Wir können es schaffen!
Eine Meldung des Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung
Die Implosion der fossilen Industrien und die explosive Entwicklung der Erneuerbaren kann Paris zum Erfolg machen. Wissenschaftler machen Mut und zeigen Alternativen zur Klimakatastrophe.
Das Klimaziel von Paris ist ein Triumph des Realismus – ganz entgegen mancher Kritik, es sei wirklichkeitsfremd. Erstens, so erklärt jetzt ein Wissenschaftler-Team, ist es notwendig, den globalen Temperaturanstieg unter 2 Grad Celsius zu halten, weil bei ungebremstem Klimawandel enorme Risiken auf die Menschheit zukommen. Zum ersten Mal zeigen die Forscher in einem Diagramm, bei welcher Erwärmung welche Elemente des Erdsystems kippen könnten. Zweitens ist die Umsetzung des Pariser Klimaziels machbar, durch eine technologische Explosion der erneuerbaren Energiesysteme und anderer Innovationen, und die Implosion der fossilen Industrien. Drittens ist das Klimaziel einfach genug, um weltweit politisch etwas in Bewegung zu bringen.
„Das Klimaziel von Paris, den weltweiten Temperaturanstieg auf deutlich unter 2 Grad Celsius zu begrenzen, bietet die Chance, einige der größten Klimarisiken zu vermeiden – das Kippen von wichtigen Elementen des Erdsystems", sagt Ricarda Winkelmann vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung. „Etwa das Eis an den Polen oder der Regenwald des Amazonas können sich relativ rasch und wahrscheinlich unumkehrbar verändern, wenn einmal eine bestimmte Erwärmungsschwelle überschritten ist. Das sind keine isolierten Vorgänge, sie haben Auswirkungen auf den gesamten Planeten."
„Notwendig": Kipp-Elemente und die weltweite Temperatur
Auf der Grundlage der Klimaforschung der vergangenen zwei Jahrzehnte präsentieren die Wissenschaftler ein Diagramm der Kipp-Elemente mit Blick auf die Entwicklung der globalen Temperatur. „Wir zeigen, dass für das Erdsystem ein halbes Grad mehr oder weniger durchaus einen Unterschied macht", so Winkelmann. Eine Erwärmung von nur 1,5 Grad über das vorindustrielle Niveau hätte bereits erhebliche Folgen, sie ist zum Beispiel eine Bedrohung für Korallenriffe weltweit. Aber der Unterschied zu 2 Grad ist substanziell. In einer 1,5 Grad wärmeren Welt würde zum Beispiel der Anstieg des Meeresspiegels auf rund 1,5 Meter bis zum Jahr 2300 begrenzt werden können. Bei 2 Grad hingegen zeigen die Projektionen einen Anstieg von 2-3 Metern bis 2300, und das riesige Eisschild Grönlands könnte dann seinen Kipp-Punkt bereits überschritten haben.
„Jenseits von 2 Grad steuern wir auf einen vollständigen Eisverlust der nördlichen Halbkugel zu", sagt Winkelmann. „Dies hätte einen Anstieg des Meeresspiegels zur Folge, der langfristig eine Gefahr wäre für Küstenmetropolen wie New York, Mumbai und Tokio. Daher ist das Pariser Klimaziel notwendig." Doch nicht nur der Anstieg des Meeresspiegels, auch extreme Wetterereignisse könnten zu einer Bedrohung für die Menschheit werden.
„Machbar": CO2-Bepreisung, Divestment, Wind- und Sonnenkraft
„Der jüngste IPCC-Bericht hat den Mythos zerschmettert, dass eine Begrenzung der Erwärmung auf weniger als 2 Grad nicht machbar ist – der Report zeigt im Gegenteil, dass bei dem nötigen politischen Willen auch die Kosten vergleichsweise überschaubar sind", sagt Ko-Autor Stefan Rahmstorf, Leiter des PIK-Forschungsbereichs Erdsystemanalyse. „Allerdings stützen sich fast alle IPCC-Szenarien auf so genannte negative Emissionen – das Herausholen von CO2 aus der Atmosphäre, um es zu speichern. Das ist ein Weitschuss. Der Preisrückgang und der Zuwachs an Effizienz bei der Erzeugung von Strom aus Wind und Sonne hingegen haben auch optimistische Vorhersagen übertroffen." Eine technologische Explosion bei den erneuerbaren Energien kann, wenn diese eine Marktdurchdringung von 15-20 Prozent erreicht haben, zu einer Implosion der fossilen Industrien führen, erklären die Wissenschaftler. Etwa Indien scheint derzeit sehr ernsthaft sein kolossales Erneuerbaren-Ziel umsetzen zu wollen – ein Beispiel für sich selbstverstärkende Entwicklungen, die das Potenzial haben, die Weltmärkte zu verändern.
Ein starkes Klima-Abkommen bereitet zudem den Weg für die Bepreisung von CO2, für die sich mehr und mehr Länder entscheiden, schreiben die Autoren. Nicht zuletzt wird die Moral ihre Kraft entfalten – die Divestment-Bewegung hat das Ziel, dass Geldanlagen aus der Fossilwirtschaft abgezogen werden. Bereits heute bewegen sich wichtige Akteure auf den Finanzmärkten in diese Richtung, darunter die deutsche Allianz-Versicherung, die französische AXA oder die legendäre US-amerikanische Öl-Dynastie der Rockefellers.
„Einfach": Verhandler können die Ziele in Handlungen umsetzen
„Jenseits von Notwendigkeit und Machbarkeit hat die 2-Grad-Grenze gegenüber konkurrierenden Klimazielen einen Vorteil, der in der Welt der Realpolitik nicht überschätzt werden kann: Sie ist einfach zu verstehen und zu kommunizieren", sagt Leitautor Hans Joachim Schellnhuber, Direktor des PIK. „Die Temperaturgrenze ist eine optimale Balance aus Konkretheit und Verständlichkeit. Jetzt dreht sich die ganze Welt der Klimapolitik um eine einzige Zahl!" In den Tagen und Nächten der Verhandlungen von Paris hat das 2-Grad-Konzept – das seinen Ursprung hat in einem Bericht des Wissenschaftlichen Beirats Globale Umweltveränderungen der Deutschen Bundesregierung 1995 – seinen Wert unter Beweis gestellt. Jede Delegation konnte für das Temperaturlimit streiten, das dem jeweiligen Staat richtig erschien; aber immer ging es um eine Erwärmungsgrenze. Mit den unlängst vorgeschlagenen Alternativen – Wärmegehalt des Ozeans, Konzentration von Treibhausgasen in der Atmosphäre, Temperatur-Änderungs-Rate – wäre das schwer vorstellbar gewesen.
„Das Abkommen von Paris ist ein historischer Durchbruch und ein Triumph der Vernunft", so Schellnhuber. „Jetzt gibt es den Druck, diesen Konsens rechtzeitig umzusetzen, um die lauernde humanitäre Tragödie tatsächlich noch zu verhindern."
Umwelt | Klima, 01.08.2016
Dieser Artikel ist in forum Nachhaltig Wirtschaften 03/2016 - Zukunft der Arbeit erschienen.

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