Stresstest
Sind Elektro-Autos wirklich alltagstauglich - das ganze Jahr über?
E-Autos sind in aller Munde, doch kaum jemand hat eines. Anders forum Nachhaltig Wirtschaften. Seit 20 Jahren sind im ALTOP Verlag E-Fahrzeuge im Einsatz. Der Winter 2012 war für uns eine willkommene Gelegenheit, unterschiedliche E-Fahrzeuge selbst zu testen, aber auch die Erfahrungen eingefleischter E-Mobilisten einzuholen. Wir wollten es genau wissen: Sind Elektro-Autos wirklich alltagstauglich - das ganze Jahr über? Hier unsere Winterimpressionen, die von der Rennstrecke in Norwegen bis zum harten Dauereinsatz im verschneiten Bayern reichen.
Erfahrung und Naturgesetze sagen, dass sich Akkumulatoren mit eisiger Kälte nicht gut vertragen und ein Elektroauto somit im Winter deutlich an Reichweite einbüßen müsste. Doch das wäre fatal, denn eine Einschränkung der Nutzbarkeit in den Wintermonaten würde von vielen Autofahrern wohl kaum hingenommen. Tesla, ein junges kalifornisches Unternehmen und Hersteller von Elektroautos, hat das Thema erkannt und wollte den Beweis für die Alltagstauglichkeit der Fahrzeuge antreten. Leonhard von Harrach, Deutschland-Chef bei Tesla wurde deshalb mit vier Exemplaren des E-Roadsters in den eiskalten, norwegischen Winter geschickt.
Mit dabei: forum-Autorin Cornelia Truckenbrodt, eine begeisterte Sportwagenfahrerin. Sie prüfte den Tesla Sportwagen auf Herz und Nieren oder besser Reichweite, Heizung und den für sie obligatorischen Fahrspaß.
Impressionen auf dem Eis
Ich darf als Testfahrerin mit dabei sein und von Harrach empfängt unsere Testcrew mit folgendem Statement in der Kälte Norwegens:
"Wir wollen beweisen, dass zwei Annahmen stimmen: Erstens, Elektroautos sind ohne Einschränkung alltagstauglich - auch in kalten Gefilden. Zweitens, die neue Elektromobilität bedeutet Vernunft statt Verzicht. Der Roadster ist 100 Prozent alltags- und allwettertauglich und wo lässt sich das besser testen als hier auf den eisigen Seen Norwegens?"
Auf der abgesteckten Rennpiste sind die Teslas nicht alleine. Auch andere Sportwagen geben sich hier ein Stelldichein. Die technischen Zutaten unserer Wettbewerber: Schnelle Autos italienischer und deutscher Herkunft und ein Satz schmale Spikes für den besonders heißen Ritt über das Eis. Am Start tauchen die Boliden ihre Fans in röhrendes Motorengeräusch und die obligatorischen Abgaswölkchen. Aber die Aufmerksamkeit der Zuschauer gehört heute den geruchlosen Leisetretern: uns.
Energie gewinnen beim Bremsen
Und los geht's. Zuerst einmal schalten wir die Traktionskontrolle aus, schließlich wollen wir ein bisschen mit dem Heck spielen. Dann Startknopf drücken - ohne hörbare Rückmeldung, das ist ungewohnt - und Gas bzw. Strom geben. Gleich vor der ersten Kurve heißt es stark bremsen. Das funktioniert beim E-Auto anders als gewohnt: Das (Gas-)E-Pedal anheben bedeutet starke Verzögerung - wie aktives Bremsen im herkömmlichen PKW - und rekuperiert Strom in die Batterie. Der 215 kW/292 PS leistende Elektromotor macht aber auch die Bewegung des E-Pedals in die andere Richtung zu einem Erlebnis: Die Beschleunigung ist eindrucksvoll - weil linear und ohne jegliche Zugkraftunterbrechung. Auf nicht vereisten Straßen geschieht das in nur 3,7 Sekunden aus dem Stillstand auf 100 km/h und lässt fast alle herkömmlichen, benzinbetriebenen Sportwagen in den nicht vorhandenen Auspuff blicken. Und auch im Frost gräbt der Tesla die Spikes vehement ins Eis und demonstriert ein gnadenloses Drehmoment.
Heute sind die Stromer die Stars
Interessierte Fragen der norwegischen Autopilger nach dem Stammbaum des Fahrzeugs sind leicht zu beantworten: Es handelt sich bei dem Tesla Roadster um Plattform und Karosserie der einstigen Lotus Elise, aber mit Elektro-Motor und Batterien im Chassis. Doch die Frager wollen vor allem wissen, wie wir mit der Kälte klarkommen. Bei unserem Fahrzeug werden zuerst die Akkus, dann der Innenraum gewärmt. Aber 450 Kilogramm an Akkus sind ohnehin nicht so schnell durchgekühlt, was also nicht viel an "Saft" abzuzapfen scheint. Tesla integriert laut Jochen Rudat, Tesla-Chef Schweiz, ein "intelligentes Thermomanagement" in die Batterien - und dieses kann bei extremen Außentemperaturen sogar noch modifiziert werden. Gregor Wöltje, Eigentümer eines Tesla und Ganzjahresfahrer, berichtet von seinen Langzeiterfahrungen im Umkreis von München: "Sommer oder Winter machen kaum einen Unterschied in der Reichweite von um die 200 bis 250 Kilometer aus einer Ladung. Im Winter muss man den Innenraum und die Akkus auf Kosten der Batterieladung, d.h. Reichweite wärmen, im Sommer beides kühlen - und somit gleicht sich das Ganze quasi wieder aus. Man hat also übers Jahr gesehen eine ähnliche Reichweite". Dies zeigt, dass Tesla sowohl den Insassen wie den Batterien eine möglichst optimale Betriebstemperatur einrichtet.
Was passiert bei extremer Kälte?
Womit wir beim ersten Testpunkt wären - der Reichweite bei Kälte. Die Bedingungen an unserem Testort könnten kaum widriger sein. Die Menschen rund um die Eispiste haben sich mit dicken Jacken, Mützen und Decken eine gute Wärmedämmung gegönnt. Der Tesla (beziehungsweise seine Batterie) stirbt auch ohne derlei Schutzmaßnahmen nicht den Kältetod. Nach einem Tag Rennrunden-Drehen im Eisfach Europas - konkreter: fast 100 Kilometer "Bodenblech" und Querfahren bei minus 17 Grad - ist die Reichweite zwar etwas kleiner als gewohnt, aber es ist wohl eher unsere Fahrweise als die Kälte, die die Reichweite verringert. Und so ist genug "Saft" vorhanden für die Heimfahrt ins rund zehn Kilometer entfernte Nachtquartier - mit Reserve inklusive.
Diese Erfahrung bestätigt auch Wöltje: "Dauertempo 200 km/h auf der Autobahn oder permanente Spurts und starkes Bremsen verkürzen die Reichweite meines Autos sehr stark und ein Ausflug kann damit zu einem kurzen Fahrvergnügen werden". E-Fahren heißt eben auch intelligent und vorausschauend zu fahren.
Damit wären wir beim zweiten Testpunkt: der Fahrspaß. Zugegeben - ich fahre gerne Autos und gerne schnelle Autos. Ob hier ein flüsterleises Elektroauto meinen Anspruch erfüllen kann, war vor der Testfahrt mehr als zweifelhaft. Doch der Ausflug nach Norwegen belehrt mich eines besseren: Dieses Elektroauto macht mindestens so viel Spaß wie ein Sportler mit "herkömmlicher" Technik. Übermäßiger Verzicht wird nicht verlangt - nicht einmal auf eine Sitzheizung - die allerdings an der Reichweite knabbert, wie bei jedem E-Auto.
Fazit
Bis man sagen kann: "Er läuft und läuft und läuft" wird wohl noch Zeit vergehen - heute ist die Stunde der Trendsetter und Technik-Fans. Der Tesla Roadster ist ein exklusives und außergewöhnliches Auto - nicht zuletzt durch die konsequente Limitierung der Auflage auf weltweit 2.500 Exemplare - und das ist auch so gewollt. Von Harrach: "Ein Porsche ist dagegen ein Volkswagen". In Deutschland gibt es bisher 180 dieser Flitzer - und nur noch ein paar sind zum Basispreis von ab 101.700 Euro käuflich zu erwerben. Die Beschleunigung von null auf 100 in unter vier Sekunden und eine Karbonkarosserie gibt's gratis dazu. Dann ist Schluss mit dem Roadster - der nächste Wurf der Marke wird eine fünftürige Limousine mit bis zu sieben Sitzen für rund die Hälfte des Roadster-Preises. Mit diesem "Model S" will Tesla aggressiv in den Massenmarkt expandieren. Und dann beginnt vielleicht der Stresstest für die konventionellen Autos - die sich aber bis auf weiteres zumindest in Sachen Reichweite und "Tankzeit" noch nicht geschlagen geben müssen.
Macht eine gute Figur auf dem Eis: Der Tesla Roadster Sportwagen |
Mit dabei: forum-Autorin Cornelia Truckenbrodt, eine begeisterte Sportwagenfahrerin. Sie prüfte den Tesla Sportwagen auf Herz und Nieren oder besser Reichweite, Heizung und den für sie obligatorischen Fahrspaß.
Impressionen auf dem Eis
Ich darf als Testfahrerin mit dabei sein und von Harrach empfängt unsere Testcrew mit folgendem Statement in der Kälte Norwegens:
"Wir wollen beweisen, dass zwei Annahmen stimmen: Erstens, Elektroautos sind ohne Einschränkung alltagstauglich - auch in kalten Gefilden. Zweitens, die neue Elektromobilität bedeutet Vernunft statt Verzicht. Der Roadster ist 100 Prozent alltags- und allwettertauglich und wo lässt sich das besser testen als hier auf den eisigen Seen Norwegens?"
Auf der abgesteckten Rennpiste sind die Teslas nicht alleine. Auch andere Sportwagen geben sich hier ein Stelldichein. Die technischen Zutaten unserer Wettbewerber: Schnelle Autos italienischer und deutscher Herkunft und ein Satz schmale Spikes für den besonders heißen Ritt über das Eis. Am Start tauchen die Boliden ihre Fans in röhrendes Motorengeräusch und die obligatorischen Abgaswölkchen. Aber die Aufmerksamkeit der Zuschauer gehört heute den geruchlosen Leisetretern: uns.
Energie gewinnen beim Bremsen
Und los geht's. Zuerst einmal schalten wir die Traktionskontrolle aus, schließlich wollen wir ein bisschen mit dem Heck spielen. Dann Startknopf drücken - ohne hörbare Rückmeldung, das ist ungewohnt - und Gas bzw. Strom geben. Gleich vor der ersten Kurve heißt es stark bremsen. Das funktioniert beim E-Auto anders als gewohnt: Das (Gas-)E-Pedal anheben bedeutet starke Verzögerung - wie aktives Bremsen im herkömmlichen PKW - und rekuperiert Strom in die Batterie. Der 215 kW/292 PS leistende Elektromotor macht aber auch die Bewegung des E-Pedals in die andere Richtung zu einem Erlebnis: Die Beschleunigung ist eindrucksvoll - weil linear und ohne jegliche Zugkraftunterbrechung. Auf nicht vereisten Straßen geschieht das in nur 3,7 Sekunden aus dem Stillstand auf 100 km/h und lässt fast alle herkömmlichen, benzinbetriebenen Sportwagen in den nicht vorhandenen Auspuff blicken. Und auch im Frost gräbt der Tesla die Spikes vehement ins Eis und demonstriert ein gnadenloses Drehmoment.
Heute sind die Stromer die Stars
Interessierte Fragen der norwegischen Autopilger nach dem Stammbaum des Fahrzeugs sind leicht zu beantworten: Es handelt sich bei dem Tesla Roadster um Plattform und Karosserie der einstigen Lotus Elise, aber mit Elektro-Motor und Batterien im Chassis. Doch die Frager wollen vor allem wissen, wie wir mit der Kälte klarkommen. Bei unserem Fahrzeug werden zuerst die Akkus, dann der Innenraum gewärmt. Aber 450 Kilogramm an Akkus sind ohnehin nicht so schnell durchgekühlt, was also nicht viel an "Saft" abzuzapfen scheint. Tesla integriert laut Jochen Rudat, Tesla-Chef Schweiz, ein "intelligentes Thermomanagement" in die Batterien - und dieses kann bei extremen Außentemperaturen sogar noch modifiziert werden. Gregor Wöltje, Eigentümer eines Tesla und Ganzjahresfahrer, berichtet von seinen Langzeiterfahrungen im Umkreis von München: "Sommer oder Winter machen kaum einen Unterschied in der Reichweite von um die 200 bis 250 Kilometer aus einer Ladung. Im Winter muss man den Innenraum und die Akkus auf Kosten der Batterieladung, d.h. Reichweite wärmen, im Sommer beides kühlen - und somit gleicht sich das Ganze quasi wieder aus. Man hat also übers Jahr gesehen eine ähnliche Reichweite". Dies zeigt, dass Tesla sowohl den Insassen wie den Batterien eine möglichst optimale Betriebstemperatur einrichtet.
Auch winterliches Driften meistert der Wagen tadellos |
Womit wir beim ersten Testpunkt wären - der Reichweite bei Kälte. Die Bedingungen an unserem Testort könnten kaum widriger sein. Die Menschen rund um die Eispiste haben sich mit dicken Jacken, Mützen und Decken eine gute Wärmedämmung gegönnt. Der Tesla (beziehungsweise seine Batterie) stirbt auch ohne derlei Schutzmaßnahmen nicht den Kältetod. Nach einem Tag Rennrunden-Drehen im Eisfach Europas - konkreter: fast 100 Kilometer "Bodenblech" und Querfahren bei minus 17 Grad - ist die Reichweite zwar etwas kleiner als gewohnt, aber es ist wohl eher unsere Fahrweise als die Kälte, die die Reichweite verringert. Und so ist genug "Saft" vorhanden für die Heimfahrt ins rund zehn Kilometer entfernte Nachtquartier - mit Reserve inklusive.
Diese Erfahrung bestätigt auch Wöltje: "Dauertempo 200 km/h auf der Autobahn oder permanente Spurts und starkes Bremsen verkürzen die Reichweite meines Autos sehr stark und ein Ausflug kann damit zu einem kurzen Fahrvergnügen werden". E-Fahren heißt eben auch intelligent und vorausschauend zu fahren.
Damit wären wir beim zweiten Testpunkt: der Fahrspaß. Zugegeben - ich fahre gerne Autos und gerne schnelle Autos. Ob hier ein flüsterleises Elektroauto meinen Anspruch erfüllen kann, war vor der Testfahrt mehr als zweifelhaft. Doch der Ausflug nach Norwegen belehrt mich eines besseren: Dieses Elektroauto macht mindestens so viel Spaß wie ein Sportler mit "herkömmlicher" Technik. Übermäßiger Verzicht wird nicht verlangt - nicht einmal auf eine Sitzheizung - die allerdings an der Reichweite knabbert, wie bei jedem E-Auto.
Fazit
Bis man sagen kann: "Er läuft und läuft und läuft" wird wohl noch Zeit vergehen - heute ist die Stunde der Trendsetter und Technik-Fans. Der Tesla Roadster ist ein exklusives und außergewöhnliches Auto - nicht zuletzt durch die konsequente Limitierung der Auflage auf weltweit 2.500 Exemplare - und das ist auch so gewollt. Von Harrach: "Ein Porsche ist dagegen ein Volkswagen". In Deutschland gibt es bisher 180 dieser Flitzer - und nur noch ein paar sind zum Basispreis von ab 101.700 Euro käuflich zu erwerben. Die Beschleunigung von null auf 100 in unter vier Sekunden und eine Karbonkarosserie gibt's gratis dazu. Dann ist Schluss mit dem Roadster - der nächste Wurf der Marke wird eine fünftürige Limousine mit bis zu sieben Sitzen für rund die Hälfte des Roadster-Preises. Mit diesem "Model S" will Tesla aggressiv in den Massenmarkt expandieren. Und dann beginnt vielleicht der Stresstest für die konventionellen Autos - die sich aber bis auf weiteres zumindest in Sachen Reichweite und "Tankzeit" noch nicht geschlagen geben müssen.
Quelle:
Technik | Mobilität & Transport, 14.05.2012
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