Eine neue Vision des Tourismus

tourythm – Taktgeber einer neuen, zukunftssicheren Welt

Weitere Einblicke zum neuen Tourismus finden Sie in forum Nachhaltig Wirtschaften 1/2021. Am besten gleich bestellen.

2020 war ein Jahr, was uns deutlich vor Augen geführt hat, dass sich etwas verabschiedet. Viele uns bekannte und gewohnte Arten zu arbeiten, zu reisen, zu leben… alles was für uns vorher normal war, steht plötzlich in Frage. Aber was ist das Neue, wo geht die Reise hin? Persönlich arbeite ich seit 20 Jahren im Tourismus und habe mir diese Frage besonders für diesen gestellt. Denn kaum eine Branche ist so hart getroffen durch diese Krise wie der Tourismus, und das, nachdem er zehn Jahre zuvor eine extreme Wachstumsphase erlebt hat. Beides ist nicht gesund und hat zu extremen Herausforderungen geführt. Was wäre, wenn wir daher diese Krise dazu nutzen, den Tourismus neu zu denken?


Die neue Version des Tourismus von Andreas Koch kann eine branchenübergreifende Vorreiterrolle für den Wandel einnehmen. © Andreas KochCOVID-19 stellt uns allen eine Frage: nämlich die Frage, wie wir alle gemeinsam eine gesündere und krisensichere Welt gestalten können. Mit meiner 20-jährigen Erfahrung im nachhaltigen Tourismus bei einem Konzern (TUI), einem mitgegründeten Verein (Futouris e.V.) und unserer Firma (bluecontec GmbH) habe ich immer gespürt, dass gerade der Tourismus das Potenzial hat, ein wichtiger Impulsgeber einer neuen, zukunfts- und krisensicheren Welt zu sein. Deshalb bin ich davon überzeugt, dass der Tourismus gerade jetzt nach dem Restart zu einem Taktgeber dieser neuen Welt werden kann. Abgrenzend zum konventionellen Tourismus, haben wir diesen Ansatz deshalb tourythm getauft. Was ist neu an tourythm? Anbei fünf Thesen:

tourythm definiert Qualität neu
Bisher wird Qualität im Tourismus vor allem durch die Zufriedenheit der Gäste definiert, die anhand der Marktforschung und Reklamationsquoten erhoben und mittels der zahlreichen Bewertungsportale kommuniziert wird. Natürlich geht es auch zukünftig darum, aber wie kann dies erreicht werden, wenn die Zufriedenheit von Mitarbeitern oder Bereisten beeinträchtigt wird? tourythm definiert die Qualität eines touristischen Angebotes als die Summe der positiven Beziehungen, die es fördert. Zum Beispiel die Beziehung zwischen Reisenden und Bereisten, zwischen Reisenden und Tourismusangestellten, die Beziehung zwischen Tourismusakteuren und ihren Zulieferern bis hin zu der Beziehung zwischen dem Tourismus als Ganzem und unserer Erde. Und wenn wir als Reisende gute Beziehungen zu den Angestellten und der Bevölkerung erleben, ist dies ja genau das, was wir suchen.

tourythm entwickelt authentische Erlebnisse, die die Welt verbessern
Produkte im Tourismus sind vor allem authentische Erfahrungen, die ein Grundbedürfnis vieler Reisenden sind. Dies ist eine wunderbare Grundlage für die Entwicklung neuer authentischer Erlebnisse, die tourythm um zwei Kriterien erweitert: Die Erlebnisse sind nicht nur für die Reisenden, sondern auch die Bereisten und unseren Planeten bereichernd. Dafür gibt es viele Beispiele: authentische Erlebnisse mit lokalen Produkten (Weinverkostungen oder Kochevents), entspannte Arten sich fortzubewegen (Segeln, Wandern, Radfahren, Stand Up Paddling…), Slow-Travel-Reiseaktivitäten in Naturschutzgebieten und Meeresschutzparks, Stadtführungen mit lokalen Guides, Wellnessanwendungen mit natürlichen Produkten etc. Im Sinne dieser Produkt- und Serviceentwicklung werden die globalen und nationalen Herausforderungen selbst als Rahmen gesehen, zu der der Tourismus einen Beitrag leisten kann. Nationale und regionale Herausforderungen werden so zur Gemeinschaftsaufgabe aller Tourismusakteure, die ihre Produkte als einzigartige Visitenkarte ihrer Region entwickeln und sie somit zeitgleich schützen und erlebbar machen.

tourythm nutzt regenerative Technologien
Schon heute gibt es Vorreiter, die zeigen, dass es möglich ist, zum Beispiel Hotels so zu betreiben, dass mehr Energie produziert als verbraucht wird, dass Wasserkreisläufe zirkulär gedacht und Abfälle nahezu komplett vermieden werden können. Die Herausforderung ist lediglich, das vorhandene Know-how weltweit zu teilen und die Umstellung zu finanzieren. Die weltweit über 10.000 Ökodörfer machen es vor, wie es gehen kann: Jedes Dorf ist Pionier in einer oder mehrerer zukunftsweisenden Technologien oder Vorgehensweisen. Was wäre, wenn sich alle Hotels und Tourismusakteure der Welt verbinden, um sich über die besten schon vorhandenen Zukunftstechnologien auszutauschen, gemeinsam diese weiterzuentwickeln und umzusetzen. Hotels würden zu Vorreitern und Laboren dieser Zukunftstechnologien werden und gleichzeitig erlebbare Impulse in ihren Regionen und für die Reisenden setzen. In jeder Region gäbe es so erlebbare Beispiele, wie wir auch zu Hause, in Städten und Regionen zukünftig ressourcenschonender und gesünder leben können.

tourythm kann mithelfen, das Klima zu schützen
Das mag seltsam klingen, da der Tourismus oft am Pranger steht, vor allem nach der Fridays-for-Future-Bewegung, wo das Wort Flugscham aufkam. Das hat seine Berechtigung, weil Flugzeuge, Kreuzfahrtschiffe, Busse oder die Anreise mit dem Auto generell Energie verbrauchen und klimaschädliche Emissionen erzeugen. Vernachlässigt wird jedoch der indirekte Hebel, das Klima durch den Tourismus zu schützen. Und der größte indirekte Hebel ist die Zusammenarbeit mit lokalen Lieferanten, und hier vor allem mit Farmern und Produzenten, die eine Land- und Viehwirtschaft betreiben, die die Böden schützen, anstatt sie auszulaugen. Wenn alle Hotels dies täten, wäre dies eine der größten Klimaschutzinitiativen weltweit, denn je nach Studie hat unser Food-System einen Anteil von 20 bis 30 Prozent an den globalen Treibhausgasemissionen. Und dazu kommt, dass Landwirtschaftsböden, die entsprechend ohne Pestizide und Dünger sowie regenerativ behandelt werden, Kohlenstoff binden können und damit dem Klimawandel sogar entgegenwirken und ihn nicht nur verlangsamen. Aus Sicht der Reisenden hat dies den Vorteil, dass so authentische und gesündere, lokale Produkte serviert werden.

tourythm sieht Mitarbeiter als Botschafter und nicht als Ressource
Oftmals machen gerade der persönliche Umgang und die Interaktion mit dem Hotelpersonal, dem Reiseführer oder dem lokalen Vermieter einen gelungenen Urlaub aus. Daher liegt der Hauptfokus von tourythm darin, Mitarbeiter und Tourismusangestellte als Botschafter für diese neue Form des Tourismus und vor allem für ihre Region auszubilden. Das kann am besten geschehen, wenn man unter anderem über die guten Beziehungen zu lokalen Lieferanten gemeinsam interaktive Trainingsformate entwickelt, die alle Mitarbeiter einladen, sich für ihre Region und unseren Planeten einzusetzen. Denn Restaurantmitarbeiter beispielsweise, die ihren Gästen einen lokalen Wein oder lokale Spezialitäten empfehlen, da sie die Menschen hinter den Produkten persönlich kennen, steigern gleichzeitig das Erlebnis für die Gäste.

Ganzheitlicher Tourismus beginnt bei der Energieversorgung. © Andreas KochUnd damit schließt sich der Kreis zu der anfänglichen Frage, denn diese Form des Tourismus trägt zur Gesundwerdung bei, indem alle Beteiligten eine Welt mitgestalten, die zukunftssicherer und krisenresistenter ist und gleichzeitig das authentische Erlebnis steigert. Zudem bieten sich zahlreiche Gestaltungsspielräume, die sinnerfüllt sind und im Idealfall zu höherer Zufriedenheit aller Beteiligten führen. Bleibt eine letzte Frage, die oft gestellt wird: Ist dies finanzierbar? Die Antwort auf diese Frage ist nach 20 Jahren Erfahrung im Tourismus sehr einfach: Ja, weil diese Prinzipien Komponenten eines erfolgreichen Geschäftsmodells sind und keine Konzepte oder Utopien. Hier einige Beispiele dafür: Nach 300 Energieberatungen von Hotels wissen wir, dass Hotels zukünftig mehr Energie produzieren als verbrauchen können und bereits im ersten Jahr nach einer Energieberatung durchschnittlich 15 Prozent der Kosten einsparen, ohne weniger Qualität zu bieten. Wenn Mitarbeiter zu Botschaftern für die Region und den Betrieb werden, ist das erfolgreiches Employer Branding und erleichtert die Ansprache passender Fachkräfte. Authentische, lokale und gemeinsam mit Lieferanten entwickelte Erlebnisse führen zu höherer Gästezufriedenheit. Zufriedenere Mitarbeiter und Lieferanten führen zu zufriedeneren Gästen, die wiederkommen und so zusätzliches Marketing ersparen. Alle genannten Aktivitäten kreieren Geschichten, die sich in der Social Media Welt leichter verbreiten und so das Kommunikationsbudget entlasten. 

Darüber hinaus gibt es weitere Finanzierungsmöglichkeiten, vor allem um den Wandel und die ersten Schritte zu finanzieren, der Rest folgt ohnehin einer eigenen Dynamik. Viele Fördergelder zum Beispiel des neuen European Green Deals werden in regionale Förderprojekte fließen, die schon heute stark an diese Prinzipien, z.B. der „From Farm to Fork"-Vision, gekoppelt sind. Hier bedarf es lediglich der Steuerung und Nutzung dieser Fördergelder durch Tourismusakteure. Auch könnte es einen Klimafond geben, in den entsprechend weltweit vereinbarte Kompensationsgelder für die durch die Anreise verursachten Emissionen fließen, die zweckgebunden an entsprechende Maßnahmen der Tourismusakteure zurückfließen.

Den größten Hebel haben wir allerdings als Reisende selbst in der Hand. Nämlich genau diese Akteure zu fördern und für den wohlverdienten Urlaub zu buchen, die in diesem Sinne handeln, und so selbst einen gesünderen und zufriedeneren Urlaub zu genießen und die Welt zukunftssicherer zu machen. Ich selbst habe 2020 Urlaub mit meiner Partnerin in einer Region gemacht, die nach eigenen Aussagen die Zeit verschlafen hat und gerade deshalb nun zu den Vorreitern gehört. Denn heute ist die Region Weissensee Mitglied der Alpine Pearls und wurde mit dem „Europäischen Preis für Tourismus und Umwelt" ausgezeichnet. Das war überall spürbar und hat unser Erlebnis noch gesteigert: kostenlose Naturpark-Shuttle-Busse, sauberstes, ungetrübtes Seewasser oder regionales, biologisches Slow-Food-Essen. Hannes Müller, Eigentümer des Vier-Generationen- und Green-Pearls-Hotels „Die Forelle" hat mit zwei Worten beschrieben, was uns in die Zukunft führt: „Ehrlichkeit und Reduktion".

Wie nach jeder Krise, wird es diejenigen geben, die etwas daraus lernen, und die, die so schnell wie möglich zurück zum Alten wollen. Ich glaube, dass es weitere Krisen geben wird, wenn wir nicht aus dieser lernen. Der Tourismus, dafür engagieren wir uns mit tourythm und bieten konkrete Kurse, Trainings und Netzwerke, kann dafür Inspirations- und Impulsgeber weltweit sein. Denn letztendlich ist eine bewusst entwickelte, touristische Region mit allen Angeboten nichts anderes als ein Mikrokosmos unserer Gesellschaft von morgen. 
 
Andreas Koch war Umweltbeauftragter der TUI und ist Mitbegründer der touristischen Nachhaltigkeitsinitiative Futouris e.V. Mit blueContec inspiriert und berät er gemeinsam mit seinen Partnern Hotels, Tourismusunternehmen und touristische Regionen dabei, sich zukunftsfähig und nachhaltig zu entwickeln. Sein größter Traum ist, dass der Tourismus weltweit aktiver Gestalter einer lebenswerten Zukunft ist. 2021 startet daher die neue Intitiative „tourythm" als Einladung an alle Tourismusakteure, den Restart nach der Krise bewusst zu gestalten. 

Lifestyle | Sport & Freizeit, Reisen, 04.02.2021

     
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