CO2-Einsparungen durch den Zusammenbruch der Kreuzfahrtindustrie
Coronapandemie entwickelt sich zum Klimaretter
Die Coronakrise hat die Welt fest im Griff und stellt dabei enorme Herausforderungen an Gesundheitssysteme und Wirtschaft dar. Das Virus, von dem Ende Dezember 2019 erstmals in China berichtet wurde, stellt mittlerweile den Alltag von Millionen Menschen auf den Kopf und bedroht ganze Wirtschaftszweige. Neben all den beängstigenden Szenarien gibt es jedoch auch positive Auswirkungen der Coronavirus-Pandemie, insbesondere auf die Umwelt und das Klima.
Zu den größten Leidtragenden der COVID-19-Krise gehört zweifellos die Tourismusbranche. Harte Zeiten kommen auf Reiseveranstalter, das Gastgewerbe, Fluggesellschaften und die Kreuzfahrtindustrie zu. Letztere rückte in den Wochen häufig in den Fokus der Berichterstattung. Ein Beispiel hierfür ist das japanische Kreuzfahrtschiff Diamond Princess, dessen Passagiere zwei Wochen auf dem Schiff ausharren mussten und auf dem sich schließlich über 700 Menschen mit dem neuartigen Virus infizierten. Auf Kreuzfahrtschiffen gilt generell ein erhöhtes Infektionsrisiko, da sich dort sehr viele Menschen auf engem Raum bewegen. Nach den Schreckensmeldungen in den Medien rund um die Diamond Princess, nach Anlegeverboten an diversen Häfen und nicht zuletzt wegen weltweiten Reisewarnungen kam es in den letzten Wochen zu einem regelrechten Einbruch der Kreuzfahrtbuchungen. Es wird mit einem Rückgang der Buchungen im ersten Quartal von etwa 40 % im Vergleich zum Vorjahr gerechnet.
Erste Kreuzfahrtanbieter mussten bereits Insolvenz anmelden und weitere werden in den kommenden Monaten wohl folgen – eine Katastrophe für Unternehmer und Angestellte der Branche. Nutznießer dieser besorgniserregenden Situation ist hingegen das Klima, denn durch den Zusammenbruch der Kreuzfahrtindustrie sind enorme CO2-Einsparungen zu erwarten.
In den letzten Jahren boomte der Sektor der Kreuzfahrten und kaum eine Industrie in Deutschland hatte einen ähnlich hohen Anstieg der Treibhausgasemissionen zu verzeichnen. So lagen die Emissionen 2018 bei insgesamt 748.713 Tonnen CO2, was rund 62.000 Tonnen pro Monat entspricht. Die Klimaunverträglichkeit des Kreuzfahrtgeschäfts wurde in den letzten Monaten von Protestbewegungen wie Fridays for Future angeprangert. Während jene Proteste bisher kaum Auswirkungen auf die Kreuzfahrtbranche erzielen konnten, scheint sich nun die Coronapandemie zum Klimaretter zu mausern. Gehen wir von einem Rückgang von 40 % gegenüber den Emissionen von 2019 aus, so wurden in den vergangenen vier Wochen ca. 24.800 Tonnen CO2 eingespart. Weiterhin ist mit einem kompletten Erliegen der Kreuzfahrtindustrie während der kommenden sechs Wochen zu rechnen (-93.000 Tonnen CO2). Daraus ergibt sich eine voraussichtliche weltweite Einsparung von 117.000 Tonnen CO2 für die ersten vier Monate dieses Jahres.
Der Rückgang der Kreuzfahrtindustrie durch das Coronavirus wirkt sich wiederum auf andere Zweige der Tourismusbranche aus. So konnte beispielsweise der weltgrößte Yachtvermittler Zizoo im Januar und Februar 2020 eine deutliche Zunahme an Buchungen verzeichnen. Dieser Anstieg scheint direkt mit der Ausbreitung des Virus und der darauffolgenden Stornierung von Kreuzfahrten zu korrelieren. Anna Banicevic, Gründerin und CEO von Zizoo Boats erklärt: „Die Daten unserer internen Marktanalyse lassen die Schlussfolgerung zu, dass die Nachfrage nach Segelbooten und kleinen Charteryachten mit Skipper fast im selben Maßstab steigt wie die Nachfrage nach klassischen Kreuzfahrten sinkt. Unsere Buchungsanfragen stiegen im Januar und Februar stark im Vergleich zum Vorjahr.” Im Angesicht der Coronakrise scheinen sich die Menschen also umzuorientieren, von den großen Kreuzfahrtriesen zu kleineren, selbst gecharterten Booten. Ebenso konnte das Unternehmen feststellen, dass Urlauber lieber in unseren Breiten bleiben. „Was wir faktisch bemerken ist eine Verschiebung der Reiseziele. Insbesondere deutsche Kunden buchen vermehrt im eigenen Korridor, der Ostsee- und Nordseeregion.” All dies hat den positiven Nebeneffekt, dass solche Reisen eine weitaus bessere CO2-Bilanz aufweisen. Die derzeitige Krise kann also auch Chancen bergen und es ist zu hoffen, dass die vorteilhaften Auswirkungen auf das Klima nicht nur von kurzer Dauer sind, sondern dass die heutige Situation zu einem langfristigen Umdenken in Sachen Klimabewusstsein führt.
Technik | Mobilität & Transport, 24.03.2020
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