Pflanzenherkunft beeinflusst Bestäuber

Forscher untersuchen die Bedeutung von Interaktionen zwischen Pflanzen und Insekten bei der Wiederherstellung von Ökosystemen

Das Insektensterben und der Rückgang der biologischen Vielfalt sind zwei der größten Herausforderungen unserer Gesellschaft. Durch die Zerstörung vieler natürlicher Lebensräume finden Bienen, Hummeln, Schmetterlinge und Käfer immer weniger Nahrung. Dadurch können sie ihrer Funktion als Bestäuber von Wild- und Kulturpflanzen kaum noch nachkommen. Besonders in landwirtschaftlich geprägten Regionen ist dieser Trend verstärkt zu beobachten. 
 
Eine Erdhummel ist mit Pollen von der Acker-Witwenblume bedeckt. © WWU - Peter LeßmannWissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Westfälischen Wilhelms-Universität (WWU) Münster haben jetzt genauer untersucht, wie sich die Saatgutauswahl bei Renaturierungsmaßnahmen, also die Wiederherstellung von naturnahen Lebensräumen aus kultivierten und genutzten Bodenoberflächen, auf die Förderung der Insektenvielfalt auswirkt. Dabei spielt nicht nur die Pflanzenart, sondern auch die geografische Herkunft der Samen eine wichtige Rolle: Sie hat Einfluss auf die Insektenvielfalt und darauf, wie oft die Bestäuber die Blüten besuchen. Die Studienergebnisse sind in der Fachzeitschrift "Journal of Applied Ecology" erschienen.
 
Hintergrund und methodisches Vorgehen
Insekten sind für das Funktionieren von Ökosystemen und für das Überleben der Menschen unverzichtbar. Zum Beispiel sind sie für die Bestäubung vieler Kulturpflanzen notwendig, die wiederum den Menschen als Nahrungsquelle dienen. In Regionen, die landwirtschaftlich geprägt oder durch Siedlungen und Städte verbaut sind, reduzieren sich jedoch die Ressourcen für die Bestäuber. Um sie bei der Bestäubung zu unterstützen, werden blütenreiche Lebensräume in der Landschaft angelegt, oft in Form von Wildblumenstreifen.
 
Bei dem Anlegen von Blühstreifen und anderen Lebensräumen sollte berücksichtigt werden, dass Pflanzenarten keine gleichförmigen Einheiten sind, da sich ihre Populationen genetisch unterscheiden. Diese Differenzierung entsteht häufig durch die Anpassung an ihre lokale Umgebung. Zum Beispiel wird eine Wiesen-Flockenblume, die in der Nähe des Meeres wächst, wo Frost selten ist, weniger frostbeständig sein als eine Wiesen-Flockenblume, die in den Bergen wächst. Die Unterschiede sind in vielen Pflanzenmerkmalen sichtbar und können die Bestäuber beeinflussen. Zu den Merkmalen gehören unter anderem die Anzahl der Blüten oder der Zeitpunkt der Blüte. "Je nach Herkunft blühen einige Populationen früher als andere. Bei der Einrichtung von Habitaten für Bestäuber werden diese innerartlichen Unterschiede bislang wenig berücksichtigt und die Pflanzen werden meist unabhängig von ihrer Herkunft ausgewählt. Wir haben daher getestet, ob die Herkunft der Pflanzen die Bestäuber beeinflusst", erklärt Dr. Anna Lampei Bucharová vom Institut für Landschaftsökologie der WWU und Leiterin der Studie.
 
Die geografische Herkunft des Saatguts spielt in diesem Zusammenhang eine wesentliche Rolle. In einem Feldexperiment bildeten die Wissenschaftler kleine experimentelle Pflanzengemeinschaften, die genau die gleiche Artenzusammensetzung hatten, sich aber in der Herkunft unterschieden: Die Populationen stammten aus dem Raum Münster, aus der Umgebung von München und aus dem Großraum von Frankfurt an der Oder. Anschließend erfassten sie die Anzahl und Zeitfolge der Pflanzenblüten, beobachteten die Bestäuber, die diese Gemeinschaften besuchten, und verglichen die Häufigkeit und Vielfalt der Bestäuber in den Gemeinschaften unterschiedlicher Herkunft.
 
Die Forscher fanden heraus, dass die Herkunft der Pflanze die Bestäuber beeinflusst - sowohl wie oft die Bestäuber die Blüten besuchen als auch die Vielfalt der Insektenarten. "Der Effekt kann beträchtlich sein - auf den Blüten einer Herkunft beobachteten wir doppelt so viele Besuche von Bestäubern wie auf Blüten einer anderen Herkunft. Besonders wichtig dabei ist die Phänologie der Pflanzenblüte - also die zeitliche Abfolge der Blüte", erklärt Insektenforscher Dr. David Ott, Co-Autor der Studie. Pflanzen einiger Herkunftsgebiete begannen früher und intensiver zu blühen als andere und boten daher mehr Blüten und dadurch mehr Interaktionen zwischen Insekten und der jeweiligen Blüte, schlussfolgern die Forscher.
 
Die Ergebnisse sind sowohl für die Wissenschaft als auch für die Renaturierungspraxis von Bedeutung. Deutschland biete gute Voraussetzungen, um eine herkunftsbasierte Renaturierungsstrategie umzusetzen, sind sich die Wissenschaftler sicher. Denn regionale Ökotypen vieler Arten sind im System des sogenannten "Regiosaatguts" leicht verfügbar. Dieses System stellt für viele Arten regionales Saatgut für bis zu 22 Regionen in Deutschland zur Verfügung. Durch die Auswahl der entsprechenden Pflanzenherkünfte könnten so die Ressourcen für die Bestäuber nachhaltig verbessert werden.
 
Finanzierung
Die Forschung erhielt finanzielle Unterstützung durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG).
 
Links:
Kontakt: Universität Münster | kathrin.kottke@uni-muenster.dewww.uni-muenster.de

Umwelt | Biodiversität, 22.04.2021
     
Cover des aktuellen Hefts

Krieg & Klimakatastrophe

forum Nachhaltig Wirtschaften 01/2023 mit dem Schwerpunkt: Zukunft gestalten

  • Im Garten des Geistes
  • Zirkularität in der Praxis
  • nachhaltig ist nicht genug
  • Zivilgesellschaft und Politik
Weiterlesen...
Kaufen...
Abonnieren...
02
JUN
2023
European Bamboo Expo
Bambus, das Material der Zukunft
44147 Dortmund, 2. - 3. Juni
03
JUN
2023
Veranstaltungsreihe "Klima: Was kann ich tun?"
Fahrradexkursion "Raus-aus-fossilen Energien"
80539 München
05
JUN
2023
Vortragsreihe "Klima: Was kann ich tun?"
Wie kann ich mich (zivilgesellschaftlich) engagieren?
81379 München und online
Alle Veranstaltungen...

Gemeinsam ist es Klimaschutz

natureOffice nimmt Sie mit auf die Reise durch den Klimakosmos - gleich YouTube-Kanal abonnieren und Baum pflanzen!

Politik

Time-out für gewählte Mandatsträger?
Christoph Quarch empfiehlt Boris Palmer die Beschäftigung mit der politischen Philosophie der alten Griechen.
B.A.U.M. Insights

Jetzt auf forum:

Boom von Balkon-PV-Anlagen

Jede Menge Chancen

Taugen nationale Symbole wirklich als Kitt gesellschaftlicher Verwerfungen?

Globaler Greentech-Vorreiter Hopewind startet in Deutschland

Perspektivenvielfalt ist für Porsche ein wichtiger Innovationstreiber

Peach Property Group AG: Nachhaltigkeitsbericht für 2022 veröffentlicht

Lindhorst Gruppe testet regenerative Bewirtschaftungsformen, um CO2 in der Atmosphäre zu reduzieren

B for Good Leaders Summit concluded with the establishment of a cooperative and Xchange

  • Telefónica Germany GmbH & Co. OHG
  • Futouris - Tourismus. Gemeinsam. Zukunftsfähig
  • Dr. Ing. h.c. F. Porsche AG
  • Energieagentur Rheinland-Pfalz GmbH
  • toom Baumarkt GmbH
  • B.A.U.M. e.V. - Netzwerk für nachhaltiges Wirtschaften
  • Global Nature Fund (GNF)
  • World Future Council. Stimme zukünftiger Generationen
  • Engagement Global gGmbH