Menschenrechtliche Sorgfalt:
Wie auch kleinere Unternehmen die Blackbox „Nachhaltige Lieferkette“ aufbrechen können
Schon Monate vor seinem Inkrafttreten im Januar 2023 beschäftigt das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) die deutsche Wirtschaft. Und zwar nicht nur Unternehmen, die unmittelbar unter das Gesetz fallen, sondern auch KMU. Laut einer DIHK-Umfrage wurden bereits mehr als die Hälfte der befragten Unternehmen mit 250 bis 999 Beschäftigten zu menschenrechtlichen und umweltbezogenen Risiken kontaktiert. Selbst bei Betrieben mit weniger als 250 Mitarbeitenden liegt die Quote bei 39 Prozent. Zudem sieht ein Entwurf der EU-Kommission für ein Lieferkettengesetz auf europäischer Ebene bereits einen Geltungsbereich für Unternehmen ab 500 Beschäftigten vor – in Risikosektoren bereits ab 250.
Der Handlungsdruck für die Unternehmen spiegelt sich auch in den hunderten Beratungsanfragen wider, die wir als Helpdesk Wirtschaft & Menschenrechte erhalten. Seit Verabschiedung des LkSG bekommen wir viele Anfragen von kleineren Unternehmen, die sich auf Kundenanforderungen einstellen. Jedes dritte Unternehmen, das uns kontaktiert, fällt zwar nicht in den Anwendungsbereich des Gesetzes und ist somit nicht von direkten Berichtspflichten, möglichen Kontrollmaßnahmen oder Sanktionen betroffen. Dennoch ist das LkSG auch für sie ein Anlass, Unternehmensgrundsätze zu prüfen, Einkaufsprozesse anzupassen und Beschäftigte zu schulen.
Erik Wessels, Leiter des Helpdesk Wirtschaft & Menschenrechte, erklärt, warum nachhaltige Lieferketten handfeste wirtschaftliche Vorteile bieten.
Denn auch KMU sind gut beraten, sich bereits jetzt mit der Umsetzung von Sorgfaltsprozessen zu befassen. Obendrein ist eine robuste nachhaltige Lieferkette nicht nur eine Frage von Ethik und Anforderungen durch Gesetzgeber und Geschäftspartner, sondern bietet auch wirtschaftliche Vorteile:
- Qualität: Soziale und ökologische Standards können helfen, die Produktqualität zu steigern.
- Risikominimierung: Funktionierender Arbeitsschutz, ein gutes Gesundheitsmanagement und die Einhaltung von Umweltschutzstandards verringern das Risiko von Produktionsausfällen.
- Reputation: Belege für die Übernahme menschenrechtlicher und ökologischer Standards verschaffen ein positives Image.
- Geschäftsfeldentwicklung: Die Einhaltung solcher Standards eröffnet zudem die Erschließung von Kundengruppen, die hierauf Wert legen.
- Liquidität: Auch bei Finanzierungs- und Investitionsentscheidungen spielen Nachhaltigkeitsaspekte eine immer wichtigere Rolle.
- Lieferkettenstabilität: Unternehmen mit längerfristigen Lieferantenbeziehungen kommen besser durch Krisen und können die Effizienz von Produktionsprozessen steigern.
Doch wie gelingt es, die Blackbox „nachhaltige Lieferkette" aufzubrechen? Wir vom Helpdesk Wirtschaft & Menschenrechte bieten eine kostenfreie und vertrauliche Erstberatung. Davon profitiert hat zum Beispiel die Worlée Natur Produkte GmbH, die uns um Unterstützung beim nachhaltigen Lieferkettenmanagement gebeten hat. Hier ging es insbesondere darum, bestehende Prozesse weiter zu entwickeln und unterschiedliche Abteilungen miteinzubeziehen. „Das Team des Helpdesks hat unseren Blick für das Thema geschärft und auch skeptische Stimmen überzeugen können", sagt Kristine David, Teamleiterin Nachhaltige Lieferketten bei der Worlée GmbH. „Ein Workshop mit dem Helpdesk hat uns ermöglicht, eigene Verbesserungsansätze zu entwickeln, Lieferantenbewertungsprozesse zu optimieren und Einkaufsprozesse anzupassen. Wir sind unserem Ziel, unser nachhaltiges Lieferantenmanagementsystem zu perfektionieren, ein gutes Stück nähergekommen."
Für Kloth & Köhnken, ein 20-köpfiges Unternehmen, das Tee aus verschiedenen Anbauländern importiert, war auch das Online-Tool „KMU Kompass" eine große Hilfe: „Wir hatten zunächst Bedenken, wie wir als kleines Unternehmen unserer menschenrechtlichen Verantwortung nachkommen können. Wie können wir eine menschenrechtliche Risikoanalyse durchführen und wie ein Beschwerdeverfahren einrichten?", erklärt Sandra Nikolei, CSR-Verantwortliche bei Kloth & Köhnken. „Im Rahmen einer Schulung, bei der auch die Geschäftsführung teilnahm, wurden Ansätze besprochen, wie wir auch mit geringen personellen Ressourcen aktiv werden können. Dabei war der KMU Kompass mit den vielen Praxishilfen sehr hilfreich. Der Helpdesk begleitet unseren Prozess und gemeinsam mit unseren Mitarbeitern konnten klare Arbeitspakete definiert werden."
Der Helpdesk ist in der Agentur für Wirtschaft und Entwicklung verortet und arbeitet im Auftrag des Bundesentwicklungsministeriums (BMZ). Das Service-Angebot wird weiter wachsen: Im Laufe des Jahres geht der „Siegel-Kompass" an den Start. Mit dem Tool können Unternehmen Nachhaltigkeitsstandards entdecken und vergleichen.
Der Helpdesk Wirtschaft & Menschenrechte
Der Helpdesk Wirtschaft & Menschenrechte ist ein Angebot der Bundesregierung und berät Unternehmen kostenfrei, individuell und vertraulich rund um die Umsetzung von Umwelt- und Sozialstandards sowie zu menschenrechtlichen Sorgfaltsprozessen. Zum Angebot zählen außerdem Schulungen und Veranstaltungen sowie die Beratung zu Förder- und Finanzierungsinstrumenten der deutschen Entwicklungszusammenarbeit für Projekte im Bereich Nachhaltigkeit, beispielsweise wenn es um die Verbesserung von Umwelt- und Sozialstandards bei Lieferanten geht. Unterstützend stehen mit dem CSR Risiko-Check, dem KMU Kompass und dem Praxislotsen Wirtschaft & Menschenrechte Online-Tools zur Verfügung.
Kontakt: Helpdesk Wirtschaft & Menschenrechte | 030 590 099-430 | HelpdeskWiMR@wirtschaft-entwicklung.de | wirtschaft-entwicklung.de/wirtschaft-menschenrechte
Wirtschaft | Lieferkette & Produktion, 17.08.2022
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