Forscherin und Autorin tätig. Ihr jüngstes Buch heißt „Abwehr und Anerkennung in der Klimakrise: Wie über Wahrheiten, Fakten und Meinungen kommuniziert wird", ( Verlag Springer VS, 2022).
Umwelt | Klima, 24.06.2023
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