Keine Angst vorm Fliegen?

Ein Interview mit Michael Wühle

Wenn es um Umwelt- und Klimaschutz geht, steht die zivile Luftfahrt häufig im Zentrum der Kritik. Mit der International Association for Sustainable Aviation (IASA) wurde ein Verein gegründet, der sich die Versöhnung von Luftfahrt und Umwelt zur Aufgabe gemacht hat. Über die Zielsetzungen des neuen Vereins sprach Fritz Lietsch mit Michael Wühle, Mitbegründer und Vorstand der IASA e.V.

Michael Wühle, Mitbegründer und Vorstand der IASA e.V.Herr Wühle, was sind die konkreten Ziele Ihrer Organisation?
Die IASA ist ein sehr junger Verein. Wir haben ihn Ende 2013 gegründet, im April dieses Jahres wurde uns die Ge- meinnützigkeit zuerkannt. Unser vorrangiges Ziel ist es, den Fokus der internationalen Öffentlichkeit auf die heute bereits bestehenden oder sich abzeichnenden Möglichkeiten zur Verbesserung der Umweltverträglichkeit der Luftfahrt zu richten, damit der Traum vom Fliegen weder zum ökologischen noch zum ökonomischen Albtraum wird..

Was möchte Ihr Verband tun, um die Umweltverträglichkeit der Luftfahrt zu verbessern?
Wir sind überzeugt, dass sich die zumeist technischen Probleme auch durch technische Innovationen lösen lassen.

Steuern bewirken nicht, dass ein Flugzeug auch nur um 1dB leiser oder klimafreundlicher wird. Dies geschieht nur durch bessere Technik, bessere Prozesse und durch die lösungsori- entierte Mitarbeit möglichst vieler Menschen im Umfeld der Luftfahrt. Dafür wirbt die IASA.

Luftfahrt und Umweltschutz, wie soll das zusammenpassen?
Meist stehen zwei Themen im Vordergrund: der Fluglärm und die Emission von klimaschädlichen Abgasen, vornehmlich CO2. So richtig es ist, dass von der Luftfahrt Umweltbeeinträchtigungen ausgehen, so sehr sollten die Beeinträchtigungen in Relation zur Verkehrsleistung der Luftfahrt gesetzt werden. Die bisherigen Erfolge der Luftfahrt, diese Beeinträchtigungen zu minimieren, sollten gleichfalls aner- kannt werden. Ein Airbus A319, wie er heute im innerdeutschen respektive innereuropäischen Luftverkehr eingesetzt wird, ist bei einem Vorbeiflug in 1.000 Meter Höhe – also noch in unmittelbarer Flughafennähe – mit 70 dB (A) nur ge- nauso laut, wie ein PKW mit 60 Stundenkilometer in 25 Meter Entfernung. Die nächste in Kürze am Markt erscheinende Generation von Verkehrsflugzeugen, wie die A320neo-Familie von Airbus oder die 737MAX-Familie von Boeing, verspricht eine weitere Reduktion der Lärmemission bei gleichzeitiger Verbesserung der Ökoeffizienz. Aber auch durch Nachrüstung bestehender Flotten lässt sich viel erreichen.

Warum fliegen, wenn man in vielen Fällen mit der Bahn fahren könnte?
Wie jedes andere Verkehrsmittel, die Bahn eingeschlossen, verursacht die Luftfahrt Probleme durch Lärm, die Emission von Treibhausgasen und den Verbrauch von Land und fossilen Treibstoffen. Das stellen wir nicht in Frage. Ein Vergleich zwischen den einzelnen Verkehrsträgern ist aus Sicht der IASA jedoch schon deshalb nicht zielführend, weil es einfach kein ‚ideales Verkehrsmittel‘ gibt. Entscheidend ist immer, für welche Aufgabe ein bestimmtes Verkehrsmittel eingesetzt beziehungsweise genutzt werden soll. Ökoeffizientes Handeln – so wie wir es als IASA verstehen – besagt, dass man das jeweils bestgeeignete Verkehrsmittel wählt. Und in manchen Fällen ist das eben das Flugzeug.

Aber dann sollte die Luftfahrt noch wesentlich nachhaltiger werden!
Wir sind davon überzeugt, dass sich die Probleme der Luftfahrt mit dem Prinzip der Nachhaltigkeit als systemischen Ansatz lösen lassen. Nachhaltigkeit spart Kosten, stärkt die Wirtschaftlichkeit, schont die natürlichen Ressourcen, minimiert schädliche Umwelteinflüsse und nimmt die Menschen mit in die Zukunft. Das gilt auch für das Flugzeug als Verkehrsträger.

Sollten wir das Wachstum der Luftfahrt nicht trotzdem beschränken?
Nein, denn Fliegen ist nicht Selbstzweck. Die Luftfahrt ist heute Grundlage der globalen Wirtschaft. Im Jahr 2013 gab es weltweit 3,1 Milliarden Fluggäste, davon über die Hälfte private Flugreisende. Der Beitrag der Luftfahrt zur Weltwirtschaft ist mit 2.400 Milliarden USD beträchtlich. Weltweit sind fast 60 Millionen Menschen in der Luftfahrt beschäftigt. Die Luftfahrt ist das einzige wirklich globale Verkehrsmittel und bedient das Bedürfnis der Menschen nach globaler Mobilität.

Wer fliegt, heizt den Planeten auf. Geschätzte drei Prozent der von Menschen verursachten Erderwärmung werden dem Kohlendioxidausstoß von Flugzeugen zugeschrieben. Die EU hat den Flugzeugbauern in ihrem Bericht „Flightpath 2050' vorgegeben, in den nächsten Jahrzehnten den Ausstoß ihrer Jets drastisch zu reduzieren.Auch wenn wir eine globale Mobilität diskutieren sollten, was kann man noch tun, um die Luftfahrt umweltverträglicher zu machen?
Lassen Sie mich das Wort ‚umweltverträglicher‘ durch ‚nachhaltiger‘ ersetzen. Lärm, Luftschadstoffe und Emissionen von Treibhausgasen lassen sich aus unserer Sicht am besten direkt an der Quelle reduzieren, und dies ist durch technische Innovationen möglich. Je eher also die Flugzeuge der nächsten Generation das Bild im weltweiten Luftverkehr bestimmen, desto besser, desto nachhaltiger wird das System Luftfahrt. Die ökologisch sinnvolle Lebensdauer eines Flugzeugs muss künftig der Maßstab für seinen Einsatz sein und nicht die wirtschaftlich mögliche Lebensdauer.

Dann würde ja eine Abwrackprämie für alte Flugzeuge ein probates Mittel sein. Reicht das aus?
Nein, alle Beteiligten wie Triebwerkshersteller, Flugzeugbauer, Airlines, Flughäfen und Flugsicherung sind bemüht, Emissionen Schritt um Schritt zu reduzieren. Nicht minder groß sind die Anstrengungen zur Einsparung von Treibstoff. Das sogenannte ‚3-Liter-Flugzeug‘ ist bereits Realität. Aber auch das ist nur eine Zwischenstation auf dem Weg zu noch mehr Nachhaltigkeit. So erfreulich jeder einzelne Fortschritt auch ist, in Zukunft kommt es darauf an, die Ökoeffizienz der Luftfahrt ganzheitlich, also während der gesamten Prozesskette, zu optimieren.

Aber wenn wir uns den letzten Bericht des Weltklimarates vor Augen führen, dann muss uns auch klar sein, dass wir jeden einzelnen Verkehrsträger optimieren müssen. Dass wir in allen Segmenten von Wirtschaft, Industrie, Verkehr, Haushalten und Landwirtschaft die notwendigen Maßnahmen zur Vermeidung von Treibhausgasemissionen ergreifen müssen. In der Luftfahrt wird bereits intensiv in treibstoffsparende und emissionsarme Flugzeuge sowie alternative Treibstoffe investiert. Die Herausforderung liegt darin, sowohl die Luftfahrt global wie auch die beteiligten Organisationen auf den Weg der Nachhaltigkeit zu führen.

Wie wird Ihr Anspruch in der Branche aufgenommen?
Die IASA und ihre Zielsetzung wurde vom Start weg positiv angenommen. So hat uns beispielsweise Alois Glück, Mitglied des Rates für Nachhaltige Entwicklung, versichert „… Eine nachhaltige und ökoeffiziente Entwicklung in der Luftfahrt ist ein außerordentlich wichtiges, unterstützenswertes Ziel …". Als gemeinnützige und überparteiliche Organisation möchten wir dazu beizutragen, dass die Luftfahrt zügig und zielführend auf dem Weg in eine nachhaltigere Zukunft vorankommt.

Herr Wühle, wir bedanken uns für das Gespräch und wünschen viel Erfolg.

www.iasaev.org


Dieser Artikel ist in forum Nachhaltig Wirtschaften 01/2015 - Grünes Reisen im Trend erschienen.

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