Der präpubertäre Wettlauf der Milliardäre
Christoph Quarch: Wer inmitten einer Klimakrise aus rein egoistischen Interessen Raketen ins All schießt, ist ein schlechtes Vorbild für die Welt.
Der Wettlauf ins All ist neu entbrannt. Nun aber nicht mehr wie in den 1950er und 1960er Jahren zwischen den Supermächten des Kalten Krieges, sondern zwischen den Superreichen der globalen Wirtschaft. Tesla-Chef Elon Musk katapultiert mit seinen SpaceX-Raketen schon seit Jahren Raumschiffe und Satelliten in den Orbit. Jetzt aber überholen ihn seine Konkurrenten: Jeff Bezos, frisch gebackene Ruheständler und Amazon-Gründer kündigte im Juni an, am 20. Juli höchstpersönlich mit einer Rakete seiner Space-Firma Blue Originins All fliegen zu wollen, wenig später zog sein Rivale, der Virgin-Gründer Richard Branson nach und erklärte, er werde sich schon am kommenden Sonntag, 11. Juli, in ein Raumschiffs von Virgin Galactic quetschen. Als Normalsterblicher reibt man sich verdutzt die Augen und fragt sich, ob diese Leute nichts anderes mit ihrem Geld anzufangen wissen.
Fragen wir den Philosophen: Herr Quarch, wie erklären Sie sich diesen Wettlauf der Milliardäre?
Wenn man sich die
Begründungen der Protagonisten anschaut, könnte man auf die Ideen kommen,
dass wir es mit Romantikern zu tun haben. Branson twittert, er sei immer
schon ein Träumer gewesen und seine Mutter habe ihm beigebracht, „nie
aufzugeben und nach den Sternen zu greifen". Man meint, den Kleinen Prinzen
zu hören. Besos haut in die gleiche Kerbe. Schon im Alter von fünf Jahren
habe er davon geträumt, ins All zu fliegen. Und dann legt er noch eins
drauf und sagt: "Die Erde aus dem Weltraum zu sehen, das verändert
Deine Beziehung zu diesem Planeten und zur Menschheit". Okay,
ich habe als Kind auch davon geträumt, die Erde als blaues Juwel im
schwarzen Weltall zu sehen und mir mit Begeisterung das Buch „Der
Heimatplanet" angeschaut, in dem Kosmonauten und Astronauten genau davon
erzählen: Wie der Blick aus dem All ihre Beziehung zur Erde und zur
Menschheit geändert hat.
Die Bilder kennen wir alle, aber muss man sich dafür
tatsächlich selbst ins All schießen lassen? Man muss sich doch nicht jeden
Kindheitstraum erfüllen.
Dem kann ich nicht
widersprechen. Ich würde sogar noch weiter gehen und sagen: Sich diesen
Kindheitstraum zu erfüllen, ist unverantwortlich. Ich meine, wo leben wir
denn? Dass der Heimatplanet durch menschliches Zutun gefährdet und
dringend auf konsequenten Klimaschutz angewiesen ist, weiß die Menschheit,
auch ohne dass Herr Bezos die Fantasien eines Fünfjährigen austobt. Und
die Menschheit weiß auch, dass es alles andere als umwelt- oder klimafreundlich
ist, just for fun Raumfahrt zu betreiben. Eine Rakete zu zünden ist
ja etwas anderes, als sich eine Zigarette anzustecken. Ganz abgesehen
davon, dass Elon Musk mit seinen geplanten 42.000 Satelliten völlig
überflüssiger Weise die Erde mit Strahlenmüll bombardieren und den
Nachhimmel mit unnötiger Lichtemission verschandeln will – und schon
fleißig dabei ist, genau das zu tun.
Aber Musk erweist damit der Menschheit wenigstens ein Dienst
und stellt uns mit seinem SpaceX-Programm ein Internet überall und für alle in
Aussicht. Bezos und Branson hingegen sind reine Touristen bzw.
Tourismusunternehmer.
Das ist richtig, aber am
Ende geht es diesen Narzissten doch allen nur um sich: Die einen wollen
für teures Geld Touristen ins All befördern, der andere mit seinen
Satelliten den gesamten globalen Datenverkehr kontrollieren. So gesehen
sind mir Branson und Bezos sogar noch lieber als der von
Weltherrschaftsphantasien geplagte Musk. Worin sich aber alle drei
gleichen, ist ihr präpubertäres Gegockel: „Hey, ich bin schneller als du.
Hey, meine Rakete kann länger…" Was mir daran unbegreiflich ist: Die
Net-Community echauffiert sich bei jeder Gelegenheit über alte weiße
Männer oder Boomer. Aber diese drei Superboomer lässt sie einfach so
gewähren und findet sie selbst dann noch cool, wenn sie sich als komplette
Klima-Sünder entlarven.
Naja, vielleicht gibt es ja viele, die ebenso wie Branson
und Bezos vom Weltraum träumen und sich deshalb freuen, wenn die Herren
stellvertretend für sie in der Orbit fliegen.
Mag sein, aber ich
glaube, da steckt noch mehr dahinter: nämlich unsere kollektive
Bereitschaft, uns vom Geld blenden zu lassen. Aus irgendwelchen Gründen
glauben wir, Männer, die es zu großem Reichtum gebracht haben, hätten uns
etwas Wichtiges zu sagen. Immerhin sind sie ja erfolgreiche Unternehmer.
Als ob das irgendetwas über die persönliche oder moralische Autorität
dieser Leute sagen würde. Elon Musk führt die Weltöffentlichkeit schon
lange an der Nase herum, indem er sich als Öko-Papst ausgibt, nur weil er
die Elektromobilität vorangebracht hat. Bezos und Branson haben einfach
Glück gehabt. Es gibt überhaupt keinen Grund, solche Leute
vorbildlich zu finden. Im Gegenteil: Wer inmitten einer Klimakrise aus
rein egoistischen Interessen Raketen ins All schießt, ist ein schlechtes
Vorbild für die Welt. Am besten wäre es, wenn sie da oben bleiben.

Umwelt | Klima, 07.07.2021

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