Wir brauchen eine öffentliche Suchmaschine
Der aktuelle Kommentar von Michael Andrick
Heute sind einige wenige Großunternehmen aus der Technologie- und Internetbranche die wichtigsten Verlage der Welt geworden. Ihre Stellung ist mittlerweile der von Kirche und Adel im mittelalterlichen Diskurs vergleichbar. Sie entscheiden maßgeblich darüber mit, welche Themen und Personen im öffentlichen Bewusstsein eine zentrale, eine nebengeordnete oder auch fast gar keine Rolle spielen: Je nachdem ob ein Suchbegriff bei Internetsuchen weit oben, weiter unten oder auch gar nicht in der Ergebnisliste auftaucht.

Digitales Demokratiedefizit
Dieses Beispiel zeigt: Die wenigen Konzerne, die über den Computercode ihrer Plattformprodukte einen ganz eigenen, in sich geschlossenen Kosmos für ihre Nutzer generieren können, haben eine enorme Macht für sich errungen – Macht über den Diskurs offener Gesellschaften und über das Schicksal derer, die sich in diesen Diskurs einbringen wollen. Zwar taucht hin und wieder unter den Großfürsten des Digitalkapitals eine Reformatorenfigur auf – wie gerade Elon Musk bei Twitter, der seinen Jüngern (frei nach Luther gesprochen) den Ausgang aus der babylonischen Gefangenschaft eines zensierten Diskursraums verspricht. Aber auch Musk ist jetzt ganz einfach der Besitzer dieses Plattformunternehmens und hat deshalb ebenfalls die Versuchung und Möglichkeit, intransparent Einfluss zu nehmen. Der König ist tot, es lebe der König; nur ist auch der neue ein Autokrat.
Diese Machtverteilung im digitalen Raum ist mit demokratischen Verhältnissen nicht vereinbar. Sie muss per Gesetz verändert werden. Denn der inhaltliche Stoff der Selbstregierung durch Gespräch, die wir einer Demokratie miteinander zu leisten haben, stammt heute aus den unendlichen Weiten des Internets.
Behinderung der Meinungsbildung
Dort wollen zahlungskräftige Reklamekunden durch geschickte Werbung möglichst viel Geld verdienen, während politische Akteure am liebsten all das entfernt sehen möchten, was sie eigenmächtig als „Desinformation" brandmarken – und was natürlich niemals die Inhalte und Positionen sind, die sie selbst vertreten. Wird aber der im Internet für den Bürger verfügbare und diskutierbare Inhalt auf diese Weise drapiert oder eingeschränkt, so wird damit die Sachbasis der Meinungsbildung geschmälert. Wir blicken dann durch die Brille derer auf die Welt, die genug Einfluss haben, um die Betreiber der Suchmaschinen und Plattformen für die Begünstigung ihrer Partikularinteressen zu bezahlen.
Ein schmaleres Informations- und Meinungsspektrum gebiert ein engeres Weltverständnis, und das führt zu schlechteren Diskussionen. Sachferne Debatten aber begünstigen ideologische Entscheidungen, die sich von der Wirklichkeit abkoppeln. Was die bewirken können, bedarf keiner Beispiele; sehen Sie sich um.
Internetsuche gehört zur Daseinsvorsorge

Deshalb brauchen wir als ersten Schritt zu einem demokratiefreundlichen Internet eine öffentliche Suchmaschine. Sie muss großzügig aus Steuergeld finanziert sein. Ihr Programmcode muss öffentlich im Internet stehen, für jeden einsehbar und für Fachleute überprüfbar. Ihre Arbeit sollte von einem Bürgerrat überwacht werden, der aus der Bevölkerung ausgelost wird. Seine Mitglieder sollten für die Zeit ihres Mandats kündigungssicher von ihrer beruflichen Arbeit freigestellt sein. Denn mündige Bürger brauchen freien Zugang zum Wissen der Welt – unbeeinflusst von ihrer Regierung und den mächtigen Werbeakteuren des Internets.
Der Text erschien ursprünglich auf deutschlandfunkkultur.de. Mit freundlicher Genehmigung.
Michael Andrick ist Philosoph und Manager. Als Mitglied des Kuratoriums von forum Nachhaltig Wirtschaften setzt er sich besonders für eine funktionierende demokratische Kultur ein. Für das Buch "Erfolgsleere" und seine Kolumne in der Berliner Zeitung erhielt er 2022 den "Jürgen-Moll-Preis für verständliche Sprache in der Wissenschaft". derandrick.de
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Technik | Digitalisierung, 06.12.2022

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