„Die Kunst ist, sich zu trauen“
Mut zur Freiheit

It´s just a perfect day …
Hier wird heute kein normaler Business-Workshop stattfinden, sondern ein Arbeitstag von Hans Reitz und seinem Team von circ und dem Grameen Creative Lab. Eine Woche lang diskutieren sie in der selbst errichteten Zeltstadt unter dem Motto „Wo geht´s hin? Wie geht´s weiter?" die Zukunft von Unternehmen und Gesellschaft. Geschlafen wird in Zelten, gegessen an bunten Tischen, die vor dem Zirkuszelt stehen. Der Kaffee stammt von der hauseigenen Kaffee-Plantage in Kerala (Indien), der fair gehandelt in Wiesbaden und Frankfurt im Café-Franchise perfect day, das Reitz gemein- sam mit seinem Partner Dominique Dauster führt, angeboten wird. Damit der Geist der kreativen Truppe zu Höchstleistungen beflügelt wird, gibt es feinstes Bio-Essen und nach getaner Arbeit findet man sich am Lagerfeuer zusammen. Hier wird spielerisch, aber hochkonzentriert an der Zukunft gearbeitet.
Der „circ" – eine Brutstätte von Innovationen
Der circ, wie die von Reitz 1994 gegründete Kreativagentur von Kunden, Mitarbeitern und Freunden des Hauses genannt wird, ist eine Brutstätte von Innovationen: Hier erarbeiten Menschen mit unterschied- lichen fachlichen Hintergründen Konzepte für die Livekommunikation großer Unternehmen wie BMW, Merck, E.ON, Bahlsen und der Deutschen Post; sie organisieren Events, Führungskräftetagungen und Workshops, die nicht der Norm entsprechen. Probleme der Wirtschaftswelt löst man hier anhand unorthodoxer Fragestellungen und mit Blick auf die jeweiligen Kundenbedürfnisse. Statt langweiliger Power-Point-Präsentationen entwickelt man spielerisch Tafelbilder, die die Welt des Business von morgen veranschaulichen. Die Bedürfnisse der Kunden werden analysiert, es wird experimentiert, getestet, kritisiert, Neues erdacht, Ideen überarbeitet, Prototypen entwickelt, wieder verworfen, neu gebaut. Kreatives Chaos ist hier Programm – und der Mann, der dahinter steht, ist der Querdenker Hans Reitz, dessen Werdegang sich liest wie ein Abenteuerroman. Doch dazu später …
Scheitern ist das beste Lernen

Leadership mit Mut zur Freiheit

Kreativität hilft, Gesellschaft zu gestalten

Widerstand mit besseren Lösungen
Es war die Zeit der großen Revolutionen, des Umwelt- und sozialen Bewusstseins, die ihn prägten, und so protestierte er erbittert gegen die Zerstörung des Altmühltals durch die Erweiterung des Rhein-Main-Donau-Kanals. Um die Wiederaufarbeitungsanlage in Wackersdorf entzündeten sich heftige Kämpfe und die Demonstrationen gegen den geplanten Atomkoloss erreichten bürgerkriegsähnliche Zustände. Reitz gründete die Umweltschutzgruppe Abensberg, denn auch er wollte Widerstand leisten gegen die seiner Ansicht nach zerstörerische Gesellschaft, die rücksichtslos Ressourcen aufbraucht und die Umwelt schädigt. Heute geht er noch einen Schritt weiter. „Ich möchte nicht mehr nur Widerstand leisten, sondern an neuen, besseren Lösungen mitarbeiten." Ohne Kreativität funktioniert laut Reitz in Zukunft noch weniger als heute. Er gebraucht hierfür einen anderen Begriff: „vernetztes Denken". Dabei schnappt er sich meist einen Stift und fängt an, auf einem Blatt Papier zu zeichnen, während er erläutert, warum er das vernetzte, kreative Denken für die entscheidende Brücke in die Zukunft hält: „Die Komplexität wächst durch den Veränderungsdruck der Globalisierung, die Digitalisierung und die Automatisierung. Das spüren sowohl die Mitarbeiter als auch die Unternehmen. Denn Entwicklungen sind nicht mehr vorhersehbar." Unternehmensberater raten deswegen häufig zu Vereinfachungen, zur Komplexitätsreduktion. Reitz empfiehlt stattdessen, Grenzen zu überschreiten, die durch Zuständig- keiten gesetzt sind, durch Hierarchien, in ganzen Abteilungen ebenso wie im eigenen Kopf. Nur in gemischten, nichthierarchischen Teams könne der Einzelne sein kreatives Potenzial wirklich entfalten – das ist das Postulat von Hans Reitz.

Die Faszination der weiten Welt
Schon als Kind war der Kreativberater fasziniert von der Welt des Zirkus. „Einmal im Jahr kam bei uns im Dorf der Wanderzirkus vorbei", erinnert sich Reitz. „Ich wollte damals unbedingt wissen, was sich hinter der nächsten Donaubiegung verbirgt. Und so wünschte ich mir, mit den Zirkusleuten mitziehen zu können." Bereits in früher Jugend wurde es dem Querdenker in Niederbayern zu eng und er reiste sieben lange Jahre durch die Welt. Ausgangspunkt war für ihn Indien. Von dort aus ging er nach Afghanistan, Pakistan und in den Irak. Er beschreibt diese Zeit als eine lange Reise zu sich selbst und zu vielfältigen Erfahrungen. In Indien lernte er das Trommeln. Und noch heute dient ihm das Spielen auf seiner Thavil als Inspirationsquelle. Auf einer seiner Rückreisen nach Deutschland lernte er die Theater- gruppe des Zelttheaters Chapiteau kennen und begann, in den Sommermonaten als Kulturmanager des Chapiteau Tourneen zu organisieren. In den Wintermonaten zog es ihn zurück nach Indien, doch von da an war er vom Zirkus und seinen Möglichkeiten begeistert. „Unser Ziel war es unter anderem, durch unser Bühnenprogramm den Menschen ihr gesellschaftliches Tun wie einen Spiegel vorzuhalten, damit sie es hinterfragen und im besten Fall beginnen, anders zu denken", sagt Reitz. Als er sah, wie schwer Künstler sich selbst vermarkten können, nahm er diese unter Vertrag und entwickelte daraus eine Agentur für Künstlermanagement. Als er seine Künstler bei ihren Auftritten auf Unternehmensevents begleitete, stellte er fest – das kann man noch besser machen. Und so entstand die später so erfolgreiche Event- und Kreativagentur circ.
Der Zirkus als Vorbild für Gesellschaft und Unternehmen
„Unternehmen und Mitarbeiter können viel von Künstlern lernen", sagt Reitz heute. „Denn, wenn man nach Spezialisten im Umgang mit Ungewissheiten und Risiken sucht, stößt man rasch auf Künstler." Schließlich wissen sie am Anfang eines Schaffensprozesses selten, wohin ihre Arbeit sie führen wird. Sie müssen Wagnisse eingehen, so Reitz, um Neues zu schaffen. Um gesellschaftliche Herausforderungen wie etwa den Klimawandel oder die Flüchtlingsfrage zu meistern, brauche es kreative Ansätze: Offen-heit, Leidenschaft, Wagemut – also alles, was künstlerisches Arbeiten ausmache. Bereits in frühester Kindheit entwickelte er eine Geschäftsidee nach der anderen. So verkaufte er „Schusser" (Murmeln aus Ton), später Fahrräder, kratzte in einem Kino alte Kaugummis vom Boden und organisierte selbst-ständig Ski-Reisen. „Bereits im Alter von vier Jahren hat er mit den ‚Schussern’ gehandelt, die wir gemeinsam bastelten", berichtet seine Mutter Liliane lächelnd.
„Da in unserem Neun-Personen-Haushalt Geld stets knapp war, entschloss ich mich, meine Mutter finanziell zu unterstützen – oder ihr zumindest nicht mehr zur Last zu fallen", erinnert sich Reitz. „Ich wurde in einem Wirtshaus groß. Dort, wo es seit jeher ums Geldverdienen geht. So fiel es mir nicht schwer, Ideen dafür zu entwickeln. Ich begann mit kleinen Einsätzen beim Schafkopfspielen. Dann wusch ich Gläser ab, reinigte Aschenbecher und trug Getränke zu den Gästen. Die leeren Gläser brachte ich dann wieder zurück. Es gibt immer etwas zu tun, man kann immer etwas verbessern und in jeder Lage etwas unternehmen", lautet das Credo des Unternehmers. So spricht nur einer, der Ideen nicht bloß am Reißbrett erfindet, sondern sie aus den Notwendigkeiten des alltäglichen Lebens entwickelt. Das ist der große Vorzug von Hans Reitz: Kreativität ist bei ihm nicht Theorie, sondern angewandte Lebenserfahrung. Und diese Lebenserfahrung, diese Begeisterung für das Gestalten der eigenen Welt und der Gesellschaft gibt Hans Reitz gerne weiter, sowohl an Unternehmen von Weltrang wie auch an Projekte und Ideen, die er befeuern möchte.
Denn für ihn „gibt es nichts Gutes, außer man tut es", und so sieht man ihn häufig an der Seite seines Freundes, dem Träger des Friedensnobelpreises Muhammad Yunus, mit dem er gemeinsam die Idee des „Social Business" in die Welt trägt. Und auch lokal an seinem Wohnort Wiesbaden setzt Reitz um, wovon er spricht. Mit dem Projekt „Lalaland", einem integrativen Café am Platz der Deutschen Einheit, versucht er, diese extrem verwahrloste Ecke direkt in der Innenstadt in einen Ort des Kümmerns und des sozialen Engagements zu verwandeln. Als neuestes Projekt wird der „Robin Hood der Social Creativity" gemeinsam mit Freunden die Kantine des städtischen Theaters als Social Business betreiben, wenn er nicht gerade einen Kreativworkshop in Los Angeles leitet, ein weiteres Grameen Projekt in Bangladesch einweiht oder seine Mutter in Bayern besucht. Der Wirbelwind kennt einfach keine Ruhe, trotz seiner fünfzig Jahre, die er, wie könnte es anders sein, in diesem Jahr mit Zirkuszelt und vielen Wegbegleitern am Ufer der romantischen Altmühl gefeiert hat.
Von Fritz Lietsch und Caroline Heptner ...
...studierte neuere deutsche Literatur und Kunstgeschichte. Nach ihrem Studium volontierte sie an der Axel Springer Akademie und schrieb für Die Welt, FAZ, BILD und Hamburger Morgenpost. Der Medienwandel brachte sie in die Kommunikationsabteilungen des IG Metall Vorstands und der Strategieberatung Boston Consulting. Besonders interessiert ist sie an der Wirtschaftsform des Social Business, die den Menschen ermöglicht, die Gesellschaft, in der sie leben, aktiv zu gestalten.
„Armut gehört ins Museum"
Wirtschaft | Führung & Personal, 01.11.2016
Dieser Artikel ist in forum Nachhaltig Wirtschaften 04/2016 - Klima, Krieg und gute Taten erschienen.

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