Mein Öko-Ego: Öko-Grüße ans Finanzamt

Darf man im Geschäftsverkehr benutzte Briefumschläge verwenden?

In »Mein Öko-Ego« schreibt Wir-Autorin Christine Teufel über die Tücken und Fallstricke, denen begegnet, wer ökologisch bewusst leben und konsumieren möchte. Illustriert von Florian Geppert.
 
Darf man im Geschäftsverkehr benutzte Briefumschläge verwenden? © Florian GeppertMitte der 80er Jahre arbeitete ich als Azubine in einem Steuerbüro: ein kleiner Laden, nicht mehr als zehn Mitarbei­ter, von daher alles sehr übersichtlich und von den Abläufen her gut zu organisieren. Damals wurde ich angehalten, Briefe, die an das Finanzamt oder an ähnliche Einrichtungen gingen, immer in bereits gebrauchte Versandtaschen ein­ zukuvertieren; ein neuer Adresskleber drauf und fertig war die »Ämterpost«. Kunden, sorry Mandanten, bekamen freilich jeder für sich ein hübsches, unbe­nutztes Kuvert.
 
Mir schien die damalige Praxis leicht spießig und ziemlich geizig. Ich selbst wäre – trotz meiner schwäbischen Her­kunft – nicht auf die Idee gekommen, solche Secondhand-Umschläge an das Finanzamt zurückzusenden – immerhin war es ein Amt, und Amts- und Würden­träger sollte man, so hatte meine Kinderstube mich gelehrt, würdig behan­deln. Und so ein gebrauchter Umschlag schien mir nicht wirklich eine würdige Post zu sein.
 
Nun, aus heutiger Sicht, mit all dem Wissen um Ressourcenknappheit und Recycling, stellt sich die Angelegenheit in einem anderen Licht dar. Aber wäre es möglich, mit gebrauchten Couverts einen guten Eindruck bei meinem Kun­den oder Mandanten zu hinterlassen? Sind wir in der Firmenpost schon so weit, solche Wiederverwertungsmaßnahmen ohne vorheriges Einstampfen und Recy­clen zu praktizieren?
 
Ein Jahr ist es her, da war ich mitbeteiligt an einer von Marketing-Experten ange­leierten CI-Entwicklung. »Wie üblich« kostete das ganze Prozedere Tausende von Euro und Hundertausende von Ner­ven, bis zuletzt ein ganz ordentliches Logo bzw. ein Namensschriftzug da­bei herauskam. Mehr aber auch nicht. Nichts Überraschendes, nichts, was wirklich ins Auge spränge – und was irgendwie einen neuen Stil zu setzen in der Lage wäre. Aber die Beratungsprofis bestanden darauf, dass »üblicherwei­se« so eine CI das absolut Wichtigste ist, was man haben muss, um überhaupt »professionell« in der Geschäftswelt mitspielen zu dürfen. Nun denke ich 30 Jahre zurück, damals war es ziemlich schnurzegal, was für ein Logo man hat­te; wichtig war, dass man gute Arbeit ablieferte.
 
Aus dieser PR-Erfahrung dürfte es mehr als gewagt sein, allein nur die Frage aufzuwerfen, ob man benutzte Briefum­schläge an seine bestehenden Kunden und – nicht auszudenken – potenziellen Neukunden versenden darf. Welcher Eindruck angesichts der üblichen CI-Hysterie entstehen würde, ist doch wohl klar: »Unprofessionell«; »ist zu geizig, sich für mich ein neues Kuvert zu lei­sten«; »hat kein Geld, sich ordentliches Briefpapier machen zu lassen«; oder schlimmer noch: »Der ist ihr Erschei­nungsbild egal.«
 
Der Öko-Gedanke, dass hier jemand an die Umwelt denkt und die Res­sourcen schont, kommt gar nicht erst auf. Den müsste man wohl per Stempel auf den Briefumschlag drucken oder handschriftlich vermerken. Vielleicht wäre es noch zu tolerie­ren, wenn man mit schönen Klebebän­dern das Aufklebeadressfeld umrahmte und somit dem alten Umschlag ein kul­tiges »Handmade-Design« verpasste. Aber geht das bei so hochoffiziellen Vor­gängen, wie Angebote versenden oder Schreiben an wichtige Kunden in der Business-Welt expedieren?
 
Nein, ich muss es leider sagen, das kann man in der heutigen Zeit, bei all dem Getue um Aussehen und Pipapo nicht mehr machen – für mein Öko-Ego bleibt am Ende doch nur die alte Variante: ge­brauchte Umschläge – bitte mit neuem Adressfeld – an Ämter und sonstige Einrichtungen, bei denen man halt nicht einen »guten Eindruck« hinterlassen oder eine tolle »Präsentation« hinle­gen muss; da, wo man schlichtweg ge­zwungen ist, mit ihnen zu verkehren. Bei allen andern, bei denen wohl oder übel das »Ich zeige, wie toll ich bin«-Spiel gespielt werden muss, lieber doch die unbenutzten Kuverts nehmen. Immer­hin aber wäre ein Anfang damit gemacht, die amtliche Post trotzdem ein bisschen aufzuhübschen – und warum nicht mit einem netten Klebeband? //

Gesellschaft | WIR - Menschen im Wandel, 01.04.2015
Dieser Artikel ist in forum Nachhaltig Wirtschaften 02/2015 - Nachhaltige Mode erschienen.
     
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