Die Verzinker
Ein Hidden Champion beim Deutschen Nachhaltigkeitspreis 2015
Beim Deutschen Nachhaltigkeitspreis 2015 in Düsseldorf standen Ende November Bosch, BASF und ZINQ gemeinsam auf der Bühne und warteten auf Erlösung. Die einen kennt man, aber wer oder was ist ZINQ? Ein Hidden Champion? Ein Branchenprimus mit Ambitionen? forum wollte es wissen.
„Es ging beim Deutschen Nachhaltigkeitspreis (DNP) unter anderem darum, einen Bewerber auszuwählen, der im Bereich Ressourceneffizienz etwas nach vorne gebracht hat, und das war bei Voigt & Schweitzer so", erklärt Dr. Peter Jahns von der nordrhein-westfälischen Effizienzagentur. Er saß in der Jury, die aus bundesweiten Bewerbern die Nominierungen und letztlich auch die Sieger auswählte. Zwischen viel Prominenz und klangvollen Namen wurde schließlich ein Unternehmen geehrt, das aus einer Branche stammt, die so gar nicht im Fokus der öffentlichen Wahrnehmung von Nachhaltigkeit steht. Voigt & Schweitzer sitzen mit ihrem Kerngeschäft, dem Feuerverzinken, seit 1889 in der Wiege der deutschen Metallkultur – im Ruhrgebiet. Hier und an 32 europäischen Standorten sorgen die Feuerverzinker mit rund 1.500 Mitarbeitern dafür, jährlich 700.000 Tonnen Stahl vor dem Verfall durch Rost zu schützen. Nur – was ist daran nachhaltig?
Eine Gala für die Zukunft
Der Hauptpreis „Ressourceneffizienz" ging
letztlich an BASF, und doch ist Voigt & Schweizer der erste
nominierte Metallverarbeiter in der nunmehr 8-jährigen Geschichte eines
Nachhaltigkeitspreises, der unter der Schirmherrschaft von
Bundeskanzlerin Angela Merkel steht. Bei der Gala war Prominenz aus
Film, Musik und Politik – von Iris Berben, Dieter Hallervorden,
Hans-Dietrich Genscher, UN-Flüchtlingskommissar António Guterres und
nicht zuletzt Königin Silvia von Schweden – zugegen, als die begehrten
Preise vergeben wurden. „Der Nachhaltigkeitspreis ist ein
gesellschaftliches Event, und da ist es schade, dass der Glamour um
Königin Silvia und die vielen VIPs die unternehmerischen Ideen mitunter
verdrängen", erklärte eine Sprecherin der Wirtschaftsvereinigung Stahl
in Düsseldorf.
Die Ausnahme von der Regel
Wie aber kam ein außerhalb der Fachwelt nahezu
unbekannter Weiterverarbeiter beim Thema Ressourceneffizienz unter
Deutschlands Top 3? Die DNP-Jury verglich über 500 Bewerber und würdigte
schließlich die Initiative Planet ZINQ®. Hier verschmelzen – im wahren
Wortsinne – Zink und Qualität zur Dachmarke ZINQ®, die schließlich zur
Nominierung von Planet ZINQ® führte. Planet ZINQ® ist eine langjährige
Initiative des ausgezeichneten Unternehmens, das in Sachen
Nachhaltigkeit sehr praktisch sowohl beim Prozess als auch bei den
Oberflächen ans Werk geht. Die mit dem Deutschen Rohstoffeffizienz-Preis
ausgezeichnete Oberfläche microZINQ® steht dafür ein. Den Entwicklern
geht es darum, so wenig Zink wie möglich im energieintensiven
Verzinkungsprozess einzusetzen. Ein Ansatz, der in der
traditionsverhafteten Branche nicht einheitlich bewertet wird. So wenig
wie möglich, so viel wie nötig – klingt einfach, ist aber die
Branchenausnahme. Deutschland- und europaweit.
80 Prozent Einsparung
Über 11 Millionen mikroverzinkte Sturzlenker
hat Voigt & Schweitzer in den zurückliegenden Jahren für den
deutschen Automobilhersteller BMW verzinkt. Dieses Bauteil sitzt in
zahlreichen BMW-Reihen zwischen Achse und Rad und ist damit permanent
den Umwelteinflüssen ausgesetzt, dennoch kommt hier ein Verfahren zum
Einsatz, das gegenüber herkömmlichen Verzinkungsmethoden einen um 80
Prozent reduzierten Zinkeinsatz garantiert. Ende der 1990er-Jahre haben
Forscher im belgischen Dendermonde in Zusammenarbeit mit der Uni Leuven
dieses Verfahren entwickelt, das seit 2005 u.a. zum Bauteil für die
Automobilbranche führt. Statt 80-150 µm (d.i. 0,08-0,15 mm) weist die
sogenannte Dünnschichttechnologie nur 10-15 µm (0,01-0,015 mm)
Zinkauftrag auf. Allein hierdurch ergeben sich bemerkenswerte
Material-, Energie- und Gewichtseinsparungen. Zudem besitzt dieses
Verfahren die Allgemeine bauaufsichtliche Zulassung des Deutschen
Instituts für Bautechnik und darf so auch entsprechend genutzt werden.
„Wir wollen mit diesem Verfahren nicht die herkömmliche Feuerverzinkung
ablösen, sondern ergänzen. Unsere Kunden sollten mehr über die
realistische Lebensdauer eines Produktes nachdenken. Beträgt die
Lebenserwartung nur ein bis zwei Dekaden, braucht das Bauteil keinen
Zinkauftrag für 200 Jahre", erklärt der Nachhaltigkeitsbeauftragte von
Voigt & Schweitzer, Dr. Thomas Pinger. „Wir verpassen stählernen
Bauteilen einen verzinkten Maßanzug. Das ist neu." Und genau das hat
auch die Jury des DNP überzeugt. Dafür erhielt der Verzinker aus
Gelsenkirchen nicht nur die Cradle to Cradle®-Zertifizierung, den
Rohstoffeffizienz-Preis, den Industriepreis und viele mehr, sondern nun
auch die Nominierung zum DNP. Dieses Beispiel soll auch andere
Industriebetriebe dazu animieren, auf maximale Ressourcen- und
Energieeffizienz zu achten.
von Michael Bokelmann
ist Wissenschaftsjournalist und schreibt u.a. für das Ingenieursmedium think-ING. Als Autor, Fotograf und Moderator bearbeitet er vornehmlich technische Themen, ergänzt um soziale Projekte und Kulturveranstaltungen.
Umwelt | Ressourcen, 01.01.2016
Dieser Artikel ist in forum Nachhaltig Wirtschaften 01/2016 - Herausforderung Migration und Integration erschienen.
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