Aufbruch ins (nachhaltige) digitale Zeitalter

Nachhaltigkeit: mit, trotz oder durch Digitalisierung?

Diesen Beitrag von Ludwig Karg, B.A.U.M. Consult GmbH und Martin Oldeland, B.A.U.M. e. V. finden Sie im neuen B.A.U.M.-Jahrbuch 2017 - Digitalisierung und Nachhaltigkeit

Diese Argumentation ist etwas zu kurz gesprungen, meinten die Initiatoren der B.A.U.M.-Jahrestagung zu „Digitalisierung und Nachhaltigkeit" – und luden für den Auftakt ausgewiesene Experten ein, um die Tragweite des Themas auszuloten. Bereits in seiner Begrüßung hatte B.A.U.M.-Vorstandsmitglied Martin Oldeland darauf hingewiesen, bei dem Hype um die Digitalisierung dürfe die Nachhaltigkeit nicht vergessen werden. Auch die Digitalisierung benötige Ressourcen und sei keine komplette Dematerialisierung. Zudem träfen die enormen gesellschaftspolitischen Herausforderungen der Digitalisierung zumindest in Europa auf eine im Vergleich zu anderen Teilen der Welt alte Gesellschaft.

Diskutierten Chancen für Deutschland und Europa im digitalen Wettkampf (v.l.): Prof. Dr. Dr. h.c. Manfred Broy (Zentrum Digitalisierung. Bayern), Peter Fatelnig (Europäische Kommission), Jens Mühlner (Charta digitale Vernetzung e.V.), Moderator Ludwig Karg (B.A.U.M. Consult GmbH). Foto: B.A.U.M.Als erster der Experten verglich Peter Fatelnig von der Europäischen Kommission die heutige Zeit mit dem Zeitalter des beginnenden Buchdrucks und der Reformation. Eine seiner Thesen: „Nachhaltigkeit braucht Digitalisierung". Prof. Dr. Manfred Broy, Gründungspräsident und Geschäftsführer des Zentrums Digitalisierung, Bayern, faszinierte das Publikum mit einem Vortrag, der auch Nicht-Informatikern plastisch vor Augen führte, was uns erwartet. Als Fazit zitierte er Steve Jobs: „Everyone here has the sense that right now is one of those moments when we are influencing the future.” Bei Prof. Dieter Gorny war schon seine Funktion Programm: „Beauftragter für kreative und digitale Ökonomie des Bundesministers für Wirtschaft und Energie". Sein Vortrag gipfelte in der Forderung: „Bei aller Aufbruchsstimmung angesichts der gewaltigen und hervorragenden digitalen Entwicklungen müssen wir diese stets mit den für unsere Gesellschaft bislang gültigen Wertevorstellungen reflektieren, die selbstverständlich auch einem Wandel unterliegen."

Offen blieb die Frage, welche Aspekte der Nachhaltigkeit vorrangig betrachtet und bearbeitet werden sollen. Und welche Rolle kann und soll B.A.U.M. als Netzwerk für nachhaltiges Wirtschaften dabei spielen? Hier konnte der zweite Konferenztag Aufschluss geben. Während ein Moderatoren-Team der B.A.U.M. Group ein World-Café zu sechs verschiedenen Themen gestaltete, arbeiteten die Design Thinker von Protellus mit kleinen Gruppen an Prototypen für die Lösung spezifischer Herausforderungen.

Nachhaltigkeit: mit, trotz oder durch Digitalisierung?
Experten stellten die Herausforderungen der ausgewählten Handlungsfelder vor: Intelligent Cities, Automatisierung/Arbeitswelt/Wirtschaftssysteme, Mitarbeiter/Arbeitswelt, Energie, Ressourcen, Mobilität. Der Tenor: Wenn wir nichts tun, kann uns die Welle der Digitalisierung überrollen – und nicht nur die Nachhaltigkeit bleibt auf der Strecke. Wenn wir jedoch die Chancen nutzen, die uns die neuen Kommunikationstechnologien und das Internet der Dinge bieten, können wir viele der sicherlich wegfallenden Arbeitsplätze durch neue, sogar höherwertige ersetzen. Wenn wir Computer und Roboter die Dinge machen lassen, die sie besser als wir Menschen können, führt das zu weniger Ressourcenverbrauch, zu umweltfreundlicheren Transportsystemen, zu einer sicheren Energieversorgung aus erneuerbaren Quellen.

Dass Roboter Köche verdrängen können, mochten die Teilnehmenden noch glauben. Zweifel kamen auf, als es um das Diagnostizieren und die Medikation von Krankheiten durch Computer ging. Aktuelle Studien gehen davon aus, dass bis zu 18 Millionen Arbeitsplätze in Deutschland, davon ein Großteil in der Verwaltung, von der digitalen Transformation betroffen sein werden. Untersuchungen haben gezeigt, dass eine freiere Wahl von Ort und Zeit die Motivation der Mitarbeiter und die Arbeitsergebnisse erheblich verbessert. Das klassische „Home-Office" wird aber wohl mehr und mehr durch „Co-Working Spaces" abgelöst.

Wir müssen etwas tun. Aber wer ist „wir"?
Industrie 4.0 hat die großen Unternehmen erreicht. Nun müssen auch die kleinen und mittleren Betriebe die Veränderungen erkennen und konstruktiv mit ihnen umgehen, wenn sie nicht zu den Verlierern zählen wollen.

Joseph Weizenbaum, der sich schon in den 70er Jahren intensiv mit Fragen der künstlichen Intelligenz auseinandergesetzt hat, sagte einmal: „Ich bin kein Computerkritiker. Computer kann man nicht kritisieren. Ich bin Gesellschaftskritiker." Deutlicher kann man es nicht ausdrücken: Digitalisierung ist eine der großen gesellschaftlichen Aufgaben unserer Zeit. Das Wirtschaftssystem als Ganzes und unsere Gesellschaftsordnung werden sich verändern. Ob zum Guten oder Schlechten, liegt an uns allen!

Innovation im Zeitalter der Digitalisierung?
Beispiel für Design Thinking auf der B.A.U.M.-Jahrestagung: Die Aufgabe (Challenge): Entwickeln Sie eine digitale Lösung, die die Lebensmittelverschwendung in Privathaushalten reduziert. – Die gedachte Nutzerin (Persona): Xenia, 41 Jahre, umwelt und gesundheitsbewusst. – Der Lösungsansatz (Prototyp): Ein mit Sensoren ausgestatteter Mülleimer verändert Form und Aussehen, wenn noch genießbare oder gerade erst abgelaufene Lebensmittel eingeworfen werden. Gleichzeitig erhalten seine Besitzer Hinweise auf ihrem Smartphone, wie in Zukunft mit mehr Weitblick eingekauft werden kann. Foto: B.A.U.M.Vor welchen Herausforderungen Innovateure heute stehen, erläuterte Prof. Ulrich Weinberg, Leiter der School of Design Thinking am Hasso-Plattner-Institut in Potsdam. Eindrucksvoll stellte er dar, wie man aus dem „Brockhaus-Zeitalter" ins „Netzwerk-Zeitalter" kommt. Den Beweis für die Effektivität und Effizienz der neuen Innovationsmethoden erbrachten dann die an seiner D-School ausgebildeten Young Professionals, die mittlerweile unter dem Namen Protellus aktiv sind, in einem „Design Thinking Fast Track". So ungewöhnlich der zeitlich komplett durchgetaktete Workshop war, so sehr genossen die Teilnehmenden das kreative Milieu. Nach vier Stunden konnten sie ihre Prototypen präsentieren, von denen hier nur einer vorgestellt werden soll (s. Abb. rechts).

B.A.U.M. als Makler der digitalen Nachhaltigkeit
Die Teilnehmenden der B.A.U.M.-Jahrestagung artikulierten deutlich ihre Vorstellungen von der Rolle des Netzwerks angesichts des digitalen Wandels. Wichtig war ihnen eine weitere Verdeutlichung des Zusammenhangs von Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Zudem solle sich B.A.U.M. mit seiner großen Zahl von Mitgliedern und seinen Experten zur Bearbeitung des Themas Nachhaltigkeit in Gremien der Digitalisierung einbringen. Geplant ist der Beitritt zur Charta digitale Vernetzung e. V.; dort wird B.A.U.M. die großen Firmen und Verbände aus dem Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologie treffen.

Auf das Bedürfnis der Mitglieder nach mehr Aufklärung und Führung auf dem Weg ins digitale Zeitalter wird B.A.U.M. auch mit dem Aufbau einer „Wissens- und Aktionsplattform zu Nachhaltigkeit und Digitalisierung" antworten. Zum Ende der Jahrestagung konnte Vorstandsmitglied Martin Oldeland von erfolgreichen Gesprächen über eine entsprechende Kooperation mit der Deutschen Bundesstiftung Umwelt berichten.

Das vorliegende Jahrbuch ist Auftakt für eine weitreichende Bearbeitung des Themas. Eine Dokumentation der Jahrestagung findet sich auf https://digitalnhblog.wordpress.com.

Ludwig Karg ist Gesellschafter-Geschäftsführer der B.A.U.M. Consult GmbH München/Berlin und Chairman von INEM. Mit seinem Team berät er Unternehmen und entwickelt in großen Projekten Lösungen für eine nachhaltige Versorgung mit Material, Mobilität und Energie.

Martin Oldeland ist Mitglied des Vorstands von B.A.U.M. e. V. In dieser Funktion vertritt er B.A.U.M. auch in zahlreichen Jurys und Beiräten. Seine Arbeitsschwerpunkte sind u. a. CSR, Klima- und Ressourcenschutz sowie Digitalisierung und Nachhaltigkeit.


Quelle: B.A.U.M. e.V. - Netzwerk für nachhaltiges Wirtschaften

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