Nachhaltigkeit auf zwei Rädern:
Wieso Radfahren mehr ist als ein Lifestyle
Frei von CO2-Ausstoß, gut für die Fitness und vor allem befreiend: Großstädter entdecken das Fahrrad für sich und feiern seinen puristischen Individualismus.
Die neuste urbane Entwicklung heißt „Copenhagenizing" – frei nach der wohl schönsten Fahrradstadt Europas: In Dänemarks Hauptstadt zeigen breite, sicher abgetrennte Radwege, „Grüne Wellen" für Radfahrer und sogar auf Radfahrer optimierte Mülleimer, wie urbane Mobilität heute funktionieren kann.
In Deutschland reagieren Stadtplaner weit langsamer auf den Drang zu Schnelligkeit, Unabhängigkeit und Flexibilität. Doch die Trend-Bewegung auf zwei Rädern schlängelt sich unaufhaltsam am Planungs-Stau vorbei.
Vom Pariser Party-Gag zum funktionalen Fortbewegungsmittel
Dabei war das Fahrrad zunächst alles andere als eine Entscheidung zu bewusstem Konsum: Ende des 19. Jahrhunderts war es unter wohlhabenden Parisern ein beliebter Party-Gag, sich mit den ersten, selbstverständlich ungefederten Laufrädern waghalsige Rennen zu liefern. Auch die Nachfolgemodelle waren keine wirklich funktionalen Fortbewegungsmittel: Das Hochrad war mit seiner wackligen, bis zu anderthalb Meter hohen Vorderradkonstruktion beinahe lebensgefährlich. Und auch der sogenannte „Boneshaker" bekam seinen Namen nicht von ungefähr. So blieb Radfahren lange eine Sache des Prestiges für die, die den staunenden Massen ihren Innovationsglauben demonstrieren wollten.
Von der Arbeiterklasse zu den LOHAS
Erst während der Industrialisierung verbreitete sich der Gedanke, das Rad für eine zielgerichtete Mobilität zu nutzen: In den 1920er-Jahren wurde das Fahrrad für die Arbeiterklasse erschwinglich und entwickelte sich in den Städten zum ersten Massenverkehrsmittel. Scharenweise radelte man nun zum Arbeitsplatz in den Fabriken. Bis in den 1950er-Jahren das „Wirtschaftswunder" kam: Jetzt mussten Autos und Motorräder her – man wollte schließlich zeigen, was man sich an fortschrittlichem und teurem Komfort leisten konnte.
Mit der Umweltbewegung der 70er- und 80er-Jahre kehrte mit dem wachsenden Bewusstsein für Naturschutz und grünen Lifestyle auch das Fahrrad zurück. Und heute entdecken immer mehr Großstädter das Radfahren: nicht nur als ökologisches Transportmittel, sondern auch als Beitrag zur eigenen Gesundheit – und als Mittel zum Ausbruch aus dem eigenen Alltag (LOHAS – Lifestyle of Health and Sustainability). Denn statt mit dem Auto tagtäglich auf denselben Strecken im Stau zu stecken und um Parkplätze kämpfen zu müssen, genießen Fahrradpendler ihre Freiheiten: Staus lassen sie links liegen und erobern die Stadt auf autountauglichen Schleichwegen immer wieder neu.
Lifestyleobjekt mit modernster Technik
Das Fahrrad ist zum hippen Repräsentanten eines unabhängigen Großstadt-Lifestyles geworden. Dementsprechend holen moderne Zweirad-Mobilisten für ihre täglichen Touren auch keinen rostigen Drahtesel aus dem Keller – sondern wählen ein Modell, bei dem sich hohe Funktionalität und puristisches Design ideal vereinen.
Besonders beliebt sind individualisierbare Elemente. Der gewählte Bike-Grundstil kann so ganz den eigenen Bedürfnissen angepasst werden:
- Schicke Urban-Bikes schonen durch ihre spezielle Bauweise nicht nur die Kleidung, sondern passen gleichermaßen perfekt zum Business-Look wie zum Casual-Style.
- Für die Sportlichen gibt es ultraleichte Fitnessbikes, für die pragmatischen Workaholics wartungsfreie Commuter.
- Naturräder aus regional gewachsenem Holz verbessern den ökologischen Fußabdruck noch zusätzlich mit einer positiven Energiebilanz bei der Herstellung.
- Designs mit nostalgischem Flair sind ebenfalls im Trend; Besonders beliebt sind hier die sogenannten „Hollandräder"
Die Freiheit des Alltags
Das Fahrrad lässt sich so individuell gestalten und so flexibel nutzen wie sonst kein anderes Transportmittel. Damit verschafft es Pendlern im engen Raum der Großstadt neue (und dabei altbewährte) Freiheiten. Neben der Beweglichkeit und den Vorteilen für die eigene Gesundheit zählt für den modernen Radler auch das Bewusstsein, durch den Trend zur ökologischen Fortbewegung eine nachhaltig bessere Lebensgrundlage für die nächste Generation zu schaffen – also quasi ein eigenes Stück Kopenhagen.
Technik | Mobilität & Transport, 29.06.2016
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