Für eine „Neue Aufklärung“

Klartext von Ernst Ulrich von Weizsäcker

Die Scientists for Future sind ein Zusammenschluss von mehr als 26.800 Wissenschaftlern aller Disziplinen, die sich 2019 mit einer weit beachteten Stellungnahme hinter den Protestierenden des von Greta Thunberg initiierten globalen Klimastreiks versammelten und bekräftigten: „Die Anliegen der demonstrierenden jungen Menschen sind berechtigt". forum Nachhaltig Wirtschaften kooperiert mit den S4F, porträtiert einzelne Forscher aus dem Netzwerk und transportiert deren positiven Denkanstöße für die zukünftige Transformation.

Den Start macht Ernst Ulrich von Weizsäcker, den wir mit seinem Beitrag für eine „Neue Aufklärung" und einem Interview vorstellen.  
 
'Die ökologischen Auswirkungen des Mineralienabbaus sind lokal verheerend': Chuquicamata ist ein Kupfertagebau in der Atacama-Wüste im Norden Chiles und mit ca. 4.300 m Länge, 3.000 m Breite und 1.100 m Tiefe eines der größten von Menschen geschaffene Löcher der Erde. Chuquicamata ist einer der bedeutendsten Kupferproduzenten weltweit. Fotos März 2019 © Thorsten Klapsch
Beim Club of Rome plädieren wir für eine „Neue Aufklärung. Die Aufklärung der frühen Neuzeit war sehr gut für die damalige „Leere Welt" mit wenigen Menschen und unermesslich viel Natur. Sie schaffte die Ausbreitung sauberer Wissenschaft und funktionierender Technik, von der Dampfmaschine bis zur Molekularbiologie und dem Internet. Aber sie war auch arrogant und hat eine Zivilisation geschaffen, in der praktisch immer der Schnellste gewinnt – egal in welche Richtung er rennt und wieviel Natur er mit seinem Erfolg verschlingt…
Kein Problem in der Leeren Welt , aber mörderisch in der heutigen Vollen Welt

Die neue Aufklärung behält die Tugenden der alten: gute Empirie, transparente Methoden, Kausalitätsdenken. Aber sie muss deren Blindheit für die Schädigung des Planeten überwinden. 
Fortschritt muss deshalb nachhaltig sein. Der klassische Umweltschutz – Luftreinhaltung, Gewässerschutz, Abfallmanagement – war ein solcher Fortschritt. Aber er hat das Welt-Klima, den globalen Naturschutz und die Ressourcenknappheit vernachlässigt. Das Klima wurde damit destabilisiert und die Ausrottung von Tieren und Pflanzen nahm rasant zu. Die Ressourcenknappheit ist zwar noch nicht dramatisch, aber die ökologischen Auswirkungen des Mineralienabbaus sind lokal verheerend, und einzelne chemische Elemente könnten bald knapp werden, wie etwa Gallium, Germanium, Indium, Phosphor und sogar Lithium. Auf alle Fälle braucht es mehr Klimaschutz und große Schutzzonen für Pflanzen und Tiere.

Mit Verboten wie dem DDT-Verbot von 1972 hat man klassischen Umweltschutz ein Stück weit erfolgreich betrieben. Bei Klima, Artenschutz und Ressourcenknappheit ist das der falsche Weg. 
Hier sollte man sich darauf konzentrieren, die Vergeudung zu überwinden. So werden etwa Energie, Wasser, Mineralien und sogar Böden in gigantischem Umfang vergeudet, weil meistens ineffizient genutzt. Physikalisch-chemisch-technologisch wäre eine Verzwanzigfachung der Energie-, Wasser- und Ressourcenproduktivität vorstellbar. Bei Böden vielleicht eine Verdoppelung. Bei Mineralien kann es durch eine konsequente Kreislaufwirtschaft auch eine Verhundertfachung werden. Alles eine Frage des Preises. So werden zum Beispiel Gold und Platin kaum vergeudet. Selbst „verbrauchtes" Gold von Zahnplomben oder Platin und Palladium aus alten Auto-Katalysatoren werden gewinnbringend wiedergewonnen. Aber die meisten Metalle sind einfach noch zu billig dafür. Auch das Wasser kann durch Reinigung und Wiederverwendung zehnfach effizienter genutzt werden, etwa in der Landwirtschaft. Die Verwendung von Energie kann ebenfalls weiter optimiert werden. 

Nach dem Zweiten Hauptsatz der Thermodynamik wird Energie beim Gebrauch im Wesentlichen in Wärme verwandelt und damit größtenteils nutzlos oder sogar zum Problem. Aber wie das LED-Licht oder die Heizenergie im Passivhaus zeigen, kann die Energieeffizienz massiv gesteigert werden. 
Auf mittlere Sicht kann man somit eine Verfünffachung der Ressourcenproduktivität realistisch erreichen. Dann wäre ein hohes Wohlstandsniveau mit einer drastisch verringerten Belastung von Atmosphäre und Umwelt erreicht. Aber die politische Rahmensetzung tut viel zu wenig, um das Erreichen einer solchen Verbesserung zu unterstützen, also rentabel zu machen. Eigentlich sollten diejenigen Unternehmen florieren, die dem Klima und der Natur nicht schaden oder sogar nützen. Das wäre der Fall, wenn die Preise einigermaßen die ökologische Wahrheit sagen würden. 

Dann würden Zerstörung und Vergeudung unrentabel und Technologien siegreich, die mehr Wohlstand mit weniger Naturverbrauch ermöglichen. 
Diese ökologische Wahrheit soll man nicht auf Heller und Pfennig quantifizieren, denn das führt in unfruchtbare Akademikerstreitereien. Aber man muss dort, wo es keinen großen Streit mehr gibt, etwa beim Ausstoß von Treibhausgasen, sofort mit der künstlichen Verteuerung anfangen. Man kann klein anfangen und es damit wirtschafts- und sozialverträglich machen, aber langfristig festgelegte Steigerungsraten verbindlich festlegen. Das gedankliche Modell dazu ist das seit über hundert Jahren laufende ständige Anheben der Löhne im ungefähren Gleichschritt mit der Erhöhung der Arbeitsproduktivität. Das hat dazu geführt, dass Arbeitsproduktivität seit 1870 immer weiter um mehr als ein Zwanzigfaches anstieg. Doch heute sind nicht mehr der Produktionsfaktor Arbeit, sondern die Produktionsfaktoren Energie und Ressourcen schrecklich knapp, vor allem, wenn man die Schäden der übermäßigen Nutzung in Rechnung stellt. Deshalb muss man den technischen Fortschritt von der beinahe alleinigen Erhöhung der Arbeitsproduktivität schrittweise auf die Erhöhung der Ressourcen umlenken. Und das geht nicht ohne ein klares Preissignal, denn die Natur stellt uns (noch) keine Rechnung.

 Ernst Ulrich von Weizsäcker

Technik | Wissenschaft & Forschung, 11.05.2020

     
        
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