„Wir lernen jeden Tag“

In Düsseldorf wird zum 15. Mal der Deutsche Nachhaltigkeitspreis (DNP) vergeben

In Düsseldorf wird zum 15. Mal der Deutsche Nachhaltigkeitspreis (DNP) vergeben. Seit der ersten Verleihung 2008 haben sich die Auszeichnung, die Wettbewerbe und der zweitägige Kongress zu einem der größten Projekte ihrer Art in Europa entwickelt. Laut einer Studie der Universität Hohenheim ist der DNP unter 160 Wettbewerben der begehrteste Preis für sozialen und ökologischen Fortschritt. Dabei standen die Zeichen nicht von Anfang an auf Erfolg. Im forum-Interview zieht der Initiator Stefan Schulze-Hausmann eine Bilanz.

Herr Schulze-Hausmann, wie ist Ihnen die Premiere 2008 in Erinnerung?
Der Mann mit der silbernen Kugel:Stefan Schulze-Hausmann und der DNP wachsen an den Herausforderungen, die nachhaltiges Wirtschaften und eine führende Veranstaltung seiner Art stellen. © Dariusz MisztalDer Mann mit der silbernen Kugel:Stefan Schulze-Hausmann und der DNP wachsen an den Herausforderungen, die nachhaltiges Wirtschaften und eine führende Veranstaltung seiner Art stellen. © Dariusz Misztal
Als wir starteten, gab es Gegenwind. Unsere Formate – vor allem ein festlicher, auch unterhaltender Rahmen zur Verleihung – fanden manche unpassend. Kurz nach der Finanzkrise und in einer Zeit harter Kritik an den Unternehmen, sich endlich zu bewegen, kamen wir mit Wertschätzung für das Geschaffte, mit guten Beispielen statt mit dem Hammer und mit einem Glas Wein zur Belohnung. Aber es ging darum, Nachhaltigkeit buchstäblich in die Mitte der Gesellschaft zu bringen, den Lichtkegel der Medien auf unser Thema zu lenken und nicht nur die Nachhaltigkeitsverantwortlichen, sondern auch ihre Chefinnen und Chefs zur Verleihung zu bekommen. Dass diesem Abend vollkommen unglamouröse elf Monate Wettbewerb, Assessment, Juryarbeit, Kongressvorbereitung und Finanzierung vorausgingen, wurde gerne übersehen. Vor allem die Frage, wie man Nachhaltigkeitsleistungen eigentlich bewertet, war damals lange noch nicht so ausführlich beantwortet wie heute, und trotzdem gilt es, an dieser Fragestellung unablässig weiterzuarbeiten. 
 
Bis heute müsst Ihr erklären, was Ihr gegen Greenwashing tut…
Das ist doch völlig Ok. Der DNP arbeitete von Anfang an unter den Augen kritischer Medien und NGOs, die vor allem das Assessment beobachten. Wer fair herangeht und genau hinschaut, sieht seit 2008 knapp 30 Partner wie EY, PwC, Kearney, Fraunhofer-Gesellschaft, Wuppertal Institut, NABU, Ashoka und Leuphana-Universität, die viele Tausend Assessments durchgeführt haben. Sie bringen in die Vier-Augen-Bewertungen der Einreichungen Sorgfalt, tiefe Expertise und Kritikfreude mit. Wir gehen dabei grundsätzlich von der Richtigkeit der Angaben aus, die wir uns von jedem Bewerber explizit bestätigen lassen. Gleichwohl unterziehen die Partner sie durchweg Gegenchecks, Plausibilitätsprüfungen, Branchenvergleichen und „red flag"-Untersuchungen auf negative Berichterstattung im Web etc. Man kann niemals ausschließen, etwas zu übersehen oder getäuscht zu werden. Circa vier Stunden Assessment reichen nach unserer Erfahrung jedoch aus, um Spreu vom Weizen zu trennen. Die Partner stehen mit ihren guten Namen, keiner hat ein Interesse, Greenwashing zu unterstützen und unwürdige Bewerber*innen durchzuwinken. Die Letztentscheidung trifft die Expertenjury, die zusätzliche Sachkenntnis einbringt und nochmals kritisch alle Bewerbungen hinterfragt.
 
15 Jahre DNP – Was waren für Dich die Höhepunkte?
Neue Kategorien zu entwickeln und an den Start zu bringen, ist immer ein schwieriger Weg. Methodik definieren, Partner finden, finanzieren, Bewerber informieren etc. Deswegen sind die ersten Verleihungen echte Höhepunkte. In Erinnerung bleiben uns allen Begegnungen, die wir dem Projekt verdanken. Der heutige König Charles III. kam auf unsere Einladung, António Guterres, die wunderbare Annie Lennox und Jane Goodall. Höhepunkte sind auch Momente, in denen wir merken, was ein Preis in Unternehmen oder Städten auslösen kann. Er gibt oft den richtigen Rückenwind und tut damit der Sache gut.
 
Was waren die bangsten Momente?
Die haben eindeutig mit Corona und dem Ukraine-Krieg zu tun. Jeder von uns hat gesehen, wie stark das Thema Nachhaltigkeit überlagert wurde durch andere Sorgen – auch wenn die Lösung für zerrissene Lieferketten, Energieknappheit und überteuerte Ressourcen oft nachhaltige Transformation ist. Es half enorm, dass wir uns auf die allermeisten unserer Partner verlassen konnten. Vor allem, als 2020 und 2021 nur hybride Veranstaltungen möglich waren. Auch 2022 macht die Tatsache, dass drei Flugstunden von hier ein brutaler Krieg stattfindet, auch etwas mit Kongress und Preisverleihung.
 
Was sind die Highlights zum 15. DNP?
Verdiente Ehrenpreisträgerin: Jane Goodall verzaubert auf der Gala des DNP ihre Zuhörer. © Dariusz MisztalVerdiente Ehrenpreisträgerin: Jane Goodall verzaubert auf der Gala des DNP ihre Zuhörer. © Dariusz Misztal
Das Kongressprogramm ist besonders dicht und sehr gut besetzt. Wir freuen uns über das Kommen des Bundeskanzlers, unsere Schirmfrau wurde Bundestagspräsidentin Bärbel Bas. Unter den Gästen sind auch Fürst Albert II., der jenseits der Klischees über Monaco eine der erfolgreichsten Umweltstiftungen aufgebaut hat, und der Vater von Cradle to Cradle, Michael Braungart, beide erhalten Ehrenpreise. Aber das Wichtigste: Nachhaltigkeit muss zurück nach oben auf die politische Agenda.
 
Wie lautet der Ausblick auf 2023?
Wir arbeiten an einer Veränderung der Methodik des Unternehmenspreises „von der Spitze in die Breite". Nach 15 Jahren DNP ist Nachhaltigkeit in der Umsetzungsphase: In allen Branchen finden sich Vorreiter-Unternehmen und Rollenvorbilder, die das Thema aktiv vorantreiben, Kennzahlen messen, Maßnahmen umsetzen, Lösungen mit Nachhaltigkeitsimpact an den Markt bringen sowie Leistungen über Nachhaltigkeitsberichte transparent machen. Es gilt aus unserer Sicht, diese Umsetzungs- und Verbreitungsphase im Wettbewerb abzubilden – und gleichzeitig die neuen Berichtspflichten mitzudenken. Daher wird ein neuer Prozess den Übergang hin zu Umsetzung und Verbreiterung im Wettbewerb abbilden. Wir versuchen, mit den Entwicklungen im Feld Nachhaltigkeit Schritt zu halten, manchmal auch die Nase vorn zu haben und mit unseren Mitteln Beiträge zu leisten. Das heißt: Wir lernen jeden Tag.
 
Herr Schulze-Hausmann, wir danken für das Gespräch.

Dieser Artikel ist in forum Nachhaltig Wirtschaften 04/2022 mit dem Schwerpunkt: Globale Ziele und Klimaschutz - Zeit, die Stimme zu erheben und endlich zu handeln? erschienen.



     
        
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