Branchen aller Länder vereinigt Euch!

Umsetzung der SDG fällt Unternehmen in globalen Initiativen leichter

Weltweit nachhaltiger agieren ist ein ehrgeiziges Ziel. Unternehmen fällt die Umsetzung wesentlich leichter, wenn sie sich in Initiativen zusammenschließen und damit global – zum Vorteil aller Beteiligten – wirksam werden.

Frauen bei der Baumwollernte. © Paul Hahn für Aid by Trade Foundation
Wer weit kommen will, tut sich besser mit anderen zusammen – dieses weise afrikanische Sprichwort lässt sich als Motto über die Brancheninitiativen stellen, die mehr Nachhaltigkeit in die weltweiten Wertschöpfungsketten bringen wollen. „Schließen Firmen sich innerhalb ihrer Branche zusammen und setzen sie sich gemeinsame Ziele und Standards, können sie im sozialen, ökologischen wie ökonomischen Sinne nachhaltiger agieren", stellt Martin Müller, Professor für Nachhaltige Unternehmensführung an der Universität Ulm, in einer Studie im Auftrag des Bundesarbeitsministeriums fest.
 
Die Zusammenschlüsse verbessern die Selbstverpflichtung der Firmen und den Einfluss auf die externen Lieferanten und Partner. Auch wenn sie einen gewissen Aufwand nach sich ziehen, bringt die Mitgliedschaft bei solchen Initiativen den Unternehmen handfeste Vorteile und erhöht die Reputation. „Letztendlich ist Nachhaltigkeitsmanagement immer auch ­Risikomanagement, antizipiert zukünftige Herausforderungen und sichert die Geschäftsgrundlage", ist Müller überzeugt.

Elefantenhochzeit in Sachen Nachhaltigkeit
Wie eine solche Brancheninitiative aussehen kann, zeigt Together for Sustainability (TfS), eine Initiative der Chemieindustrie. Sechs internationale Konzerne starteten sie im Jahr 2011 als Reaktion auf die wachsenden Nachhaltigkeitsforderungen der Stakeholder. Gemeinsames Ziel: die Verbesserung von Nachhaltigkeit in der Lieferkette. 
Mareike Klein, Leiterin des TfS-Work­stream Communication. © Mareike Klein privatSo entwickelten und harmonisierten die mittlerweile 19 Mitglieder in einem intensiven Dialog Standards für Assessments und Audits ihrer Zulieferer. Diese Bewertungen und Checks „sind oft strenger als die Gesetzesvorgaben in den Lieferländern", erklärt Mareike Klein, Leiterin des TfS-Workstream Communication. Unabhängige Prüfer führen die Audits durch.
 
 "Wir achten darauf, dass die Lieferanten die Nachhaltigkeitsmaßstäbe auch gegenüber ihren eigenen Zulieferern ins Spiel bringen."

Damit die Zulieferer anschließend Korrekturmaßnahmen umsetzen können, erhalten sie Schulungen. Mittlerweile wurden bereits mehr als 8.000 direkte Zulieferer bewertet. „Wir achten darauf, dass die Lieferanten die Nachhaltigkeitsmaßstäbe, die wir von ihnen verlangen, auch gegenüber ihren eigenen Zulieferern ins Spiel bringen", sagt Klein. So entstehe ein Multiplikationseffekt auf die nächsten Ebenen der Lieferkette.

Sharing is caring
Gemeinsame Standards sind aber nur ein Vorteil: Da ein Zulieferer häufig mit mehreren Herstellern zusammenarbeitet, teilen die TfS-Mitglieder die Ergebnisse der Audits und Assessments miteinander – mit Einverständnis der Lieferanten. So haben die Konzerne weniger Prüfaufwand, und die Zulieferer werden nicht mehrfach geprüft. Das spart Zeit und Kosten – und das Nachhaltigkeitsmanagement kommt schneller voran. „Im Übrigen arbeiten wir lediglich im Nachhaltigkeitsbereich zusammen und teilen hier die Ergebnisse", betont Klein. „Ansonsten verstehen und verhalten wir uns als Wettbewerber – die Zusammenarbeit ist in diesem Sinne auch kartellrechtlich sauber geregelt."

Seit 2015 ist die Wacker Chemie AG in Burghausen Mitglied bei TfS. „Es ist uns ein wesentliches Anliegen, die globale Lieferkette zu verbessern, über die Synergieeffekte der Initiative geht das erheblich einfacher und schneller", betont Sabine Zallinger, TfS-Koordinatorin bei Wacker. Bis 2020 will das Unternehmen über das TfS-Auditsystem 70 Prozent der Lieferanten in ihrer Nachhaltigkeitsleistung bewertet haben. „Wichtig ist uns, dass wir auf Basis der Audits gemeinsam mit den Lieferanten daran arbeiten, nachhaltiger zu werden", so Zallinger. „Ein dauerhafter Verstoß kann dazu führen, dass wir uns von einem Lieferanten trennen. Das wäre aber die letzte Lösung."

Gemeinsam für eine weiße Weste
Auch in der Textilindustrie gibt es bereits einige gemeinsame Nachhaltigkeitsinitiativen. Auf Anregung des Bundesentwicklungsministeriums startete 2014 das Bündnis für nachhaltige Textilien. Anlass war unter anderem der Einsturz der Textilfabrik Rana Plaza in Bangladesch im Jahr davor. Derzeit hat das Textilbündnis rund 145 Mitglieder. Im Gegensatz zu TfS ist es als sogenannte Multi-Stakeholder-Initiative angelegt. Das heißt: Neben Unternehmen sind auch Nichtregierungsorganisationen, Gewerkschaften, staatliche Akteure sowie Organisationen, die die Kontrollstandards setzen, mit an Bord.

Textilbranche und SDG. Soziale Mißstände und Umweltskandale – vom Baumwollanbau bis zum Nähen muss viel verbessert werden. © Cotton made in Africa„Die Komplexität der Branche und die Heterogenität der Mitglieder sind für die gemeinsame Arbeit oft eine Herausforderung", erklärt Jürgen Janssen, Leiter des Bündnissekretariats. Dass die Vertreter der fünf verschiedenen Akteursgruppen im Bündnis Hand in Hand arbeiten, habe jedoch klare Vorteile: „Eine Multi-Stakeholder-Initiative geht zwar nicht immer den schnellsten Weg, eröffnet dafür aber die Chance auf umfassende Verbesse-rungen, die von allen getragen werden und deshalb von Dauer sind", so Janssen.
Den Produktionsbetrieben und Markenhändlern spricht er eine entscheidende Rolle im Bündnis zu: „Vor allem sie setzen die Veränderungen vor Ort praktisch um."

Anders als TfS arbeitet das Textilbündnis nicht mit Audits oder Assessments für Zulieferer. Stattdessen machen die Mitglieder anhand von spezifischen, vom Bündnis entwickelten Fragenrastern zunächst eine Bestandsaufnahme ihrer eigenen Nachhaltigkeit – vom Abwasser- und Umweltmanagement bis zu Lieferketten und Menschenrechten. Zu diesen Themen müssen sie sich jedes Jahr Ziele definieren, die sie binnen zwölf Monaten umsetzen. Für 2017 zum Beispiel haben sich alle Bündnismitglieder zusammen mehr als 1.500 Maßnahmen vorgenommen.

„Jedes Mitglied startet da, wo es steht, und geht seine eigenen Defizite an. Die Mitglieder tauschen sich aber auch aus, lernen voneinander", erklärt Janssen. Die Ziele und ihre Umsetzung werden veröffentlicht und kontrolliert. Dazu nutzt das Bündnis das Comply-or-Explain-Verfahren: Wenn etwas nicht umgesetzt wurde, erklärt das Unternehmen die Gründe und erläutert, wie es nachbessern will. „Durch diesen Prozess wird unser Anspruch verbindlich. Am Ende seiner Anstrengungen hat das Mitglied einen international anschlussfähigen Nachhaltigkeitsstandard erreicht", sagt Janssen. Wer seine Ziele auch nach Nachbesserung nicht einhält, kann ausgeschlossen werden.

Christian Schneidermeier, Geschäfts­führer der Ortovox Sportartikel GmbH. © M. Robl, OrtovoxAuch Christian Schneidermeier, Geschäftsführer der Ortovox Sportartikel GmbH in Taufkirchen, hat sein Unternehmen 2015 beim Textilbündnis angemeldet: „Die Textilindustrie ist durch Vorfälle wie in Bangladesch oft genug in der Kritik. Daher begrüßen wir als Ehrbarer Kaufmann Initiativen wie das Bündnis, die dem etwas Positives entgegensetzen wollen." Auch dass die Bundesregierung mit an Bord ist, sei förderlich. Was Schneidermeier schätzt: „Jeder konzentriert sich auf seine eigenen spezifischen Fragestellungen und kommt so sehr individuell weiter."

 "Alle Mitglieder müssen konsequent agieren und mehr erreichen."

Unterm Strich wünscht sich der Unternehmer, das Bündnis würde noch schneller vorankommen. „Alle Mitglieder müssen konsequent agieren und mehr erreichen", fordert er. Außerdem hofft er, dass das Bündnis noch bekannter wird und als Siegel mehr heraussticht: „Dann bringen wir Unternehmen nicht nur die gute Sache mit voran, sondern können mit unserer Mitgliedschaft auch für uns werben."

Es braucht immer einen der vorangeht
Einen anderen, marktorientierten Weg geht die Initiative „Cotton made in Africa". Sie wurde von der Aid by Trade Foundation ins Leben gerufen und fördert afrikanische Kleinbauern, die in 10 Ländern der Subsahara Baumwolle anbauen. Initiator der Aid by Trade Foundation ist der Hamburger Unternehmer und Stifter Dr. Michael Otto. „Unsere Initiative ist international aktiv und verbindet afrikanische Baumwollbauern mit deutschen sowie internationalen Textilunternehmen. Mit ihrem Cotton made in Africa-Standard für nachhaltige Baumwolle werden alle drei Nachhaltigkeitsdimensionen – sozial, ökologisch und ökonomisch – gleichermaßen in den Fokus gerückt", erklärt Projektleiterin Christina Ben Bella.
 
Die Bauern erhalten Schulungen, wie sie ihre Flächen effizienter nutzen, Ernteausfälle vermeiden, mehr Ertrag erwirtschaften. „Das ermöglicht den Bauern, langfristig den Lebensunterhalt für sich und ihre Familien zu verbessern und eröffnet ­ihnen soziale Aufstiegsperspektiven", erläutert Ben Bella. Zugleich lernen sie in den Schulungen, wie sie die Baumwolle ökologisch nachhaltiger anbauen, indem sie beispielsweise den hohen Wasserbedarf der Baumwolle genauer auf die Regenzeiten abstimmen. „Da Cotton made in Africa-Baumwolle nicht künstlich bewässert wird, werden pro T-Shirt über 500 Liter Wasser gespart", freut sich die Projektleiterin. Der Initiative angeschlossene Baumwollgesellschaften sind feste Abnehmer der Baumwollernten.
 
Auch der Blick auf die Lieferkette ist für Cotton made in Africa wichtig. „Neben der Zertifizierung auf dem Baumwollfeld und den Entkörnungsanlagen müssen Unternehmenspartner in der Kette einen Code of Conduct unterschreiben." Ein Tracking-System kann die Baumwolle in der Kette zurückverfolgen. Ein spezieller Aspekt ist zudem die Frauenförderung. „Die Frauen haben eigene Felder oder erhalten Mikrokredite für gemeinsame Geschäftsideen, erwirtschaften so eigene Gewinne, werden unabhängiger." Mittlerweile gehören mehr als 780.000 Bauern der Initiative an, sie unterstützt rund 6,7 Millionen Menschen. Zahlreiche internationale Markenhersteller und nicht zuletzt diverse Discounter haben sich der Initiative angeschlossen und nutzen diese Baumwolle für ihre Produkte, so dass 2016 50 Millionen Textilien weltweit das Label Cotton made in Africa tragen.

Reisebranche und SDG. Die Begegnung mit anderen Kulturen schafft Verständnis dafür, sich gemeinsam für die Welt einzusetzen. © Omur12_Dreamstime.comDarüber hinaus bringt sich die Initiative aktiv in gesellschaftliche und politische Debatten ein. Auf Messen, Veranstaltungen und über die Medien will man ein stärkeres Bewusstsein für die ökologischen, ökonomischen und kulturellen Auswirkungen des Reisens schaffen und damit dafür sorgen, dass die Freude am Reisen nicht zu Lasten der Menschen und der Umwelt in den Urlaubsländern geht.

Eine weitere Brancheninitiative im Tourismus ist Futouris. Sie will das natürliche und kulturelle Erbe der Urlaubsländer bewahren und die Reisebranche zukunftsfähig gestalten. Gemeinsam engagieren sich die Mitglieder weltweit für die Verbesserung der Lebensverhältnisse, den Erhalt der biologischen Vielfalt und den Umwelt- und Klimaschutz. In dieser Initiative haben sich Unternehmen wie DER Touristik, Thomas Cook, AIDA Cruises und andere zusammengeschlossen. Siehe dazu auch unser Futouris-Portrait.

Da ist noch Luft nach oben

Für Professor Müller sind all diese Initiativen zwar ein guter Anfang, „dennoch ist noch genug Luft nach oben". Die Audits konzentrieren sich auf die direkten Zulieferer, doch die meisten sozialen und ökologischen Probleme sind auf den Ebenen dahinter angesiedelt. Hier müssen Instrumente entwickelt werden, die die gesamte Supply Chain durchleuchten.

In manchen Wirtschaftszweigen sieht der Experte Nachholbedarf. So seien die Chemie- oder auch die Spielwarenbranche schon weit gekommen. Andere Branchen wie die Bauindustrie oder Dienstleister hinkten nach. „Hier würde ich mir ebenfalls stärkere Brancheninitiativen wünschen", sagt Müller. Seine Botschaft an alle Unternehmen: „Nicht stehenbleiben, die Wirkung des eigenen Ansatzes kontinuierlich und kritisch evaluieren, die Initiativen weiterentwickeln – und so im Sinne der Nachhaltigkeit immer besser werden."


Gabriele Lüke ist Wirtschaftsjournalistin. Sie schreibt unter anderem über die Bedeutung von Corporate Social Responsibility für Unternehmen. Als Mitgründerin der
Konturprogramm eG – Genossenschaft für Unternehmenskommunikation entwickelt und realisiert sie CP-Medien, insbesondere Kundenmagazine.

Wirtschaft | CSR & Strategie, 01.12.2017
Dieser Artikel ist in forum Nachhaltig Wirtschaften 04/2017 - Jetzt die SDG umsetzen erschienen.
     
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