Per pedes, per Rad
Politiker sollten bei ihren Geschäftsreisen als Vorbild voran"gehen"
Welche Anreize können von politischer Seite für nachhaltiges Reisemanagement geschaffen werden? Als tourismuspolitischer Sprecher der Bundestagfraktion Bündnis 90/ Die Grünen liegt Markus Tressel die Verkehrs- und Mobilitätspolitik besonders am Herzen - die Ausreden der Bundesregierung lässt er nicht gelten.
Deutschland ist als Geschäftsreiseziel die Nummer eins in Europa. Rund 84 Millionen Geschäftsreisen mit Übernachtung in und nach Deutschland wurden 2010 registriert; mit 66 Milliarden Euro ein bedeutender Wirtschaftsfaktor im Deutschlandtourismus. Auch der Messe- und Kongresstourismus ist nicht mehr wegzudenken. Die Tagungsstandorte profitieren hier von äußerst hohen Tagesumsätzen. Die Investitionen bei Geschäftsreisen mit Übernachtung liegen deutlich höher als bei Privatreisen. Nachteilig wirkt sich jedoch der große ökologische Fußabdruck aus. Dieser ist auch vom kurzen Zeitraum zwischen An- und Abreise abhängig und macht einen Großteil der Emissionen aus.
Deshalb ist es wichtig, sich vor Beginn der Reise Gedanken zu machen, wie das Klima geschont und Umweltbelastungen minimiert werden können. Als Grüne setzen wir bei unseren Klausurtagungen und vielen anderen Events nicht nur auf eine ökologische Anreise und nachhaltige Unterkunft. Wir setzen auch auf biologische und regionale Verpflegung. Nicht ausschließlich Verzicht, sondern intelligente Lösungen sind gefragt.
Dass Ökologie und Ökonomie in der Reisebranche Win-win-Situationen erzielen können, steht fest. Geschäftsreisen können dabei wichtige Impulse setzen. Denn immer mehr Unternehmen legen Wert auf Klimaneutralität. Hoteliers und Dienstleister haben die veränderte Nachfrage bereits wahrgenommen und stellen ihre Produkte auf sensibilisierte Reisende um. Auch monetäre Vorteile machen sich erstmalig in der Betriebskostenrechnung bemerkbar.
Intelligente Mobilitätskonzepte
Wie aber mit dem Gros der Emissionen, die durch die Mobilität entstehen, umgehen? Eine Variante sind virtuelle Meetings. Mir fallen dabei immer unsere Ausschusssitzungen ein. Das Bild der Ministerialbeamten, die eigens dafür aus Bonn nach Berlin reisen, sollte der Vergangenheit angehören. Ein Statement kann ebenso gut per Video vorgetragen werden. In anderen Geschäftszweigen ist der direkte Face-to-Face-Kontakt jedoch oft nicht zu ersetzen. Hier versprechen v.a. intelligente Mobilitätskonzepte große Potenziale. Dabei ist nicht nur ein optimales Zusammenspiel von Flugzeug, Bahn, Bus, Rad und per pedes gefragt (die rail-and-fly-Angebote oder auch die Pedelecs der Bahn machen es vor). Auch ist der Wettbewerb untereinander entscheidend.
Das Flugzeug ist dabei nicht immer die schnellste Wahl. Trotzdem wird der Luftverkehr in Deutschland massiv gefördert. Die Bundesregierung steht hier in der Pflicht, gleiche Voraussetzungen und eine angemessene Förderung neuer, intelligenter und v.a. ressourcenschonender Mobilitätsformen zu schaffen.
Dass sie das bisher nicht tut, zeigt ein Praxisbeispiel im Bereich Elektromobilität: Die Trendsetter im Automobilbereich sind die großen Flottenbetreiber, d.h. Unternehmen mit zahlreichen Firmenfahrzeugen. Sie setzen als Großabnehmer die Maßstäbe für die Entwicklung bei Automobilkonzernen. Möchte ein solches Unternehmen seinen Mitarbeitern z.B. Elektrofahrzeuge als Dienstwagen anbieten, stößt es auf ein simples Problem: Durch den höheren Listenpreis, der vom Mitarbeiter letztlich als geldwerter Vorteil versteuert werden muss, entsteht diesem ein signifikanter, ökonomischer Nachteil, wenn er bei der Auswahl eines Dienstwagens auf ein Elektroauto setzt.
Flugverkehrsabgabe ökologisieren
Stattdessen genießt der Luftverkehr in Deutschland nach wie vor vielfache Privilegien: Er zahlt keine Mineralöl- bzw. Kerosinsteuer, Auslandsflüge sind mehrwertsteuerfrei. Das sind rund 11,5 Milliarden Euro Subventionen pro Jahr. Vor diesem Hintergrund relativiert sich auch das öffentliche Wehklagen der Luftverkehrsindustrie über die so genannte Ticketabgabe. Mit der avisierten eine Milliarde Euro pro Jahr kommt die Branche gut weg. Doch die Einführung einer Flugticketabgabe ist lediglich ein erster Schritt, eine Weiterentwicklung der Abgabe nach ökologischen Kriterien dringend notwendig. Die Staffelung nach Streckenlänge stellt dabei nur einen kleinen Teil dar. Ein zusätzlicher Aufschlag bei Business Class und First Class fördern zudem soziale Gerechtigkeit. Um Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden, sollte auf eine europäische Lösung gesetzt werden.
Bundestag streicht Kompensationen!
Dass es der Bundesregierung bei der Flugverkehrsabgabe nicht um ökologische Zwecke ging, sondern darum, die Defizite im Haushalt zu stopfen, sieht man auch bei der Kompensation von CO2-Emissionen. Wir Grüne haben jahrelang darauf gedrängt, den unvermeidbaren CO2-Ausstoß von Dienstreisen des Bundestages zu kompensieren. Als erste Fraktion im Deutschen Bundestag haben die Grünen die von ihnen beauftragten Dienstreisen bei atmosfair e.V. durch Zahlungen für Klimaschutzprojekte kompensiert. Nachdem die Bundesregierung und später auch der Bundestag - aufgrund des Widerstands von FDP und CDU/CSU äußerst widerwillig - diesem Vorbild folgte, strich die schwarz-gelbe Regierung bei den Haushaltsverhandlungen 2011 diese Kompensation im Haushalt zusammen. Es werden nur noch die begonnenen und vertraglich vereinbarten Projekte abgewickelt. Für die Jahre 2010, 2011 gibt es keine Kompensation für den Bundestag und danach weder für Bundestag noch Bundesregierung! Ein zentrales, vorbildhaftes Projekt des Bundestages in Sachen Klimaschutz ist kurz nach dem Projektstart 2010 also wieder beendet. Dies wird der Verantwortung der Politik für Klimaschutz in der Öffentlichkeit nicht gerecht. Wir meinen: Bundesregierung und Bundestag haben eine besondere Vorbildfunktion mit Blick auf ein klimafreundliches Mobilitätsverhalten!
Wichtig ist, dass es gelingt, eine ökologische Sensibilität in der Breite zu erzeugen. Neben einer Vorreiterrolle der Bundesregierung sind weitere Maßnahmen gefragt. Unsere Vorstellung ist ein Energieausweis wie bei Autos oder Kühlschränken. atmosfair hatte mit dem "Airline-Index" einen ersten Schritt in diese Richtung vorgenommen.
Abgeordnete auf's Fahrrad!
Während der Sitzungswochen sind viele Fahrten innerhalb Berlins notwendig. Den Abgeordneten steht dafür die Fahrbereitschaft des Deutschen Bundestages zur Verfügung. Da sich viele Wege auf die Mitte Berlins beschränken, verzichtet ein Großteil der Fraktionskollegen darauf. Stattdessen kristallisieren sich neben öffentlichen Verkehrsmitteln zwei Trends heraus: Radfahren und zu Fuß gehen. Ich lege den fast zwei Kilometer langen Weg von meiner Wohnung zum Bundestag fast täglich zu Fuß zurück. Das ist gut für die Gesundheit und spart Emissionen! Nutzt man die Fahrbereitschaft dennoch, so muss es ja nicht immer eine Oberklasselimousine sein. Reicht nicht auch ein Elektrosmart oder ein anderer Kleinwagen mit Vorbildcharakter? Eben nicht zwingend Verzicht, sondern eine intelligente Lösung.
"Es muss nicht immer eine Oberklassenlimousine sein". Der grüne Abgeordnete Markus Tressel radelt zu seinem Wahlkreisbüro in Saarbrücken. |
Deshalb ist es wichtig, sich vor Beginn der Reise Gedanken zu machen, wie das Klima geschont und Umweltbelastungen minimiert werden können. Als Grüne setzen wir bei unseren Klausurtagungen und vielen anderen Events nicht nur auf eine ökologische Anreise und nachhaltige Unterkunft. Wir setzen auch auf biologische und regionale Verpflegung. Nicht ausschließlich Verzicht, sondern intelligente Lösungen sind gefragt.
Dass Ökologie und Ökonomie in der Reisebranche Win-win-Situationen erzielen können, steht fest. Geschäftsreisen können dabei wichtige Impulse setzen. Denn immer mehr Unternehmen legen Wert auf Klimaneutralität. Hoteliers und Dienstleister haben die veränderte Nachfrage bereits wahrgenommen und stellen ihre Produkte auf sensibilisierte Reisende um. Auch monetäre Vorteile machen sich erstmalig in der Betriebskostenrechnung bemerkbar.
Intelligente Mobilitätskonzepte
Wie aber mit dem Gros der Emissionen, die durch die Mobilität entstehen, umgehen? Eine Variante sind virtuelle Meetings. Mir fallen dabei immer unsere Ausschusssitzungen ein. Das Bild der Ministerialbeamten, die eigens dafür aus Bonn nach Berlin reisen, sollte der Vergangenheit angehören. Ein Statement kann ebenso gut per Video vorgetragen werden. In anderen Geschäftszweigen ist der direkte Face-to-Face-Kontakt jedoch oft nicht zu ersetzen. Hier versprechen v.a. intelligente Mobilitätskonzepte große Potenziale. Dabei ist nicht nur ein optimales Zusammenspiel von Flugzeug, Bahn, Bus, Rad und per pedes gefragt (die rail-and-fly-Angebote oder auch die Pedelecs der Bahn machen es vor). Auch ist der Wettbewerb untereinander entscheidend.
Das Flugzeug ist dabei nicht immer die schnellste Wahl. Trotzdem wird der Luftverkehr in Deutschland massiv gefördert. Die Bundesregierung steht hier in der Pflicht, gleiche Voraussetzungen und eine angemessene Förderung neuer, intelligenter und v.a. ressourcenschonender Mobilitätsformen zu schaffen.
Dass sie das bisher nicht tut, zeigt ein Praxisbeispiel im Bereich Elektromobilität: Die Trendsetter im Automobilbereich sind die großen Flottenbetreiber, d.h. Unternehmen mit zahlreichen Firmenfahrzeugen. Sie setzen als Großabnehmer die Maßstäbe für die Entwicklung bei Automobilkonzernen. Möchte ein solches Unternehmen seinen Mitarbeitern z.B. Elektrofahrzeuge als Dienstwagen anbieten, stößt es auf ein simples Problem: Durch den höheren Listenpreis, der vom Mitarbeiter letztlich als geldwerter Vorteil versteuert werden muss, entsteht diesem ein signifikanter, ökonomischer Nachteil, wenn er bei der Auswahl eines Dienstwagens auf ein Elektroauto setzt.
Flugverkehrsabgabe ökologisieren
Stattdessen genießt der Luftverkehr in Deutschland nach wie vor vielfache Privilegien: Er zahlt keine Mineralöl- bzw. Kerosinsteuer, Auslandsflüge sind mehrwertsteuerfrei. Das sind rund 11,5 Milliarden Euro Subventionen pro Jahr. Vor diesem Hintergrund relativiert sich auch das öffentliche Wehklagen der Luftverkehrsindustrie über die so genannte Ticketabgabe. Mit der avisierten eine Milliarde Euro pro Jahr kommt die Branche gut weg. Doch die Einführung einer Flugticketabgabe ist lediglich ein erster Schritt, eine Weiterentwicklung der Abgabe nach ökologischen Kriterien dringend notwendig. Die Staffelung nach Streckenlänge stellt dabei nur einen kleinen Teil dar. Ein zusätzlicher Aufschlag bei Business Class und First Class fördern zudem soziale Gerechtigkeit. Um Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden, sollte auf eine europäische Lösung gesetzt werden.
Bundestag streicht Kompensationen!
Dass es der Bundesregierung bei der Flugverkehrsabgabe nicht um ökologische Zwecke ging, sondern darum, die Defizite im Haushalt zu stopfen, sieht man auch bei der Kompensation von CO2-Emissionen. Wir Grüne haben jahrelang darauf gedrängt, den unvermeidbaren CO2-Ausstoß von Dienstreisen des Bundestages zu kompensieren. Als erste Fraktion im Deutschen Bundestag haben die Grünen die von ihnen beauftragten Dienstreisen bei atmosfair e.V. durch Zahlungen für Klimaschutzprojekte kompensiert. Nachdem die Bundesregierung und später auch der Bundestag - aufgrund des Widerstands von FDP und CDU/CSU äußerst widerwillig - diesem Vorbild folgte, strich die schwarz-gelbe Regierung bei den Haushaltsverhandlungen 2011 diese Kompensation im Haushalt zusammen. Es werden nur noch die begonnenen und vertraglich vereinbarten Projekte abgewickelt. Für die Jahre 2010, 2011 gibt es keine Kompensation für den Bundestag und danach weder für Bundestag noch Bundesregierung! Ein zentrales, vorbildhaftes Projekt des Bundestages in Sachen Klimaschutz ist kurz nach dem Projektstart 2010 also wieder beendet. Dies wird der Verantwortung der Politik für Klimaschutz in der Öffentlichkeit nicht gerecht. Wir meinen: Bundesregierung und Bundestag haben eine besondere Vorbildfunktion mit Blick auf ein klimafreundliches Mobilitätsverhalten!
Wichtig ist, dass es gelingt, eine ökologische Sensibilität in der Breite zu erzeugen. Neben einer Vorreiterrolle der Bundesregierung sind weitere Maßnahmen gefragt. Unsere Vorstellung ist ein Energieausweis wie bei Autos oder Kühlschränken. atmosfair hatte mit dem "Airline-Index" einen ersten Schritt in diese Richtung vorgenommen.
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Von Markus Tressel
Im Profil Markus Tressel ist tourismuspolitischer Sprecher der Grünen und saarländischer Abgeordneter im Deutschen Bundestag. markus.tressel.ma02@bundestag.de |
Quelle:
Technik | Mobilität & Transport, 08.11.2011
Dieser Artikel ist in forum Nachhaltig Wirtschaften 04/2011 - Stadt der Zukunft erschienen.
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