Sinnvoll Wirtschaften

Die Initiative „EnjoyWork. Lebens- & Arbeitswelten mit Zukunft" zeigt neue Wege vor allem für den Mittelstand auf

Wie gelingt es einfacher, dass sich Führungskräfte und Mitarbeiter auf Arbeitswelten umstellen, die zukunftsfähig sind? Wie muss eine neue BWL für agile Unternehmen aussehen? Die Initiative „EnjoyWork. Lebens- & Arbeitswelten mit Zukunft" zeigt mit „Sinnvoll Wirtschaften" neue Wege vor allem für den Mittelstand auf.
 
Die Sehnsucht nach sinnvollem Wirtschaften und ein befriedigendes Arbeitsleben ist so hoch wie nie. Die einen nennen es "Neue Arbeit” (oder auch Denglisch "New Work”), andere „Nachhaltigkeit" oder agiles Unternehmen. Dahinter steht der Wunsch nach Wohlstand, persönlicher Lebensqualität, Gemeinwohl und erfolgreiches Wirtschaften als in sich stimmige Einheit. Wieso fällt es dennoch so schwer, dass Nachhaltigkeit und Gemeinwohl-Ökonomie zum selbstverständlichen und vor allem integralen Teil der DNA von Unternehmen und Gesellschaft wird? 

Dringlichkeit und Relevanz im Tagesgeschäft
'Sinnvoll Wirtschaften' - die sinnstiftende Kopplung von Unternehmen und Menschen Foto: Geber86 / madiko
Wer sinnvoll Wirtschaften will und bereit ist, seine Firma darauf auszurichten, sucht Antworten auf die alltäglichen Herausforderungen. Die Transformation verlangt von Unternehmen den Spagat aus hoch effizientem Tagesgeschäft und dem ergebnisoffenen, wandelmutigen Experimentieren an innovativen Lösungen (Agilität). Das wirft Fragen auf, wie beispielsweise: Wie wird aus Altruismus wirtschaftlicher Gewinn, der dem Unternehmen zukunftsrobust den nötigen Gestaltungsspielraum ermöglicht? Wie führt ein Chef mit Sinn? Wie gelingt es, dass Mitarbeiter sich mit ihrem vollen Potenzial in den Betrieb einbringen können? Wie entlohnen wir dieses Engagement markt- und wertorientiert? Welche Konsequenzen hat dies auf Steuerung und Arbeitsorganisation, auf Entscheidungsprozesse und Kommunikation?

Konventionelle Patentrezepte der BWL greifen hier zu kurz. Nicht nur, dass sie immer noch das Gewinn-Maximum und den Homo oeconomicus als unumstößliches Mantra in sich tragen – der Mensch als mündiges, aufgeklärtes, intrinsisch motiviertes Wesen spielt dabei keine Rolle. Will ein Unternehmen jedoch die Intelligenz seiner Mitarbeiter auf den klugen Umgang mit der Ungewissheit, Vieldeutigkeit und Dynamik der Zukunft lenken, so braucht es andere Herangehensweisen an Entscheidungen, an Kommunikation, an Beziehungen, an Geschäftsmodelle und Arbeitsorganisation. Diese müssen den systemimmanenten Konflikt zwischen dem menschlichen und dem kaufmännischen Wesen der Führungskräfte und Mitarbeiter auflösen.


Die VUKA Welt
VUKA (englisch VUCA) beschreibt eine Welt, die durch 
  • Volatilität (englisch: volatility),
  • Unsicherheit (englisch: uncertainity),
  • Komplexität (englisch: complexity) und
  • Ambiguität/Ambivalenz (englisch Ambiguity),
gekennzeichnet ist. In dieser Welt gibt es keine festen Regeln, keine Gewissheiten und klar zu erkennenden Zusammenhänge mehr: Alles ist möglich – sogar dessen Gegenteil. Und gleich darauf schon wieder etwas ganz anderes!

Was bedeuten die einzelnen Anteile?
Volatilität bezeichnet das Ausmaß von Schwankungen innerhalb einer kurzen Zeitspanne, z.B. von Preisen, Kursen, Zinssätzen oder ganzer Märkte [Dud16a, WiktV]. Volatilität kennzeichnet damit Zustände, die instabil, unberechenbar und damit nicht vorhersehbar/vorhersagbar sind – keiner weiß, wann sich der Wert/Zustand in welche Richtung bewegen wird und welche Ereignisse kommen werden.
Unsicherheit bezeichnet einen Zustand mangelnder Kenntnis, der Ungewissheit, der Unklarheit [WiktU], einen Zustand, der mit einem unbekannten Risiko behaftet ist. Wir haben immer weniger Sicherheit darüber, was als Nächstes passiert. Bekanntes, bisherige Paradigmen gelten nicht mehr und es ist unklar, was nun gilt. Vorhersagen und Prognosen sind immer öfter unzuverlässig. Verschiedenes ist möglich – diese Möglichkeiten und ihre Auswirkungen können durchaus bekannt sein, unbekannt ist, welches Ereignis mit welcher Wahrscheinlichkeit eintritt. Daher können wir keine optimale oder beste Handlungsweise angeben.

Komplexität bezeichnet das Verhalten eines Systems oder Modells, dessen (viele) Komponenten auf verschiedenste Weise miteinander interagieren können, dabei nur lokalen Regeln folgen und denen Instruktionen höherer Ebenen unbekannt sind. Komplexität bezeichnet damit „die Vielschichtigkeit; das Ineinander vieler Merkmale, die Verflochtenheit". (Auf Komplexität ist noch gesondert einzugehen.)

Ambiguität bedeutet Mehr- oder Doppeldeutigkeit eines Gegebenen, eines Sachverhalts, einer Lehre oder sprachlicher Ausdrücke. Die dazu entsprechende Eigenschaft zweideutig ist ambiguos oder ambigue.

VUKA – Nicht nur Anteile, sondern auch Verknüpfung
Nun sind diese Anteile einzeln schon schwer bis gar nicht zu durchschauen. Und in der VUKA-Welt wirken sie nicht nur einzeln unabhängig voneinander, also isoliert, sondern vernetzt. Und genau durch diese Vernetzung entsteht eine nicht vorhersehbare und nicht vorhersagbare Gemengelage. In dieser ist dann alles möglich, hängt irgendwie alles miteinander zusammen, und ist nichts mehr vorhersagbar …
Damit ist auch klar, dass Planung in der VUKA-Welt versagen muss. Dem können wir uns nur stellen — Indem wir agil vorgehen.

Quelle: www.agil-werden.de, Torsten G.Scheller.
Freiheit, Humanismus und Aufklärung als Basis für "Sinnvoll Wirtschaften" 
Wir leben in einer sich rasant verändernden Welt, in der es vieldeutige Lösungsansätze für Hürden und Herausforderungen gibt. In dieser VUKA-Welt brauchen Firmen kluge, pfiffige und innovative Wege – und Akteure, die sie gehen.  Der Ansatz "Sinnvoll Wirtschaften" setzt hier auf die Selbststeuerungskräfte der Belegschaft. Als neue, interdisziplinär entwickelte Betriebswirtschaftslehre baut sie auf die Grundsätze von Freiheit, Humanismus und Aufklärung. 

Sie ist keine Blaupause oder konkrete Handlungsanweisung, denn das "Command & Control" der BWL, wie sie bisher erfolgreich funktioniert hat, ist nicht mehr das Erfolgsmodell der Zukunft. Hierarchien, bedingungsloses Unterordnen, starre Regeln und Vorgaben wirken für Menschen, die die Entwicklungsstufe der Selbstbestimmung und Gemeinwohlorientierung erreicht haben, stark demotivierend. Daher hat der Ansatz "Sinnvoll Wirtschaften" zum Ziel, Transformationsprozesse zu beschleunigen. Dies geschieht, indem er die zentralen Fragen mit denen sich ein Unternehmen im ständigen Veränderungsprozess ergebnisoffen beschäftigen und situationsadäquat anwenden sollte in den Mittelpunkt stellt.

„Sapere aude! Habe den Mut, dich deines eigenen Verstandes ohne die Anleitung eines anderen zu bedienen." So formulierte es Immanuel Kant. Und unter diesem Wahlspruch sollten Unternehmen den Gestaltungsrahmen ihrer Mitarbeiter erweitern und sich für deren Ideen öffnen. 

Sinnvoll Wirtschaften – transsektoral entwickelt und praxiserprobt
Sinnvoll Wirtschaften, versteht sich als eine neu entwickelte Betriebswirtschaftslehre, basierend auf einer Sammlung an Denkmodellen, Konzepten, Methoden, Vorgehensweisen, Werkzeugen, Komponenten und Systemen. Die Handelnden wählen dann – je nach Kontext und eigenem Menschenbild – die für sie geeigneten aus. Der Praxisanspruch dieses situationsbedingten, kontextbezogenen Entscheidungs- und Handlungsprozesses ergibt sich aus der Anforderung, klug mit Nicht-Wissen und der Ungewissheit der Zukunft umzugehen. 

Schauen wir uns die dramatische Änderung der Arbeitsbedingungen an: „Wir haben Vernetzung hochgetrieben. Wir haben globalisiert. Wir haben dafür gesorgt, dass die spontanen Aktivitäten aller Beteiligten geradezu explodieren. Wir haben viele Rückkopplungseffekte erzeugt. Und wo immer man das in Systemen tut, haben wir eine Dynamik, die zum Nicht-linearen tendiert. Das heißt, die Vorhersagbarkeit dieser Welt bricht nach und nach in sich zusammen." Prof. Peter Kruse 

Daher soll mit „Sinnvoll Wirtschaften" anhand von Fallbeispielen und im offenen, transsektoralen Wissens- und Erfahrungsaustausch die Basis für Neues entstehen. Doch erst in der Umsetzung, im Experimentieren und Realisieren entfaltet diese neue BWL ihre tatsächliche Kraft.

Selbststeuerung statt Fremdsteuerung
"Sinnvoll Wirtschaften" versteht Selbststeuerung als Selbstbestimmung und Eigenverantwortung gepaart mit Mitbestimmung und Gemeinwohl-Orientierung. Im Tagesgeschäft bedeutet sie, dass Mitarbeiter volle Verantwortung für ihren Aufgabenbereich übernehmen. Sie lernen zu unterscheiden, wie und wann sie wen in ihre Beschlüsse und die Realisierung mit einbeziehen. Das reicht von der gemeinschaftlich von Entwicklung, Konstruktion, Vertrieb, Customer Support und Marketing erarbeiteten Preisliste bis hin zur Dezentralisierung von Personalprozessen und Job Crafting. 

Um dieser Rolle gerecht werden zu können, erhalten Mitarbeiter den notwendigen Gestaltungsrahmen in Bezug auf Infrastruktur, Informationen und Ressourcen. Betreffen die Entscheidungen Aufbau- und Ablauf-Organisation, sollten die Beteiligten aktiv in Entscheidungs- und Kommunikationsprozesse einbezogen werden. So kann die Ursache für einen Anstieg an Kundenreklamationen beispielsweise in einer Verkettung unglücklicher Umstände verstreut in der ganzen Firma liegen. In einer komplexen, dynamischen Welt wie unserer lassen sich diese Sinnzusammenhänge oft nur unter Auflösung von Silodenken, Eigensinn-Optimierung und Fehlerkultur lösen.

An strategischen Entschlüssen – wie beispielsweise der Weiterentwicklung des Geschäftsmodells oder auch der Kooperation mit strategischen Partnern des Unternehmens – sollten alle partizipieren und aktiv involviert sein. Betrachtet man konventionell organisierte Unternehmen im Vergleich, so zeigt sich, dass sich hier ein fundamentaler Wandel zur Sicht auf Firmen ergibt. Wo in konventionellen Betrieben zumeist Einzelpersonen über die Geschicke des gesamten Unternehmens entscheiden, macht man sich in selbstgesteuerten Unternehmen Schwarmintelligenz zunutze. 

Mit Selbststeuerung ist nicht Basis-Demokratie gemeint. Das wäre fatal und würde die Selbststeuerungskräfte im Keim ersticken. Vielmehr geht es um ein kluges, ausgetüfteltes Vorgehen hinsichtlich unternehmerischer Entscheidungs- und Kommunikationsprozesse. Der Fokus liegt nicht auf einem "kleinsten gemeinsamen Nenner", auf den sich alle in endlosen Diskussionen verständigen. Stattdessen schauen die Beteiligten darauf, was fehlt und verändert werden muss, um zustimmen zu können. In der Soziokratie spricht man hierbei von Konsent-Entscheidungen. 

Dieser Anspruch beinhaltet ein neues Führungsverständnis. Führen als Rolle – nicht als Stellenbeschreibung. Er beansprucht zudem eine hohe Handlungskompetenz (Fachkompetenzen, Methodenkompetenzen, Sozialkompetenzen und Persönlichkeitskompetenzen) von allen Beteiligten im und am Unternehmen.

EnjoyWork – Das Unternehmer-Netzwerk rund um "Sinnvoll Wirtschaften"
Sinnvoll Wirtschaften - eine innovative, praxiserprobte Betriebswirtschaft(slehre) der Bewegung 'EnjoyWork. Lebens- & Arbeitswelten mit Zukunft' Foto: monsitj / madikoSelbststeuerung setzt voraus, dass betriebswirtschaftliches Grundwissen nicht einer Elite der Gesellschaft vorbehalten bleibt. Neue Medien bieten die Chance, einen leichteren Zugang zu diesem Wissen zu ebnen, und ermächtigten, den eigenen Verstand zu nutzen. Meine 2013 gegründete Initiative „Enjoy Work" beschäftigt sich mit genau diesem Thema und den sich daraus ableitenden Fragestellungen, insbesondere von KMU. 

Im Netzwerk "EnjoyWork. Lebens- & Arbeitswelten mit Zukunft" fanden sich bereits mehr als 150 Gleichgesinnte aus unterschiedlichsten Branchen und Disziplinen, aus Wirtschaft und Gesellschaft zusammen. Im Erfahrungs- und Wissensaustausch, vor allem jedoch in Realexperimenten entstand die Basis für das Kompendium "Sinnvoll Wirtschaften". 

Bereits heute finden sich auf dem Portal dieser Kooperative Reportagen, Gespräche mit Impulsgebern, Fachbeiträge und Blogbeiträge. Nun soll das gesammelte, praxiserprobte Know-how einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Mittels Schwarmfinanzierung rufe ich hiermit auf, sich aktiv am Kompendium, am Marktplatz und den EnjoyWork Labors sowie ergänzenden Veranstaltungen zu beteiligen. Dieses Portal soll der Bewegung einer neuen, innovativen Wirtschaft mehr Praxisrelevanz und den bestehenden Initiativen auf ihrem fortgeschrittenen Niveau mehr Rückenwind für die Umsetzung geben.


Franziska Köppe ist Gründerin und Moderatorin von EnjoyWork, einer dem Gemeinwohl dienenden Kooperative für Lebens- und Arbeitswelten mit Zukunft. Sie begleitet Menschen, Firmen und Events dabei, in der Welt gesehen und verstanden zu werden. Ihre zentrale Frage lautet: Wie begeistere ich Menschen so für eine (Geschäfts)Idee, dass sie ihre Intelligenz, ihre Zeit, ihr Engagement gern für die gemeinsame Sache einsetzen? So unterstützt sie Menschen aller Branchen und Disziplinen in einer wandelmutigen Gestaltung ihrer Organisations-DNA.
 

Wirtschaft | Führung & Personal, 22.01.2019

     
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