Waldwirtschaft: Ein Professor widerspricht dem Umweltbundesamt
Roland Irslingers Antwort auf die Behörde
Die CO2-Neutralität des Holzes ist eine systemimmanente Eigenschaft nachhaltiger Waldwirtschaft. Das ist Mathematik, nicht Ökologie, sagt Professor Irslinger.
Nachdem die WeLT am Sonntag am 10. August 2024 den UBA-Rechner und seine zweifelhafte wissenschaftliche Basis thematisiert hat, kam schon am Mittag ein Dementi von Bundesminister Robert Habeck. Unwillkürlich muss ich dabei an einen Ausspruch eines anderen Deutschen am 15. Juni 1961 denken: "Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten".
Damit ist endgültig klar, was der UBA-CO2-Rechner will, nämlich den Weg ebnen für eine Besteuerung von CO2 aus Holz! Der Brennstoff Holz soll künstlich verteuert werden, um die Nachfrage danach zu verringern. Eine Tonne Pellets könnte dann hundert Euro mehr kosten – eine wahre Freude insbesondere für jene, die erst kürzlich eine staatlich geförderte Pelletheizung eingebaut haben! Eine Besteuerung von CO2-Emissionen aus der energetischen Holzverwendung wäre eine ungerechtfertigte monetäre Belastung für eine anerkannt "saubere" Technologie für Millionen Nutzer. Holzheizer würden zur Kasse gebeten, der Waldbesitzer könnte weniger Brennholz vermarkten, Geld für den Waldumbau würde fehlen. Dem der Romantik entstammenden deutschen Waldmythos käme das entgegen, mehr ungepflegte Wälder wären die Folge, weil das Geld für eine Pflege fehlen würde. Und in den verwildernden Wäldern würden wir ein Artensterben erleben, das sich gewaschen hätte. Denn unser Wald ist Kulturlandschaft und die allermeisten Arten, die darin leben, sind auf Waldpflege angewiesen!
Wichtig ist aber, dass man das CO2, das beim Wachstum von Wäldern aus der Luft aufgenommen wird, nicht eindeutig zuordnen kann. Es könnte zum Beispiel auch CO2 aus einem Kohlekraftwerk sein.
Der Zuwachs des Waldes wiederum ist unabhängig davon, ob das geerntete Holz verbrannt oder ob hieraus Papier, Spanplatten, Pflanzenkohle oder andere Produkte hergestellt werden. Damit stehen die Verbrennungsemissionen aus Holz einerseits nicht in direktem kausalem Zusammenhang mit der Senkenleistung eines Waldes andererseits.
Der chemischen Industrie steht der Brennstoff Holz als Rohstoff für chemische Grundstoffe jederzeit zur Verfügung, sie muss halt einen adäquaten Preis dafür bezahlen! Unter diesem Aspekt entpuppt sich der UBA-CO2-Rechner als unverhohlene Subvention für die chemische Industrie. Holzheizer werden für klimafreundliches Heizen bestraft, indem sie dazu verpflichtet werden, BASF & Co. jedes Jahr mit hunderten von Millionen Euro unter die Arme zu greifen?!
Der Kontext des Klimaschutzes ist hier entscheidend: Die Senkenleistung der Wälder droht abzunehmen, während sie tatsächlich maximiert werden muss, um die Klimaschutzziele zu erreichen. Umso wichtiger ist, restliche (unvermeidbare) THG-Emissionen (zum Beispiel aus Landwirtschaft) durch negative CO2-Emissionen des Waldes zu kompensieren.
Das Klimaschutzgesetz gibt ambitionierte Ziele für den Landsektor vor, und ein entscheidendes Mittel ist Waldmodellierungen zufolge die verringerte Holzentnahme. So kann die Senkenleistung im Wald verbessert werden (unabhängig vom angenommenen Niveau der natürlichen Störungen).
Entscheidend ist deshalb die Frage, ob es alternative Verwendungsmöglichkeiten für das Holz gibt oder ob es tatsächlich sonst ohne Nutzung verrotten würde. Nun geht es darum, den Umbau zu einem klimaresilienten Wald als zentrale Kohlenstoffsenke voranzutreiben und die Weichen für eine umfassende Kaskadennutzung von Holz zu stellen.
Ich verweise an dieser Stelle auf die Initiative „Bauhaus der Erde" von Prof. Schellnhuber, die beispielhaft aufzeigt, wie viele innovative Ideen und Möglichkeiten durch eine nachhaltige Nutzung von Holz und biobasierten Produkten es jenseits der Verbrennung von Holz gibt.
Bezeichnend in der Antwort von Herrn Dr. Messner ist die Tatsache, dass die von mir dargelegten wissenschaftlichen Sachverhalte weiterhin ignoriert werden. Hinweise auf wissenschaftliche Publikationen, die der "Ansicht" des UBA diametral entgegenstehen, werden nicht kommentiert. Vielmehr klammert sich das UBA weiterhin an die eigenen, wissenschaftlich nicht haltbaren Positionen. Eine Beantwortung des Briefes von Herrn Professor Messner meinerseits ist daher nicht zielführend.
"Da reibt man sich die Augen"
Die Anwendung des UBA-CO2-Rechners führt beim Vergleich von Erdgas (einschließlich des "dreckigen" Frackinggases!) zum Ergebnis, das Heizen mit Gas klimafreundlicher sei als Heizen mit Holz. Der Nutzer reibt sich die Augen! Das UBA bezweckt mit der Anrechnung von CO2-Emissionen aus der Holzverbrennung, bei den Bürgern ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass Holz nicht in beliebiger Menge zur Verfügung steht und gegebenenfalls eher stofflich verwendet werden sollte. Das ist ein grundsätzlich vernünftiges Ziel. Aber warum wird nicht die Zahl der Raummeter Scheitholz oder Tonnen Pellets als Orientierungsgröße genommen, zum Beispiel in Bezug auf Haustyp und Wohnfläche, die ohnehin im CO2-Rechner eingegeben werden müssen? Unter diesen Größen könnte sich der Nutzer eine konkrete Holzmenge vorstellen, aber wer kann sich schon eine Tonne CO2 vorstellen und in Ster oder Pelletstonnen umrechnen? Warum legt man einen Maßstab an, mit dem man die Bürger derart verunsichert?
Nachdem die WeLT am Sonntag am 10. August 2024 den UBA-Rechner und seine zweifelhafte wissenschaftliche Basis thematisiert hat, kam schon am Mittag ein Dementi von Bundesminister Robert Habeck. Unwillkürlich muss ich dabei an einen Ausspruch eines anderen Deutschen am 15. Juni 1961 denken: "Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten".
Damit ist endgültig klar, was der UBA-CO2-Rechner will, nämlich den Weg ebnen für eine Besteuerung von CO2 aus Holz! Der Brennstoff Holz soll künstlich verteuert werden, um die Nachfrage danach zu verringern. Eine Tonne Pellets könnte dann hundert Euro mehr kosten – eine wahre Freude insbesondere für jene, die erst kürzlich eine staatlich geförderte Pelletheizung eingebaut haben! Eine Besteuerung von CO2-Emissionen aus der energetischen Holzverwendung wäre eine ungerechtfertigte monetäre Belastung für eine anerkannt "saubere" Technologie für Millionen Nutzer. Holzheizer würden zur Kasse gebeten, der Waldbesitzer könnte weniger Brennholz vermarkten, Geld für den Waldumbau würde fehlen. Dem der Romantik entstammenden deutschen Waldmythos käme das entgegen, mehr ungepflegte Wälder wären die Folge, weil das Geld für eine Pflege fehlen würde. Und in den verwildernden Wäldern würden wir ein Artensterben erleben, das sich gewaschen hätte. Denn unser Wald ist Kulturlandschaft und die allermeisten Arten, die darin leben, sind auf Waldpflege angewiesen!
Die Antworten
Ich kommentiere hier nur einige wenige der hartnäckig unzutreffenden Argumentationslinien aus dem Antwortbrief von Herrn Professor Messner (Zitate aus dem Brief von Herrn Messner sind kursiv gedruckt).
Wichtig ist aber, dass man das CO2, das beim Wachstum von Wäldern aus der Luft aufgenommen wird, nicht eindeutig zuordnen kann. Es könnte zum Beispiel auch CO2 aus einem Kohlekraftwerk sein.
Das ist zwar richtig, aber völlig unerheblich. Der natürliche biosphärisch-atmosphärische CO2-Kreislauf ist durch verschiedene CO2-Quellen beziehungsweise -Senken gekennzeichnet (Wälder, Böden, Moore, Vulkane, Meere). Für die Bewertung der Quellen beziehungsweise Senken ist der Betrag der emittierten beziehungsweise absorbierten CO2-Mengen entscheidend, nicht die Herkunft. Nachhaltig bewirtschaftete Wälder nehmen den Betrag des beim Verbrennen freigesetzten CO2 vollständig und bis zum Ende der nächsten Vegetationsperiode wieder auf. Das bedeutet, dass allein die Bilanz entscheidend ist, nicht die Herkunft.
Der Zuwachs des Waldes wiederum ist unabhängig davon, ob das geerntete Holz verbrannt oder ob hieraus Papier, Spanplatten, Pflanzenkohle oder andere Produkte hergestellt werden. Damit stehen die Verbrennungsemissionen aus Holz einerseits nicht in direktem kausalem Zusammenhang mit der Senkenleistung eines Waldes andererseits.
Der Begriff der Kausalität bezieht sich auf den Tatbestand, dass zwischen Nutzung und Waldzuwachs ein direkter kausaler Zusammenhang besteht. Denn ohne Holzentnahme aus dem Wald tendiert die Waldsenke gegen Null. Das geerntete Holz ist ein Koppelprodukt; bei der Holzverarbeitung fällt unvermeidlich ein Reststoffanteil an, der stofflich nicht beziehungsweise nicht vollständig verwertet werden kann. Grundsätzlich muss der stofflichen Verwertung der Vorrang eingeräumt werden, aber Technologie und Markt entscheiden darüber, was mit diesen Reststoffen passiert. Alles andere ist Planwirtschaft! Grundstoffliche Verwendung von Holz und Kaskadierung sind sinnvoll, auch wenn damit keine oder höchstens marginale stoffliche Substitutionseffekte verbunden sind. Mit der Verwendung für Spanplatten sind teilweise hohe Verkehrsemissionen verbunden. Die Herstellung von Pflanzenkohle (BECCS) ist zu befürworten, bei deren Herstellung wird aber auch Energie gewonnen und damit CO2 aus Holz emittiert, insofern erschwert der UBA-CO2-Rechner bei konsequenter Anwendung die Entwicklung entsprechender Technologien.
Der chemischen Industrie steht der Brennstoff Holz als Rohstoff für chemische Grundstoffe jederzeit zur Verfügung, sie muss halt einen adäquaten Preis dafür bezahlen! Unter diesem Aspekt entpuppt sich der UBA-CO2-Rechner als unverhohlene Subvention für die chemische Industrie. Holzheizer werden für klimafreundliches Heizen bestraft, indem sie dazu verpflichtet werden, BASF & Co. jedes Jahr mit hunderten von Millionen Euro unter die Arme zu greifen?!
Der Kontext des Klimaschutzes ist hier entscheidend: Die Senkenleistung der Wälder droht abzunehmen, während sie tatsächlich maximiert werden muss, um die Klimaschutzziele zu erreichen. Umso wichtiger ist, restliche (unvermeidbare) THG-Emissionen (zum Beispiel aus Landwirtschaft) durch negative CO2-Emissionen des Waldes zu kompensieren.
Die Senkenleistung des Waldes in Deutschland wird in den nächsten Jahrzehnten aus zwei Gründen abnehmen, erstens wegen der zunehmenden Überalterung der Wälder und zweitens wegen des Klimawandels. Unvermeidbare fossile THG-Emissionen der Landwirtschaft in Wäldern in relevantem Umfang dauerhaft zu speichern, kann nicht gelingen, weil keine Permanenz gegeben ist und weil fossile Emissionen auch vom Betrag her nicht mit Senken in hochbevorrateten Wäldern verrechnet werden dürfen. Nach EU-Recht ist dies nicht zulässig (siehe Europäisches Parlament 2018), Zitat: "Damit Maßnahmen, die insbesondere auf eine verstärkte Kohlenstoffspeicherung abzielen, wirksam sein können, müssen Kohlenstoffspeicher unbedingt langfristig stabil und anpassungsfähig sein". Alte Wälder kommen für eine zusätzliche C-Speicherung nicht in Frage. Eine Maximierung der Senkenleistung des Waldes ist nur möglich, wenn das gegenwärtige Nutzungsniveau beibehalten wird.
Das Klimaschutzgesetz gibt ambitionierte Ziele für den Landsektor vor, und ein entscheidendes Mittel ist Waldmodellierungen zufolge die verringerte Holzentnahme. So kann die Senkenleistung im Wald verbessert werden (unabhängig vom angenommenen Niveau der natürlichen Störungen).
Es ist ein wissenschaftlich gesicherter Trugschluss, eine verringerte Holzentnahme würde zu einer erhöhten Senkenleistung führen. Das Gegenteil ist der Fall. Die der Studie BioSINK zugrundeliegende Modellierung des Waldwachstums (FaBIO) ist ein Auftragsgutachten von Greenpeace und wissenschaftlich ohne Wert. "Die mit diesem Modell generierten Daten bieten für eine global verantwortliche und generationengerechte Waldnutzung keine Orientierung", bestätigt auch der Wissenschaftliche Beirat Waldpolitik (WBR 2019). Das verwendete Waldmodell FaBIO ist fehlerhaft parametrisiert, es berücksichtigt zum Beispiel nicht den Klimawandel, der unsere Wälder destabilisieren wird.
Entscheidend ist deshalb die Frage, ob es alternative Verwendungsmöglichkeiten für das Holz gibt oder ob es tatsächlich sonst ohne Nutzung verrotten würde. Nun geht es darum, den Umbau zu einem klimaresilienten Wald als zentrale Kohlenstoffsenke voranzutreiben und die Weichen für eine umfassende Kaskadennutzung von Holz zu stellen.
Der Umbau zu einem klimaresilienten Wald wird dazu führen, dass je nach Geschwindigkeit des Klimawandels kurz- bis mittelfristig größere Mengen an Holz anfallen können als bisher. Das sind Holzmengen die aktuell keine anderweitige Verwertung als die energetische Nutzung finden. Rund die Hälfte des Waldes in Deutschland ist Privatwald, es gibt hierzulande zwei Millionen Waldbesitzer, die durchschnittliche Besitzgröße liegt bei drei Hektar. Eine stoffliche Verwertung des aus dem Kleinprivatwald anfallenden Waldrestholzes gestaltet sich wegen des verstreuten Anfalles sehr schwierig. Würde das Ziel des UBA-CO2-Rechners erreicht, die energetische Nutzung von Holz einzuschränken, würde mehr Holz im Wald verrotten und das Weltklima belasten.
Ich verweise an dieser Stelle auf die Initiative „Bauhaus der Erde" von Prof. Schellnhuber, die beispielhaft aufzeigt, wie viele innovative Ideen und Möglichkeiten durch eine nachhaltige Nutzung von Holz und biobasierten Produkten es jenseits der Verbrennung von Holz gibt.
Die Holzbauinitiativen der Länder stellen eine äußerst sinnvolle Möglichkeit des Klimaschutzes dar. Aber dafür brauchen wir einen Holzeinschlag in der bisherigen Höhe. Wie verträgt sich die vom UBA geforderte verringerte Holzentnahme mit Schellnhubers "Bauhaus Erde"? Das UBA widerspricht sich hier selbst!
Bei genauem Hinhören stellt man fest, dass sich das Öko-Institut von dem bisher favorisierten CO2-Speichersaldo (Fehrenbach et al. 2022) langsam absetzt. Die Arbeit von Soimakallio et al. 2023 geht davon aus, dass bei nachhaltiger Waldbewirtschaftung der Holzvorrat abgesenkt wird und der Holzzuwachs sinkt. Das ist schon mathematisch falsch!
Zitierte Literatur:
- Wissenschaftlicher Beirat Waldpolitik (WBR) 2019: „Waldvision Deutschland" – Orientierung oder Irrweg für eine nachhaltige multifunktionale Forstwirtschaft?
- Europäisches Parlament, Rat der Europäischen Union (2018): Verordnung (EU) 2018/841 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 2018 über die Einbeziehung der Emissionen und des Abbaus von Treibhausgasen aus Landnutzung, Landnutzungsänderungen und Forstwirtschaft in den Rahmen für die Klima- und Energiepolitik bis 2030 und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 525/2013 und des Beschlusses Nr. 529/2013/EU.
- Fehrenbach, H.; Bischoff, M.; Böttcher, H.; Reise, J.; Hennenberg, K. J. (2021): The Missing Limb: Including Impacts of Biomass Extraction on Forest Carbon Stocks in GHG Balances of Wood Use.
- Soimakallio, S.; Böttcher, H.; Niemi, J.; Mosley, F.; Turunen, S.; Hennenberg, K.; Reise, J.; Fehrenbach, H. (2022): Closing an Open Balance: the Impact of Increased Roundwood Harvest on Forest Carbon.
- Vauhkonen 2023: Comments on Soimakallio et al. (2022) "Closing an open balance: The impact of increased tree harvest on forest carbon”.GCB Bioenergy. 2023;15:536–537
Prof. a. D. Roland Irslinger studierte
Forstwissenschaften, arbeitete als Professor für Ökologie an der
Hochschule für Forstwirtschaft in Rottenburg am Neckar, forschte in der
Mata Atlântica in Brasilien und war beratend tätig beim Aufbau des
WWF-Goldstandards zur Zertifizierung von Aufforstungsprojekten für den
Klimaschutz. Er ist Mitglied des Kuratoriums von forum Nachhaltig Wirtschaften.
Ergänzender Hinweis: Das Öko-Istitut hat inzwischen einigen Aussagen von Herrn Irslinger widersprochen, siehe hier.
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