Grünes Jobwunder?
Irgendwas mit Umwelt studieren – Kein Problem!
Die Zahl der grünen Studiengänge wächst rasant an, viele von ihnen versprechen hervorragende Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Ist das nur ein Trend oder schafft Nachhaltigkeit wirklich Arbeitsplätze?
Erneuerbare Energien, das kennt ja jeder! Die grüne Elite von heute studiert „Nachhaltigkeitsgeographie und Regionalplanung" oder „Environmental Protection and Agricultural Food Production", kurz EnviroFood. Wer mit Landwirtschaft nichts anfangen kann, wählt zum Beispiel „Umweltmonitoring" oder „Umweltinformatik". Und zu dem sinnsuchenden Betriebswirtschaftler passt „Nachhaltiges Management". Das Angebot an solchen „grünen" Studiengängen jedweder Fachrichtung wächst seit einigen Jahren stark an. Über 400 verschiedene Möglichkeiten bieten sich heute den ökologisch interessierten Abiturienten – was ihnen ein solches Studium einmal bringt, kann Ihnen keiner sicher sagen. Dafür ist das ganze Feld der „grünen Wirtschaft", der „green economy" viel zu neu. Und trotzdem strömen sie zu den Veranstaltungen mit dem magischen Wort Nachhaltigkeit im Namen. Aus echtem Interesse, aus Idealismus oder auch aus Karrierekalkül.
„Ich wollte wissen, wie Energieprozesse funktionieren", erzählt Friederike Rautenberg, Masterstudentin in Stuttgart. „Und ich will dazu beitragen, von fossilen Energieträgern wegzukommen. Es gibt so viele Möglichkeiten, der erneuerbaren Energieversorgung, die aber viel zu wenig genutzt werden." Die 24-Jährige entschied sich deshalb für Umweltschutztechnik und damit für ein recht etabliertes Fach. Seit 36 Jahren gibt es den Studiengang schon in Deutschland, die noch spezifischere Umweltschutztechnik seit rund 20 Jahren. Aber während noch im Jahr 1995 gerade 225 Absolventen die Hochschulen verließen, machten 2012 schon 1451 Studenten ihren Abschluss. Im letzten Jahrhundert ließ sich mit dem hehren Wunsch, im Umweltschutz etwas zu bewegen, eben kein Geld verdienen. Die in Frage kommenden Organisationen hatten kein Geld und die vermögenden Unternehmen mit Natur nicht viel am Hut. Nachhaltigkeit, das war etwas für die Extremen, ein Nischenthema, nichts für die breite Masse. Heute ist sie Wahlkampfthema, Marketingstrategie und angeblich auch Jobmotor für eine ganze Branche. Rautenberg zumindest fühlt sich mit ihrem Schwerpunkt ‚Erneuerbare Energien’ gut auf den Arbeitsmarkt vorbereitet. „Ich glaube schon, dass wir recht gute Aussichten haben", lacht sie. „Wobei man das pauschal natürlich schlecht sagen kann, bei all den verschiedenen Spezialisierungen."
Fakt ist, für große Markenunternehmen ist ein grünes Image heute fast ein Muss. Schon 2011 gaben mehr als zwei Drittel der börsennotierten Unternehmen an, dass „Nachhaltigkeit einen hohen Stellenwert für die zukünftige Entwicklung" einnähme. Der Hauptgrund neben den offensichtlich schwindenden Ressourcen: Die Kunden wollen es so. Die Zahl der Menschen, die bereit sind, für das gute Gefühl, das ihnen Bio-Lebensmittel, nachhaltig produzierte Kleidung und grüner Strom bringen, auch mehr Geld auszugeben, steigt. Und im Bereich der Technologiebranche tun die deutsche Energiewende und die ambitionierten Ziele zur CO2-Reduktion ihr übriges, um Investitionen in Klima- und Umweltschutztechnik voranzutreiben.
Am besten vereinen lassen sich diese Wünsche im weiten Feld der Erneuerbaren Energien. An den Hochschulen sind diese Studiengänge die gefragtesten und auch in der Wirtschaft werden die meisten grünen Jobs in diesem Bereich angeboten. Zählt man klassische Elektrotechnikstudiengänge mit einem regenerativen Schwerpunkt dazu, kommt das neue staatlich geförderte Informationsportal „studygreenenergy" sogar auf 360 Angebote. Aber auch jenseits des Energiethemas ist für jeden etwas dabei. Wer im Hochschulkompass etwa nach dem Schlagwort „nachhaltig" oder „sustainable" sucht, bekommt 146 Treffer, „Naturschutz" liefert 55 und „Umweltschutz" 94 Angebote. Nimmt man alle Fächer zusammen, stehen den umweltinteressierten Studienanfängern wohl zwischen 400 und 500 grundständige und weiterführende Studienprogramme an verschiedenen Universitäten und Fachhochschulen zur Auswahl – je nachdem, wie eng man die Definition fasst, sogar noch mehr. Noch ist das natürlich ein Bruchteil, im Vergleich zu den gut 17.000 Studiengängen, die in der Suchmaschine anzeigt werden. Außergewöhnlich sind die hohe Zahl der neu entwickelten Angebote und das große Interesse, auf das sie treffen. Trotzdem fragen sich sowohl Studenten wie auch Arbeitgeber bei jedem neuen Studiengang: Ist auch das drin, was drauf steht? Oder ist es nur ein altes Konzept mit grünem Anstrich.
„Man muss das schon kritisch sehen", glaubt Krischan Ostenrath vom Wissenschaftsladen Bonn e. V. (WiLA). „Die Unis kämpfen ja heute um Studenten." Dementsprechend ist es kein Wunder, dass immer mehr Studiengänge den Nachhaltigkeitsgedanken in den Titel mit hineinnehmen, „weil grün ja im Moment bekanntlich sexy ist", so der Wissenschaftler. Einzelne Veranstaltungen oder Module zum Thema sind häufig überlaufen und gerade junge Frauen scheint das Öko-Element mehr in klassisch männlich dominierte Ingenieursstudiengänge zu ziehen.
Da liegt die Vermutung nahe, dass womöglich an manchen Studiengängen außer dem Namen und vielleicht zwei zusätzlichen Modulen nichts geändert wurde. „Das gibt es in Einzelfällen, aber das ist ganz sicher nicht die Mehrheit", glaubt Ostenrath. „Ich denke, die meisten Universitäten verstehen sich da eher als intellektuelle Vorreiter."
In jedem Fall hat der akademische Sektor sehr schnell auf die Nachhaltigkeitsdebatte reagiert, zum Teil sogar schneller, als manche Unternehmen. Dieser Aktivismus liegt vermutlich nicht zuletzt an den Vereinten Nationen, die die Jahre 2004 bis 2014 zur UN-Dekade „Bildung für nachhaltige Entwicklung" ausgerufen hatten. Entsprechend hoch war die mögliche staatliche Förderung für derartige Projekte. Ob das akademische Engagement die Situation auf dem Arbeitsmarkt spiegelt, ist damit noch nicht gesagt. So ist zum Beispiel relativ eingängig, dass für die deutsche Energiewende Ingenieure gebraucht werden, die sich mit Windrädern und Solarzellen auskennen. Schließlich, ginge es nach der Bundesregierung, sollen die Erneuerbaren bis 2050 einen Anteil von 80 Prozent der gesamten Stromversorgung ausmachen. Aber auch jenseits von Windenergie und Photovoltaik gibt es ausreichend Angebote mit zum Teil recht exotischen Namen und Beschreibungen, deren Zukunftsaussichten nicht ganz so klar sind.
Etwa „Environmental Sciences", EnviroScience, an der Universität Hohenheim. Auf dem Gelände des alten Schlosses, das heute die landwirtschaftlich geprägte Uni beherbergt, und den umliegenden Feldern wirkt die Forschung an Umwelt und Nachhaltigkeit weniger schick und trendy als vielmehr selbstverständlich. Philipp Klöckner ist hier Masterstudent im zweiten Semester und hat seinen Schwerpunt auf Bodenressourcen und -Analyse gelegt – aus Interesse an der Thematik. „Ich hab noch von keinem meiner Kommilitonen gehört, dass das Geld eine große Rolle bei der Studienwahl gespielt hat", sagt Klöckner. „Und da sind wir uns alle hier irgendwie ähnlich. Wir sind jetzt keine Hippies, aber irgendwo schon Idealisten." Sorgen um die Zukunft macht sich der 24-Jährige nicht. Dank der großen Bandbreite und der internationalen Ausrichtung des Studiums hat er viele Möglichkeiten, unter zu kommen: in Umweltbehörden, in einem Ingenieursbüro, aber auch bei großen Unternehmen. Keine schlechten Aussichten also, doch der große Wachstumsmarkt ist hier nicht in Sicht.
Der liegt, auch wenn es um Umwelt und Naturschutz geht, eher in der Technologiebranche. Den Zahlen nach zu urteilen, die der „Umwelttechnologie-Atlas für Deutschland „GreenTech 3.0" präsentiert, lässt sich besonders in den Bereichen Energieeffizienz und -speicherung, nachhaltige Mobilität und nachhaltige Wasserwirtschaft gutes Geld verdienen. Zwischen 2007 und 2010 hat der Markt für Umwelttechnik und Ressourceneffizienz im Schnitt jedes Jahr um zwölf Prozent zugelegt und hat einen Anteil von 11 Prozent am Bruttoinlandsprodukt. Für die nächsten fünf Jahre versprechen die Autoren der Beratungsfirma Roland Berger immer noch 10,6 Prozent. Und mehr Umsatz heißt in diesem Szenario auch mehr Arbeitsplätze: Die Mitarbeiterzahl lag 2011 bei 1,4 Millionen und soll jährlich um 8,4 Prozent wachsen. Bis 2025 verspricht die Beraterfirma sogar eine Million zusätzliche Jobs allein im Bereich Umwelttechnik. Harte Fakten für diese positiven Prognosen fehlen allerdings.
Krischan Ostenrath vom Wissenschaftsladen teilt zwar prinzipiell die positive Einschätzung des GreenTech-Atlas, rät aber dazu, solchen Prognosen immer mit einer gesunden Skepsis zu begegnen. Denn gemessen an der öffentlichen Aufmerksamkeit ist die Datenlage zur grünen Wirtschaft überraschend dünn. „Von offizieller Seite ist das Thema total verpennt worden", klagt Ostenrath, der beim WiLA für die Publikation „Arbeitsmarkt Umweltschutz und Naturschutz" verantwortlich ist, die jede Woche aktuelle Stellenausschreibungen aus diesem Bereich zusammenfast. „Wir haben im Moment mindestens zwei Millionen Beschäftigte in nachhaltig ausgerichteten Berufen, eher deutlich mehr. Aber wo und wie die genau arbeiten, das kann Ihnen keiner sagen." Nur die Erneuerbaren Energien sind halbwegs gut erfasst. Hier zählte das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit im Jahr 2012 eine Bruttobeschäftigung von knapp 370.000 Personen. Und der Rest? Die schlechte Erfassung ist zum Teil durch Definitionsschwierigkeiten begründet: Ab wann ist ein Job eigentlich „grün"? Wer etwa bei einem Automobilkonzern die Effizienz der Motoren steigert, arbeitet prinzipiell ressourcenschonend. In die Liste des WiLa würde seine Stelle dennoch nicht eingehen, in die Statistik des Konzerns womöglich schon. Eine einheitliche Linie zu finden, fällt da schwer.
Das zweite Problem sind die großen Unterschiede innerhalb des weiten Feldes. Nur weil etwa die Energieeffizienz boomt, gilt das nicht zwangsläufig auch für die nachhaltige Landwirtschaft. „Wenn man sich all die unterschiedlichen Bereiche ansieht, merkt man schnell, dass man in der Summe gar nichts feststellen kann", so Ostenrath.
Extrem wichtig für die Joblage sind auch die Entscheidungen der Politik: Was wird subventioniert, was noch strenger geregelt? Während die erneuerbaren Energien bisher als Klassenprimus galten und sich die Beschäftigten zwischen 2004 und 2011 mehr als verdoppelten, fallen die Zahlen seither wieder ab. Insbesondere die Solarbranche leidet unter starker ausländischer Konkurrenz und Insolvenzen. Planungssicherheit sieht anders aus. Experten gehen zwar davon aus, dass diese Schwäche nicht anhalten wird. Doch die Schwankungen zeigen: Unangreifbar ist die grüne Industrie nicht.
Das merkt auch Dennis Jung. Der 24-Jährige studiert „Nachwachsende Rohstoffe und Bioenergie" an der Universität Hohenheim und hantiert im Labor zum Beispiel mit Pflanzenabfällen und Vorformen von Biodiesel. Doch diese Form der erneuerbaren Energie ist nicht unumstritten. Der übermäßige Anbau von Raps und Mais zur Energiegewinnung kann die Biodiversität gefährden und steht in Konkurrenz zu lebensnotwendigen Nahrungsmitteln wie Getreide. Deshalb gilt heute nur noch die sekundäre Nutzung, also die Energiegewinnung aus biologischen Abfällen als akzeptabel. „Von manchen wird die Bioenergie schon für tot erklärt", erzählt der Student. Trotzdem lernte er in den letzten vier Jahren alles über nachhaltige Energiepflanzenproduktion, hörte Vorlesungen zu den Grundlagen der Ökobilanzierung und beschäftigte sich mit dem Management eines Bioenergieunternehmens. Das Interesse sei da und was nach dem Master kommt, werde sich zeigen, so der Student. „Eigentlich sind bisher auch alle, die ich kenne, gut untergekommen", erzählt er. Doch ein Jobgarant ist das Studium für ihn nicht. „Das wird von der Politik gefordert und gefördert, aber es ist schon eine gewisse Unsicherheit da, ob das, was wir hier machen, in der Wirtschaft überhaupt so gebraucht wird. Und das ist ein bisschen desillusionierend."
Also stimmt sie nun, die Geschichte vom grünen Jobwunder? Nur zum Teil, urteilen die meisten Experten. Allein das Wort Nachhaltigkeit auf dem Zeugnis verschafft einem auf jeden Fall nicht zwangsläufig einen sicheren Arbeitsplatz „Wer die Phrase ‚Nachhaltigkeit ist ein Jobmotor’ absolut nimmt, der beweist zunächst mal, dass er noch nicht ganz verstanden hat, was sich hinter diesen Termini eigentlich verbirgt", so Krischan Ostenrath aus Bonn. „In der grünen Technologiebranche stimmt das, da können wir ein Häkchen setzen. Aber in vielen anderen Bereichen passiert seit Jahren gar nichts!" Dazu zähle zum Beispiel die Wissenschaft. Obwohl hier die Grundlagen gelegt werden müssten, entständen an Universitäten kaum neue, nachhaltige Stellen, sagt Ostenrath.
Auch die Vorstellung, dass in der Wirtschaft Unmengen von explizit grünen Stellen nur darauf warten, besetzt zu werden, sei falsch, sagt die Dozentin Estelle Herlyn von der FOM Hochschule für Ökonomie und Management. Die Nachhaltigkeitsabteilungen in den großen Firmen sind noch relativ klein und die hoch angesehenen Stellen hart umkämpft. Aber dafür entstehen gerade im Dienstleistungssektor ganz neue Geschäftsmodelle. Es werden zum Beispiel zunehmend Berater gebraucht, die sich auf Klima- oder Umweltschutz spezialisiert haben und den Unternehmen dabei helfen, bestehende Richtlinien umzusetzen oder entsprechende Abteilungen aufzubauen. Ein sehr großes und stark wachsendes Feld ist die Zertifizierungsbranche. Darunter fallen der Handel mit Emissionszertifikaten, Ökobilanzen und Nachhaltigkeitsberichte. Denn seit diesem Jahr verpflichtet die EU jedes Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern dazu, einen CSR-Report zu erstellen. CSR steht für Corporate Social Responsibility und deckt die ökologische, die ökonomische und die soziale Säule der Nachhaltigkeit ab. „Das übt dann schon einen gewissen Druck aus, denn ein leerer Report macht einen schlechten Eindruck beim Kunden", erklärt Herlyn. Außerdem werde das Thema für alle Berufe wichtiger werden. Gerade in sehr breit angelegten Fächern wie Geographie, oder Stadtplanung können Bewerber mit Wissen über Nachhaltigkeit punkten. „Nachhaltigkeit steht nie daneben, sondern muss in alle Themen hineingetragen werden," betont die Dozentin. „Und da tut sich viel, vor allem in den großen Firmen." Es gibt also durchaus einen sehr lebhaften grünen Jobmarkt, „Aber wer nur in Jobbörsen nach dem Schlagwort Nachhaltigkeit sucht, wird noch nicht so viele finden."
Das kann Oliver Adria bestätigen. Er betreibt seit einigen Jahren die Plattform „nachhaltigejobs.de", die sich auf Stellen in nachhaltig ausgerichteten Unternehmen oder auf konkrete Aufgaben im Umweltschutz und im CSR-Bereich konzentriert. Dass er mit dem Bereich der grünen Technik den umsatzstärksten Markt ausschließt, zeigt sich an der Zahl der Inserate. Mehr als 30 Stellenanzeigen im Monat kommen nur selten zusammen – auf deutlich mehr Jobsuchende. „Es gibt wirklich viele Leute, die diese Arbeit machen wollen", berichtet der ehemalige Nachhaltigkeitsberater. „Im Extremfall haben wir 500 Bewerber auf eine Stelle." Bei der zweiten großen Umwelt-Jobbörse „greenjobs.de" sieht das Verhältnis besser aus. „Wir haben ein sehr gesundes Verhältnis zwischen Angeboten und Suchenden", erzählt Geschäftsführer Jan Strohschein. Auf seiner Plattform kommen im Moment noch mehr als die Hälfte aller Stellenanzeigen aus dem Bereich Erneuerbare Energien, auch wenn die Gesamtzahl in den letzten beiden Jahren zurückging. Sehr stabil sei dagegen der Bereich der Umweltverwaltung. „Verbände und Behörden suchen sehr regelmäßig bei uns. Wer sich das vorstellen kann, muss sich auf jeden Fall keine Sorgen machen, auch wenn diese Stellen oft befristet sind." Und wer es spannender haben will, dem empfiehlt Strohschein, es in einem StartUp-Unternehmen zu versuchen. „Da passiert gerade wahnsinnig viel, gerade im Technologiebereich!" Und die Frage nach dem Geld? Oliver Adria lächelt und zuckt mit den Schultern. „Es kommt natürlich darauf an, wo man arbeitet. Bei uns inserieren viele kleinere Firmen oder NGOs, da gibt es eben keine Spitzengehälter. Aber man kann mit Nachhaltigkeit Geld verdienen!"
Jonas Rohloff studiert im Master „Nachhaltige elektrische Energieversorgung" an der Universität Stuttgart und muss sich vermutlich keine Sorgen um seine berufliche Zukunft machen. Dass sein Schwerpunkt, die Windenergie, langfristig mit Einbrüchen rechnen muss, glaubt er nicht. Allerdings fände er es durchaus sinnvoll, gesellschaftliche und rechtliche Umstände wie die Veränderungen im Erneuerbare-Energien-Gesetz auch im Studium zu behandeln: „Auf aktuelle Entwicklungen oder gesellschaftliche Aspekte wird nur sehr wenig eingegangen. Das muss man sich außerhalb der Uni aneignen", sagt der Masterstudent, der sich zum Beispiel in dem Verein Youth Future Project engagiert und auch dort mit dem Thema Nachhaltigkeit beschäftigt. „Ich finde, auch Ingenieure sollten manche Dinge hinterfragen können. Schließlich hat die Energiewende auch eine gesellschaftliche Dimension." Aber nicht alle seiner Kommilitonen teilen diese Ansicht. „Manche sind nur fasziniert von der Technik und ihnen ist im Grunde egal, wo ihre Arbeit später eingesetzt wird," erzählt Rohloff. „Aber gerade das ist doch das Spannende. Ich will auf jeden Fall das große Ganze im Blick haben."
Diesen Sinn für dieses „große Ganze" vermisst auch Georg Müller-Christ von der Universität Bremen. Der Professor für nachhaltiges Management hält nicht viel von den großen Reden über die aufstrebende grüne Wirtschaft. Er bestreitet zwar nicht, dass es einen Markt für Umweltschutzgüter und -technik gibt, doch er bezweifelt, dass der so grün ist, wie er gerne wäre. „In der Industrie geht es momentan in erster Linie um die Effizienzfrage", so der Wirtschaftswissenschaftler. In der Tat liegt die Energieeffizienz laut dem Greentech-Atlas 3.0 an der Spitze der sogenannten grünen Leitmärkte. Doch für Müller-Christ hat diese Situation mit einer nachhaltigen Wirtschaft nichts zu tun. „Wir suchen immer mehr technologiegestützte Lösungen, um pro Produkt weniger Ressourcen zu verbrauchen. Aber insgesamt wird immer noch mehr produziert, sodass wir die vorhandenen Rohstoffe einfach nur langsamer abbauen. Damit laufen wir in ein riesiges Dilemma. Denn Nachhaltigkeit sollte eigentlich Ressourcen regenerieren."
Was die Firmen momentan tun, ist nach der Einschätzung des Bremer Hochschullehrers nur wirtschaftliches Handeln, kein wirkliches Umdenken: Energieeffizienz bringt schließlich schnell mehr Geld. „Ich glaube, die meisten Unternehmer sehen das Problem", räumt Müller-Christ ein. „Nur bewegt sich noch keiner. Es läuft schließlich alles gut für sie." Das große Interesse der heutigen Studentengeneration an Umweltschutz und Nachhaltigkeit ist ein Anfang. Auch wenn der Arbeitsmarkt hier und da noch nachziehen muss, ist der Wandel hin zu einer wirklichen „Green Economy" unumgänglich. Und die lebt von gut ausgebildeten Fachkräften, im technischen wie im ökologischen Bereich. Der Bremer Professor hat die Hoffnung jedenfalls noch nicht aufgegeben. „Ich bin da schon optimistisch. Es brennen viele kleine Feuer, durch die wirkliche Nachhaltigkeit entsteht. Es muss nur noch eine kritische Masse erreicht werden." So gesehen läuft der grüne Jobmotor gerade erst an.
„Green Economy"
Das globale Wirtschaftssystem muss nachhaltiger werden: Es darf nicht mehr ungehemmt Ressourcen verbrauchen, sollte möglichst wenig CO2 ausstoßen und sich an strenge Umweltschutzrichtlinien halten. Dieser Ansatz einer „Green Economy" wurde anderem von der United Nations Environment Programm (UNEP) erarbeitet. Das Ziel ist es, eine Ökonomie zu gestalten, in der wirtschaftliches Wachstum, soziale Verantwortung und ökologische Belange gleichermaßen angestrebt und beachtet werden. Eine Säule dieses Konzepts ist eine starke und innovationsorientierte Umwelttechnikbranche, die andere bilden Unternehmen aus anderen Zweigen, die eine umfassende Nachhaltigkeitsstrategie verfolgen.
Gesellschaft | Bildung, 01.10.2014
Dieser Artikel ist in forum Nachhaltig Wirtschaften 04/2014 - Green Tech als Retter der Erde erschienen.
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