It's the culture, stupid
Für die erfolgreiche Anwendung von Künstlicher Intelligenz muss der Mensch im Mittelpunkt stehen
Die Hürden für den erfolgreichen Einsatz von KI liegen oftmals nicht in der Technologie. Damit KI erfolgreich sein kann, ist eine enge Zusammenarbeit zwischen KI und Menschen unerlässlich. Selbst die fortschrittlichsten KI-Lösungen sind wirkungslos, wenn sie nicht von den Anwendern angenommen oder in der Organisation verankert werden.
Wie das gelingen kann, zeigt das neue Whitepaper „Applying AI: Culture, Change, Communication" von appliedAI – Europas größter Initiative für die Anwendung künstlicher Intelligenz.
Bei allen Möglichkeiten, die KI mit sich bringt, ist es der Wandel in der Organisation, der über die Nutzung und letztendlich den Erfolg der Technologie entscheidet. Je länger eine Organisation existiert, desto stärker ausgeprägt ist eine bestehende Art, die Dinge zu tun und neue Richtungen oder Strategien, wie der Einsatz von KI, haben es schwer sich gegen die Erwartungen und Gewohnheiten in der Organisation durchzusetzen. Technische Veränderungen erfordern soziale Veränderungen innerhalb der Organisation. Werden diese Veränderungen nicht begleitend angegangen, bleiben auch die besten KI-Experten und Werkzeuge ohne Wirkung.
3 große Herausforderungen
Auch wenn KI eine neue Technologie ist – die Herausforderungen neue Konzepte und Technologien in bestehenden Organisationen einzuführen sind nicht neu. Allerdings stellt KI besondere Herausforderungen an Organisationen:
- Breiter Einfluss auf Arbeitsplätze: Durch KI werden mehr und mehr Routine-Jobs wegfallen und Berufsbilder sich ändern – und das in allen Leveln und allen Bereichen. Das bedeutet, dass Unternehmen auf kontinuierliches Reskilling der Belegschaft setzen müssen.
- Unsicherheiten: KI-Systeme unterscheiden sich von der deduktiven Logik traditioneller Computersysteme, was bedeutet, dass ihre Ergebnisse weniger vorhersagbar sind. Damit müssen Unternehmen umgehen können und den Systemen eine gewisse Freiheit zugestehen.
- Bessere Entscheidungsfähigkeit als Menschen: KI kennt kein Bauchgefühl, stattdessen kann sie aber mehr Daten verarbeiten, als Menschen jemals analysieren könnten. Das bedeutet, KI kann Entscheidungen treffen, die wirklich auf allen verfügbaren Daten beruhen. Traditionell vertrauen wir Menschen aber immer noch mehr als technischen Systemen – einer Maschine grundlegende Entscheidungen zu überlassen, stellt daher einen epochalen Paradigmenwechsel dar.
Hürden überwinden
Um diese Herausforderungen zu überwinden, sollten KI-Anwendungen immer mit dem Menschen im Zentrum konzipiert werden und begleitende Changemaßnahmen bei der Einführung von Lösungen berücksichtigt werden. Eventuelle Vorbehalte in der Belegschaft müssen ernstgenommen werden unddie KI-Implementierung sollte von einer Reihe organisatorischer Maßnahmen begleitet werden.
Dabei geht es unter anderem darum, Prozesse, die von der neuen Technologie beeinflusst werden, entsprechend anzupassen. Mitarbeiter, die die neuen Anwendungen nutzen werden, müssen selbstverständlich dafür trainiert werden. Auch später im laufenden Betrieb sollte die korrekte Nutzung der Lösung regelmäßig geprüft werden, um sicherzustellen, dass sie auch wirklich verstanden wurde.
Die Bedeutung dieser Aspekte wird durch eine aktuelle Umfrage von MIT Sloan Management Review und BCG* untermauert, in der untersucht wurde, warum Endnutzer KI misstrauen. Erstens wurden unzureichendes Verständnis der KI-Lösung (von 50 Prozent aller Befragten genannt) und unzureichende Schulung (46 Prozent) als Haupthindernisse angeführt. Zweitens bestimmt auch das Systemdesign das Vertrauen in KI. Insbesondere ist es wichtig, das richtige Gleichgewicht zwischen der Bereitstellung von genügend Kontext und der Überforderung des Nutzers mit zu vielen Informationen zu finden. Drittens wirken sich auch die vom Nutzer erwartete Gesamtleistung und das Vertrauen in die zugrunde liegenden Daten auf das Vertrauen in die KI aus.
Daneben muss aber auch die Organisation insgesamt befähigt werden. Führungskräfte und Mitarbeiter brauchen eine Orientierung, wohin das Unternehmen mit KI möchte und was dies für die Organisation bedeutet. Prozesse wie Budgetierung und Incentives müssen sowie der organisatorische Aufbau muss angepasst werden. Trainings helfen Mitarbeitern ein Verständnis von KI zu bekommen.
Dr. Rainer Hoffmann, Senior Manager Data & AI bei EnBW: „Um Vertrauen in KI und speziell bei der EnBW zu schaffen, haben wir uns entschlossen, so transparent wie möglich über die Aktivitäten und die zugrunde liegenden Ideen zu sein. Am häufigsten sind Ängste nämlich bei den Mitarbeitern, die nichts oder sehr wenig über KI wissen. Wir haben bei EnBW eine Roadshow für alle Teams durchgeführt, die daran interessiert waren, etwas über KI und die Aktivitäten von EnBW in diesem Bereich zu erfahren. Zwei Faktoren in diesen Sitzungen haben die Ängste deutlich reduziert: Erstens die Entmystifizierung des Modewortes KI und zweitens die Möglichkeit, Fragen zu stellen und so das Gefühl zu bekommen, dabei zu sein. In einigen Fällen konnten wir sogar echte Begeisterung wecken und die Kollegen brachten selbst erste Ideen für Anwendungsfälle ein.
Die Sensibilisierung unserer Kollegen für das Potenzial von KI kann durch zwei Faktoren gefördert werden: Schulung und Wissensaustausch. Wir bieten eine interne Schulung an, die tief in die Methodik einsteigt, sich aber auf die Konzepte hinter KI konzentriert. Wir sind der Meinung, dass man kein Datenwissenschaftler sein muss, um das Potenzial von KI zu verstehen. Das Lernziel ist, dass unsere Kolleginnen und Kollegen verstehen, wann der Einsatz von KI sinnvoll ist und welche Voraussetzungen (insbesondere im Hinblick auf Daten) gegeben sein müssen. Mit Beispielen aus unserer Arbeit mit EnBW können wir unseren Kollegen ein sehr konkretes Verständnis vermitteln."
Einen tieferen Einblick in das Thema sowie zwei Case Studys aus der Praxis bietet das aktuelle Whitepaper „Applying AI: Culture, Change, Communication" von appliedAI, das hier zum kostenlosen Download bereitsteht.
Autoren: Dr. Philipp Hartmann, Director of AI Strategy bei appliedAI, und Marlin Watling, Gründer von 129.ai.
Mitwirkende: Bernd „Benno" Blumoser, Head of the Siemens AI Lab, und Rainer Hoffmann, Senior Manager Data & AI bei EnBW.
* S. Ransbotham, F. Candelon, D. Kiron, B. LaFountain, and S. Khodabandeh, "The Cultural Benefits of Artificial Intelligence in the Enterprise,” MIT Sloan Management Review and Boston Consulting Group, November 2021.
Technik | Digitalisierung, 26.06.2022
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