Aushängeschilder der Kreislaufwirtschaft

Schweizer Firmen auf dem Weg nach oben

Mit dem „New Green Deal" hat sich die EU hohe Ziele gesetzt. Diese können unter anderem nur über eine funktionierende Kreislaufwirtschaft erreicht werden. Zum Auftakt der Serie über Circular Economy stellt forum Schweizer Firmen vor, welche die Kreislaufwirtschaft bereits erfolgreich in ihr Geschäftsmodell integriert haben.

© Next GenerationsIm Februar 2021 nahm das EU-Parlament den Vorschlag der EU-Kommission für den „New Green Deal" mit einer großen Stimmenmehrheit an. Der „New Green Deal" – das sind umfassende politische Empfehlungen mit dem Ziel, bis spätestens 2050 eine CO2-neutrale, nachhaltige, giftfreie und geschlossene Kreislaufwirtschaft zu erreichen. Somit ist ein Faktum geschaffen worden, mit dem es kein Zurück mehr gibt. Auswirkungen auf die Schweiz wären wünschenswert. Denn auch hier tun sowohl die Politik als auch die Unternehmen noch zu wenig, um nach einem echten Kreislaufprinzip zu wirtschaften. Die Schweiz gehört weltweit zu den Top-3-Ländern im Produzieren von Abfällen und ist eindeutig Weltmeister im Abfallverbrennen. Damit werden Ressourcen unwiederbringlich zerstört und können nicht den kommenden Generationen in guter Qualität zur Verfügung gestellt werden. Dies ist der falsche Weg. Doch es gibt auch eine gute Nachricht. Es existieren Vorreiter in der Schweiz, die das Kreislaufprinzip bereits erfolgreich umsetzen.

Das Cradle to Cradle-Design
Eine solche Firma ist zum Beispiel Cradle to Cradle® Design. Diese definiert und entwickelt kreislauffähige Produkte. Im Gegensatz zum konventionellen Recycling bleibt bei diesen Produkten die Qualität der Rohstoffe über mehrere Produktlebenszyklen erhalten und es werden ausschließlich „als sicher bewertete Chemikalien" eingesetzt. Das bedeutet: Kein Abfall, alles ist zugleich Nährstoff. Die richtigen Materialien werden in definierten Kreisläufen (Metabolismen) zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort eingesetzt.

Bei seiner Arbeit setzt das Unternehmen auf den Cradle to Cradle CertifiedTM Bewertungsstandard, ein global anerkannter Nachweis für sichere, nachhaltige und kreislauffähige Produkte. Produktdesigner, Hersteller und Marken rund um den Globus vertrauen darauf. Tausende Produkte sind bereits zertifiziert, von Parfums über Bodenbeläge, T-Shirts und Jeans bis zu Wasserflaschen und Fensterpflegeprodukten. Eine wachsende Anzahl von Marken, Organisationen und Institutionen berücksichtigt den Standard bei ihren Kaufentscheidungen. Darüber hinaus gilt der Zertifizierungs-Standard bereits in der Entwicklung von Produkten als Wegweiser für umweltfreundliche Produkte. Dabei habe man, so das Unternehmen, die Erkenntnis gewonnen, dass die Produkte hierbei gar nicht teurer werden müssen.


 
Ein Kreislauf ohne Kompromisse
Papier und Verpackungen machen einen Großteil unseres Mülls aus. Ein hoher Anteil davon kann in herkömmlichen Prozessen nicht recycelt werden. Ein Schweizer Pionier-Unternehmen hat dies geändert – und damit einiges in Gang gesetzt.

Nicht nur die Anforderungen, auch die Möglichkeiten Unternehmensprozesse umweltbewusster zu gestalten, nehmen rasant zu. Doch die Alternativen sind oft deutlich teurer. Wie lässt sich der Drang zur Nachhaltigkeit und der Beitrag zum Umweltschutz dennoch konsequent in der Praxis umsetzen? Genau diese Frage stellte sich die in vierter Generation geführte Druckerei Vögeli AG im Emmental in der Schweiz bereits vor über 20 Jahren. Begonnen wurde mit dem Offensichtlichen.

How to do Nachhaltigkeit?
Bereits um die Jahrtausendwende wurde mit der ersten Printproduktion ohne Zusatz von Isopropylalkohol (VOC) gestartet. Seit 2006 kühlt die Klimaanlage in der neuen Produktionshalle mit Grundwasser, was zu einer Stromeinsparung von 96 Prozent geführt hat. Gleichzeitig wird mit der daraus entstehenden Abwärme der gesamte Gebäudekomplex komplett fossilfrei geheizt. Seit 2008 druckt Vögeli klimaneutral, seit 2009 wird der gesamte Strombedarf durch Ökostrom gedeckt. Im Jahr 2015 war die Energieeffizienz bereits so hoch, dass sogar die verantwortlichen Energieexperten in der Schweiz nach eingehender Prüfung keine weiterführenden Maßnahmen mehr empfehlen konnten. Damit gaben sich die Gebrüder Markus und Renato Vögeli jedoch nicht zufrieden und begannen, die von ihnen produzierten Produkte konsequent im Sinne der Nachhaltigkeit weiterzudenken.

Drucken mit der Natur als Vorbild
Auch Transgourmet lässt seine Firmenbroschüren, Mailings und Flyer nach dem Cradle-to-Cradle®-Verfahren drucken und leistet damit einen wichtigen Beitrag zur Nachhaltigkeit im Bereich Ressourceneffizienz und Klimaschutz. © Vögeli AGBei herkömmlichen Druckprozessen können rund 30 Prozent der eingesetzten Stoffe nicht recycelt werden und landen auf einer Deponie. Beim Drucken nach dem Cradle-to-Cradle®-Prinzip hingegen werden ausschließlich Substanzen verwendet, die sicher in den biologischen Kreislauf zurückgeführt werden können. Um dies zu erreichen, müssen alle verwendeten Materialien wie Papiere und Karton, Farben, Lacke und Leime für Mensch und Umwelt unbedenklich sein. Aus Überzeugung hat die Vögeli AG deshalb bereits 2016 entschieden, auf Cradle-to-Cradle-Druckprozesse zu setzen.
 
Doch nicht nur das. Einher mit der Umstellung ging ein Umschwung in der gesamten Wertschöpfungskette des Unternehmens. Gemeinsam mit Lieferanten und in Zusammenarbeit mit den Partnerdruckereien aus der „Print The Change"-Kooperative entwickelten sie zahlreiche Materialien, die dem nachhaltigen Druck-Standard entsprechen und heute von Herstellern und auch anderen Druckereien angeboten werden. Fabrikanten von Papier, Leimen oder Farben haben so in den letzten Jahren ihr Sortiment ausgebaut und teilweise sogar komplett auf nachhaltige und kreislauffähige Produkte umgestellt. So kommt es nicht von ungefähr, dass die Vögeli AG zur weltweit ersten, Cradle to Cradle certifiedTM Gold zertifizierten Druckerei avancierte.

Nachhaltigkeit zum Anfassen
Inzwischen ist die Produktion so weit optimiert, dass voll kreislauffähige Druckprodukte und Verpackungen ohne Abstriche bei der Kostenkalkulation umgesetzt werden können. Fernab von positiv klingenden Floskeln und verwirrenden Umweltzertifikaten bekommt der Kunde Nachhaltigkeit zum Anfassen – und darf dies auch stolz in seiner eigenen Kommunikation nach außen tragen. Zahlreiche Erfolgsgeschichten reihen sich bereits in diesen Umbruch ein. Für Calida, einem Schweizer Pionier für nachhaltige Unterwäsche, produziert die Druckerei zum Beispiel eine Gold-zertifizierte 100 Prozent nachhaltige Cradle-to-Cradle-Verpackung. Diese ermöglicht, dass sowohl Endprodukt wie auch Verpackung ohne Rückstände vollständig zurück in den Kreislauf gelangen können.


 
Schönheit ohne Abfall
Kosmetik kommt direkt mit der Haut der Menschen in Kontakt. Die Inhaltsstoffe dürfen also nicht sensibilisierend oder toxisch sein. Auch Herstellung und Verpackung sollten der Mitwelt keinen Schaden zufügen. Karin Lanz hat sich mit ihrem Start-up dieser Herausforderung gestellt.

Karin Lanz ist die Gründerin der Lanz Natur AG und hat sich als Entrepreneurin ganz der Kreislaufwirtschaft verschrieben. Als Futurewoman zeigt sie wie es gelingt, unseren Planeten lebenswert zu erhalten. © Lanz Natur AGAm Anfang, stand die Idee, reine Wirkstoffe aus der Natur modern und attraktiv zur Kosmetik aufzubereiten – ohne diese in der Küche selbst anrühren zu müssen. Das Ergebnis nach langem Entwicklungsprozess war die Kosmetiklinie no excuses LANUR. Das Besondere an den Produkten: Der Inhalt sowie alle Verpackungselemente können wieder vollständig in biologische Kreisläufe zurückkehren. Damit sollen Rohstoffe nicht mehr verschwendet werden, sondern lediglich „geborgt". Das Konzept Abfall gibt es nicht mehr. Dafür wurde das junge Unternehmen als weltweit erste Beauty-Brand mit Cradle to Cradle Certified® Gold für Inhalt und sämtliche Verpackungselemente zertifiziert.

Fair zu Mensch und Natur
Der Ursprung der Rohstoffe ist der Kosmetikherstellerin, die Cremes für jeden Hauttyp anbietet, von entscheidender Bedeutung. Sämtliche Rohstoffe sind deklariert und zertifiziert. Durch die Verwendung ausgesuchter Rohstoffe fördert die Kosmetiklinie kleinbäuerliche Landwirtschaft, Biodiversität, ethische Handelsabkommen und Betriebe, die sich zu den Grundsätzen der anerkannten Naturkosmetik-Labels bekennen. Auch bei den Verpackungen geht das Unternehmen keine Kompromisse ein. Damit die Reinheit der Materialien erhalten bleibt und diese sicher in die Kreisläufe zurückgeführt werden können, nimmt es sämtliche Verpackungselemente direkt oder über ein stetig wachsendes Netzwerk an Partnern zurück. So trägt das Kosmetiklabel Verantwortung für seine Produkte bis über deren Konsum hinaus. Was nicht direkt zu einem neuen Produkt werden kann, wird industriell kompostiert und restlos und sicher der Erde wiedergegeben. Das Unternehmen wirbt damit zurecht mit dem Slogan: no excuses LANUR hinterlässt nichts, als ein gutes Gefühl auf und unter der Haut.


 
Das Next-Generations-Symposium zeigt Vorbilder
Insgesamt 52 Unternehmen haben sich am vierten Symposium von Next-Generations im September 2021 in Nidau eingefunden. Ihre Konzepte und Produkte machen Mut und lassen mitunter staunen.

140 Teilnehmer hatten sich vor Ort in Nidau eingefunden, weitere 150 Teilnehmer waren digital zugeschaltet, um die Schweizer Pioniere der Nachhaltigkeit zu erleben. Es war das vierte Symposium des Vereins Next-Generations, in dem sich Schweizer Unternehmen zusammengetan haben, die sich dem Thema Nachhaltigkeit verpflichtet fühlen. Forum war dabei und kam zu dem Schluss: Nachhaltigkeit ist in der Mitte der Wirtschaft angekommen.

Dass Nachhaltigkeit für manche schon lange auf der Agenda steht, machte der digitale Auftritt von Walter Stahel deutlich. Stahel ist einer der Pioniere der Kreislaufwirtschaft und hat bereits vor vier Jahrzehnten das Product Life Institute in Genf gegründet. Die Natur kennt keine Abfälle, sagt er. Die bisherige lineare Fertigung mit ihren Abfällen müsse in eine Kreislaufwirtschaft umgewandelt werden, welche die Abfälle vermeide. „Wenn wir kreislauffähige Materialwissenschaften haben, dann haben wir auch das Abfallproblem gelöst." Stahel wurde während der Veranstaltung zum Ehrenmitglied von Next-Generations ernannt.

Doch Nachhaltigkeit geht über Ökologie hinaus. Die Initiative Peace on Snow, die im Januar 2020 am Rande des Weltwirtschaftsforums in Davos entstand, will gegenseitigen Respekt, Harmonie und Frieden in das Geschäftsleben bringen. Nachhaltigkeit brauche neue Führungspersönlichkeiten, sagt Royston Flude, einer der Initiatoren. „Kreislaufwirtschaft ist gut. Aber mit der alten Führung geht das nicht."

Der Ausstellerstand von Cercle De Vie auf dem Next-Generations-Symposium. © Next GenerationsAuch einige neue Unternehmer präsentierten sich in Nidau. Ein Hof in Château-d’Oe zum Beispiel hat den Betrieb nicht nur auf biologisch-dynamische Landwirtschaft umgestellt. Er hat auch eine eigene Energieproduktion, einen Bioladen, eine Naturheilpraxis und eine Herberge errichtet. Auf Technik setzt das Projekt da, wo es sinnvoll ist. Den Rest lässt man die Natur machen. Mehr zum Votre Cercle de Vie, dem Kreis des Lebens, erfahren Sie hier.

Ganz am anderen Ende setzt das Zürcher Start-up open2work an. Mit seiner Internetplattform will es zum Airbnb der Büros werden. Die Idee: Unternehmen können freie Bürokapazitäten anbieten; Interessenten können Büros tageweise buchen, an 27 Standorten in der Schweiz und bald darüber hinaus.

Ralph Stucki von Swiss Precision Lighting sagt sowohl der Energieverschwendung als auch der Lichtverschmutzung den Kampf an. Seine Beleuchtungslösung für große Plätze bringt das Licht dorthin, wo es gebraucht wird, und nur so viel Licht, wie jeweils nötig ist.

Michèle Rufer-Büchi gibt den vier Jahrzehnte alten Brillen aus dem Fundus des Augenoptikgeschäfts ihrer Eltern ein zweites Leben. Die gelernte Optikerin frischt die Brillen wieder auf und bringt sie wieder zurück in den Kreislauf – und sammelt weitere alte Brillen.

Die Schreiner von kln.swiss wiederum bauen robuste Möbel aus Schweizer Holz.

Auch der Verein Next-Generations selbst präsentierte mit seinem kreislauffähigen Rucksack ein nachhaltiges Produkt. Mit dem RE-UP_Cyckling-Guide hat er zudem eine Anleitung geschaffen, wie Produkte nicht nur in den Kreislauf zurückgebracht, sondern dabei auch aufgewertet werden können.
 
Rebecca Knoth-Letsch, Projektleiterin Umweltpolitik der Firma economiesuisse, resümierte die Veranstaltung: „Nachhaltigkeit ist ein Megatrend."
 
 
Hinweis: Mehr zur Gründerin Karin Lanz finden Sie unter der forum-Partnerseite: www.futurewoman.de

Von Alrun Vogt

Wirtschaft | Lieferkette & Produktion, 01.12.2021
Dieser Artikel ist in forum Nachhaltig 04/2021 stellt sich grundlegenden Fragen zur Veränderung - Systemwandel - wie wird die große Transformation zur Realität? erschienen.
     
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