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Mülltrennung ist für Verbraucherinnen und Verbraucher zu kompliziert geworden

Kommentar von Prof. Dr. Erika Graf, Frankfurt University of Applied Sciences

Der Verpackungsmüll in Deutschland nimmt stetig zu. Dieser Negativtrend wurde durch die Lockdown-Phasen mit Zunahme an Lieferdienst-Essen in der Corona-Pandemie noch verstärkt. Seit knapp einem Jahr ist das neue Verpackungsgesetz 2 in Kraft. Es soll die Abfalltrennung verbessern und schreibt u.a. Herstellern und Handel für einige Verpackungen einen Mindestanteil an Rezyklat, also Kunststoff aus wiederverwertetem Plastikmüll vor. Was aber weiterhin fehlt, sind bundesweit einheitliche Regelungen und eine bessere Aufklärung der Verbraucher/-innen mit einfachen, cleveren Hinweisen. Die Mülltrennung ist zu kompliziert geworden.

Fallstricke bei der Entsorgung
Abfallanalysten bemängeln, dass etwa die Hälfte dessen, was an Verpackungen im gelben Sack oder in der gelben Tonne landet, nicht dort hingehört. © Letiha, pixabay.comAbfallanalysten bemängeln, dass etwa die Hälfte dessen, was an Verpackungen im gelben Sack oder in der gelben Tonne landet, nicht dort hingehört. Das erschwert das Recycling und hat zur Folge, dass verwertbare Kunststoffe am Ende verbrannt werden. Gründe dafür sind uneinheitliche Vorgaben und unzulängliche Hinweise. Besonders bei Kunststoff-Verpackungen gibt es einiges zu beachten: Wohin gehören Flaschenverschlüsse, Frischhaltefolie etc.? Können Zahnbürsten oder Kinderspielzeug aus Plastik, Töpfe, Werkzeug, Besteck, Schrauben auch im gelben Sack entsorgt werden oder nur Verpackungen mit dem ,grünen Punkt‘? Da dies Sache der Kommunen und Entsorgungsbetriebe ist, gibt es regionale Unterschiede. In einzelnen Städten dürfen auch ,stoffgleiche Nichtverpackungen‘ in die gelben Behältnisse eingeworfen werden, somit auch die Plastikzahnbürste. 

Es gibt weitere Fallstricke: Bei Joghurtbechern ist die Alufolie vom Becher vollständig abzureißen, die Alufolie sollte aber nicht wieder eingesteckt werden. Neu sind auch die sogenannten Drei-Komponenten-Becher, bei denen der Becher aus dünnem, weißem Kunststoff zur Stabilität und zur Bedruckung noch mit einer Papierbanderole versehen ist. Diese muss man gesondert im Papiermüll entsorgen.

Vor Mülltrennung steht Müllvermeidung
Mit dem neuen Verpackungsgesetz wurden Regelungen verschärft und harmonisiert. Das schafft einheitliche Wettbewerbsbedingungen, und Investitionen in Forschung und Entwicklung können langfristig geplant werden. Unternehmen müssen sich keine Sorgen machen, dass sie sich durch die höheren Kosten durch die Verwendung von recyceltem Material einen Nachteil einhandeln. Denn die Nutzung recycelter Materialien wie Rezyklat ist bislang teurer. Das liegt einerseits an den niedrigen Kosten für die Müllverbrennung (thermische Verwertung) sowie den günstigen Preisen für die Herstellung von neuen Verpackungen. Mit der Gesetzesnovelle soll die Recyclingquote für Kunststoffverpackungen von bisher 36 Prozent auf 63 Prozent bis zum Jahr 2022 steigen – bei Verpackungen aus Metall, Glas und Papier sogar auf 90 Prozent. 

Schon jetzt sind die Deutschen in der Mülltrennung weit fortgeschritten. Im europäischen Vergleich produziert Deutschland zwar überdurchschnittlich viel Müll pro Kopf, hat aber laut der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) mit 68 Prozent die höchste Recycling- und Kompostierungsquote (2017). Auch weltweit ist die Bundesrepublik führend im Recycling. 

Aber klar ist, vor der Mülltrennung steht die Müllvermeidung, und da sind alle gefragt: Die Industrie und Gastronomie müssen über Alternativen nachdenken, und die Kundschaft muss diese annehmen. Das ist nicht immer einfach. Beispiel Pizzabow, eine Mehrwegverpackung für Pizza: Die Pizza wird ohne Karton in Mehrwegschalen geliefert. Der Lieferservice nimmt die Schale direkt wieder mit. Es bleibt nur die Pizza auf kleinem Papptablett. Der Nachteil: Der Pizzabote oder die -botin braucht mehr Zeit bei der Lieferung und bekommt dafür nicht mehr Geld.

Das neue Verpackungsgesetz fordert ab 2023 Caterer, Lieferdienste und Restaurants auf, neben Einweg- auch Mehrwegbehälter für Essen und Getränke zum Mitnehmen anzubieten. Diese dürfen dann nicht teurer sein als die Einwegpackungen. Mehrwegbehälter sind aber keine Lösungen für den Verzehr unterwegs. Das ist ein Problem auch bei den viel zitierten To-go-Bechern. Wer auf der Durchreise am Bahnhof einen Kaffee mitnehmen möchte, will nicht gleich Mitglied in einem lokalen Pfandsystem werden.

Wohin mit Bioverpackungen?
Prof. Dr. Erika Graf, Expertin für Vertrieb und Nachhaltigkeit der Frankfurt UAS. © Andrea SchmittInnovationen sind also gefragt. Im Angebot finden sich seit kurzem Verpackungen, die biobasiert oder biologisch abbaubar sind. Die Herausforderung ist, dass beim Transport oder im Handel die Verpackung stabil bleiben, aber bei der Kompostierung schnell zerfallen muss. Vieles, was es gibt, zersetzt sich zwar, aber es dauert, und bei einigen Lösungen bleibt Mikroplastik zurück. Gehört es dann in die Biotonne, in den gelben Sack oder in den Restmüll?

Fazit: Vielversprechende Lösungen sind in der Entwicklung. Hier sollten Verbraucherinnen und Verbraucher nicht überfordert werden, sondern mit einfachen Hinweisen, cleveren Denkanstößen und einheitlichen Regelungen unterstützt werden. 

Prof. Dr. Erika Graf ist Professorin für Internationale Betriebswirtschaftslehre an der Frankfurt University of Applied Sciences. Ihre Forschungsschwerpunkte sind Internationales Marketing, Nachhaltigkeits-Marketing und digitales Marketing. (241 Z.)

Kontakt: Frankfurt University of Applied Sciences, Fachbereich 3: Wirtschaft und Recht, Prof. Dr. Erika Graf | +49 69 1533-3886 | egraf@fb3.fra-uas.de

Quelle: Frankfurt University of Applied Sciences

Umwelt | Ressourcen, 05.04.2022

     
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