Lifestyle | Geld & Investment, 09.07.2008
Die Gier geht um- Plädoyer für ein "Ruhejahr" zur eigenen Besinnung und Giertherapie
von Heinz Feldmann
Plädoyer für ein "Ruhejahr" zur eigenen Besinnung und Giertherapie Herr Zumwinkel hat als Chef der Deutschen Post seinen Hut genommen. Jérôme Kerviel, ein blasser Unterläufer in der Société Générale trieb mit Spekulationen in Milliardenhöhe die französische Paradebank an den Rand des Ruins. Helmut Elsner, Ex-Chef der BAWAG (Bank für Arbeit und Wirtschaft AG) steht seit Monaten vor Gericht. Dabei geht es um Veruntreuung in Höhe von über 2 Milliarden Euro (es gilt die Unschuldsvermutung). Herr Ackermann ist bekanntlich ob seiner Gier vor Gericht mit einem blauen Auge davon gekommen und hat laut einer Schätzung des Wirtschaftsmagazins "Trend" im Februar 2008 ein Jahreseinkommen von zirka 14 Millionen Euro eingestreift. Zumindest zahlt Josef Ackermann, im Unterschied zum Ex-Postfuchs wenigstens Steuern dafür, werden manche jetzt sagen. Andere argumentieren, dass das alles eine Frage der Perspektive sei. Aus österreichischer Sicht scheint Ackermanns Einkommen vielleicht obszön hoch. Verdient Österreichs Vorzeigebanker, Andreas Treichl gerade mal schlappe 3 Millionen Euro im Jahr. Aus amerikanischer Perspektive sind das alles "Peanuts". Die beiden Hedgefondsmanager John Paulson und Paolo Pellegrini verdienten an Performancegebühren für waghalsige Spekulationen je nach Schätzung zwischen 2 und 3 Milliarden US-Dollar!
Manche von uns mehr oder weniger braven Steuerzahlern fragen sich angesichts dieser Entwicklungen: "Was ist mit unseren Bankern los?" Erstens ist das nicht so einfach und zweitens reduziert sich das Problem (leider) nicht auf Manager aus dem Finanzsektor. Nein, es ist leider insgesamt eine extreme Zunahme von "Gier" zu beobachten. Das hat nichts mehr mit Altersvorsorge zu tun. Vielmehr handelt es sich um ein gefährliches Virus, das ähnlich wie der AIDS-Erreger wirkt. Es schaltet das Immunsystem seines Wirtes aus. Das heißt, die Betroffenen verlieren jeden Bezug zur Realität.
Aus eigener Erfahrung, als Betroffener des "Gier-Virus" weiß ich um dessen Gefährlichkeit.
Mit steigendem Einkommen steigt idiotischerweise auch die Überlebensangst. Je mehr Nullen hinter der Zahl auf dem Gehaltszettel, desto öfter fragst Du Dich angsterfüllt: "Was ist, wenn ich meinen Job verliere? Muss ich dann unter der Brücke schlafen?" Das ist zwar nicht logisch, aber psychologisch und somit auch eine Art von Wirklichkeit. Und bald schon redest Du Dir ein, dass Du eh schon dreimal soviel Steuern bezahlt hast, als ein durchschnittlicher Beamter in seinem Leben verdient. Daraus und aus der Ausrede, die Politiker würden nicht richtig mit den Steuereinnahmen umgehen, bastelt der "Gierige" dann seine pathologische Rechtfertigung für mehr oder weniger dreiste Steuerhinterziehung. Im Kollegenkreis brüstet man sich mit diesen Geschichten, wie vor der Viagrakrise mit seinen außerehelichen Affären und betäubt sein Gewissen mit der anerkennenden Zustimmung der Gleichgesinnten.
Ich hatte das Glück, dass mein erster Versuch, eine (für mich) größere Summe über Liechtenstein an der österreichischen Finanz vorbeizuschleusen, letztlich in die Hosen ging.
Ein paar Jahre nachdem ich mit vor Aufregung schweißnassen Händen die knapp hunderttausend Schweizer Franken in einem unscheinbaren, braunen Kuvert in Vaduz entgegengenommen und auf einem Nummernkonto einer Schweizer Bank deponierte hatte, rief mich ein freundlicher Beamter der Steuerfahndung an. Er sagte, er wolle mit mir über hunderttausend Franken aus dem Jahr so und so reden. Mir fiel das Herz in die Hose und ich war sprachlos. Bis zu dem Zeitpunkt hatte ich meine Vorgehensweise für idiotensicher gehalten, was sie offensichtlich nicht war. Heute bin ich froh, dass die Sache aufgeflogen ist. Letztlich war ich einsichtig, zahlte die Steuer samt zugehöriger Strafe (wofür ich peinlicherweise meinen alten Vater anpumpen musste) und fühle mich heute moralisch einigen Herren überlegen, die momentan viele Schlagzeilen machen. Übrigens: ich bin nach wie vor Unternehmer. Meine Geschäftspartner und ich haben uns bei unserer Auslandsexpansion bewusst gegen eine Holdingkonstruktion in einem Steuerparadies entschieden (was völlig legal möglich gewesen wäre).
Wir wollen damit ein Zeichen setzen, für Unternehmertum mit Verantwortung und gegen die blanke Gier.
Was außer meinem "Liechtenstein- Experiment" auch zu meinem Umdenken beigetragen hat, war ein Selbstversuch in Sachen "materieller Entschlackung" und "Reduktion auf das Wesentliche", den ich vor knapp zwei Jahren unternahm. In der Zeit gönnte ich mir mein "Ruhejahr" in der Lebensmitte. Dieses "Sabbatical" nutzte ich für eine Weltreise. Mit einem 20-kg- Rucksack machte ich mich auf, und das Abenteuer hat mich mehr als entschädigt für die Entbehrungen, die man bei so einem Vorhaben auf sich nimmt. Wenn man in der südamerikanischen Hauptstadt der Armut und Tristesse (La Paz) seinen Geburtstag feiert, während völlig ausgehungerte Krüppel mit ihren nackten Geschwüren auf dem Asphalt kriechen, wenn man miterlebt, dass die Kids an der Copa Cabana in Rio de Janeiro so arm sind, dass sie den Touristen am helllichten Tag sogar die Plastiksandalen von den Füßen klauen, wenn man mit dem Zug von Hongkong nach Shanghai 26 Stunden lang quasi durch die Fabrik der Welt fährt, dann sieht man plötzlich wieder klarer und kann die eigene Gier als eine Fehlfunktion der Psyche erkennen.
Über den Autor
Heinz Feldmann, 44, ist Autor und Unternehmer und lebt in Wien. Interessierte Leser und Leserinnen können auf meiner Homepage www.ruhejahr.com alles über meine Weltreise erfahren und auch das erste Kapitel des gleichnamigen Buches gratis herunterladen.
Über Ihr Feedback und weitere Anregungen freue ich mich. Schreiben Sie mir an:
feldmann@ruhejahr.com
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