Grünen Strom flexibel steuern
Wenn der Wind nicht weht: Containergroße Batterien speichern Energie aus erneuerbaren Quellen und gleichen damit Produktionsschwankungen aus.
Mit der Energiewende ändert sich zugleich die Art
der Stromproduktion – weg vom Großkraftwerk, hin zu vielen kleinen Erzeugern.
Wind- und Solarparks, aber auch Blockheizkraftwerke (BHKWs), Wärmepumpen und
Biogasanlagen speisen Strom ins öffentliche Netz ein. Das stellt vor allem die
Netzbetreiber vor neue Herausforderungen: Um die dezentral erzeugte Energie zu
den Haupttrassen zu leiten, müssen sie ihre Verteilnetze ausbauen. Der
angemeldete Bedarf beläuft sich der Bundesregierung zufolge auf 8.200 Kilometer
an zusätzlichen Stromleitungen bis zum Jahr 2022. Insbesondere im Norden sind
die Netze durch den schnellen Ausbau der Windenergie vielerorts überlastet.
Daher werden dort in Spitzenzeiten einzelne Windparks abgeschaltet – die
überschüssige Energie bleibt damit ungenutzt.
Stromspeicher statt Netze
Eine Alternative zum aufwändigen Netzausbau sind stationäre Stromspeicher. Durch ihre ausgleichende Funktion dienen sie als Puffer, die das Stromnetz entlasten: Werden beispielsweise ältere Windkraftanlagen durch neuere, leistungsfähigere ersetzt, geraten bestehende Leitungen schnell an ihre Kapazitätsgrenzen. In diesem Fall können die flexiblen Speichersysteme überschüssige Energie aufnehmen und später sukzessive ins Netz abgeben. Diese Pufferung verhindert Überlastungen, erhöht die Versorgungssicherheit und verringert zugleich den Aufwand für den Netzausbau.
Mithilfe von Stromspeichern wird die volatile Wind- und Solarkraft zudem auch an Tagen verfügbar, an denen Flaute herrscht und Wolken die Sonne verdecken. Auf diese Weise tragen die leistungsstarken Akkus dazu bei, Wind- und Solaranlagen besser ins bestehende Erzeugungssystem zu integrieren.
Stromspeicher spielen darüber hinaus eine wichtige Rolle, wenn es um die Vermarktung von Strom aus erneuerbaren Energien geht. Indem sie das Stromangebot und die Nachfrage in Einklang bringen, steigern sie den Marktwert von erneuerbaren Energien. Wind- und Solarparkbetreiber können ihren regenerativ erzeugten Strom immer dann ins Netz einspeisen, wenn das Angebot knapp ist – und der Preis an der Strombörse dementsprechend hoch.
Großbatterie für Braderup
Wie Stromspeicher in der Praxis funktionieren,
testet seit Juli 2014 die Energiespeicher Nord GmbH & Co. KG – ein
Gemeinschaftsunternehmen des Technologiekonzerns Bosch und dem Bürgerwindpark
Braderup. In dem gleichnamigen Ort im nordfriesischen Flachland ist der Wind
wechselhaft: Mal kommt er in starken Böen, mal weht er schwach und gleichmäßig.
Damit die sechs Windräder dennoch kontinuierlich und gleichmäßig Strom ins
öffentliche Netz einspeisen können, sorgt eine von Bosch entwickelte
Hybridbatterie für Ausgleich.
Das System besteht aus einem Lithium-Ionen-Speicher mit einer Kapazität von 2 MWh und einer Leistung von 2 MW – geeignet, um in kurzer Zeit große Energiemengen aufzunehmen. Die zweite Komponente ist eine Vanadium-Redoxflow-Batterie, die sich vor allem dadurch auszeichnet, dass sie Energie über einen langen Zeitraum hinweg sehr effizient speichert. Sie besitzt eine Kapazität von 1 MWh sowie 0,325 MW Spitzenleistung. Die Hybridbatterie von Braderup kann damit sowohl kurzfristige Lastspitzen abfedern als auch langfristig Stromreserven bereithalten. Sie zählt zu den größten ihrer Art in Europa: In vollem Ladezustand reicht ihre Energie rein rechnerisch aus, um 40 Einfamilienhäuser eine Woche lang mit Strom zu versorgen.
Je nach Windstärke und Ladezustand der Batterien
wird die anfallende Energie mithilfe einer eigens entwickelten Steuerung
entweder ins öffentliche Stromnetz oder in einen der beiden Speicher geleitet.
Der dort vorrätige Strom ist auf verschiedene Weise nutzbar: Er kann den
Energiebedarf der angeschlossenen Haushalte abdecken oder die tonnenschweren
Rotoren nach einem Stillstand wieder in den Wind drehen. Die Energie lässt sich
aber auch über das Netz an der Strombörse in Leipzig verkaufen. Theoretisch
könnten die Speicherbetreiber zudem als Energieanbieter auftreten und mit ihrem
Strom die Haushalte in der Umgebung versorgen. Dazu wäre allerdings eine
gesetzliche Neuregelung erforderlich.
Neue Anreize schaffen
Das Beispiel Braderup zeigt: Stromspeicher tragen dazu bei, erneuerbare Energien besser in die bestehende Infrastruktur zu integrieren und leisten damit einen wichtigen Beitrag zur Energiewende. Dennoch fehlen in Deutschland bislang die gesetzlichen Rahmenbedingungen, um der Speichertechnologie zum Durchbruch zu verhelfen. In den USA ist das anders. Dort gehören Stromspeicher neben Leitungen und Transformatoren seit 2013 zu den festen Bestandteilen der Netzinfrastruktur – dementsprechend lassen sich Kosten für Installation, Wartung und Betrieb auf die Kunden umlegen. Eine ähnliche Regelung gibt es in Italien. Hierzulande sind Großbatterien wie das Modellprojekt in Braderup noch nicht als netzstabilisierende Betriebsmittel anerkannt. Eine entsprechende Änderung würde Anreize schaffen, um neue Speichervorhaben zu realisieren und die bestehende, marktreife Technologie weiterzuentwickeln.
Kontakt
Bernhard Schwager
Leiter Geschäftsstelle Nachhaltigkeit
Robert Bosch GmbH
Telefon: +49 (0)711 / 8 11 - 64 02
bernhard.schwager@de.bosch.com
Cordelia Thielitz
Leiterin Bereich Stationäre Speichersysteme
Robert Bosch GmbH
Telefon: +49 (0)711 / 8 11 - 3 82 91
cordelia.thielitz2@de.bosch.com
Technik | Energie, 01.10.2014
Dieser Artikel ist in forum Nachhaltig Wirtschaften 04/2014 - Green Tech als Retter der Erde erschienen.

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