Mobilitätsverhalten hinterfragt

Wird Reisen asozial?

Was fühlen Sie, wenn Sie diese Frage lesen? Irritiert? Nachdenklich? Empört? Diese provokante Frage von Deutschlands einzigem Trendbeobachter Mathias Haas, von HAAS.KOMMUNIZIERT. aus Stuttgart, soll das Thema Nachhaltigkeit beim Reisen in den Fokus rücken. Was bei anderen Themen schon längst üblich ist, scheint beim Reisen noch nicht angekommen zu sein: umweltverantwortlicher Umgang mit Mobilität. Doch das ändert sich zunehmend, so der Trendbeobachter.

"Spaßmobilität von Personen und Waren müssen sich heute schon mal den Vorwurf gefallen lassen, unverantwortlich und damit asozial für die Gemeinschaft zu sein", beobachtet Mathias Haas, "und werden so unter Druck geraten."

Ein 30-Stunden Ausflug von Hamburg zum Championsleague Finale nach München mit dem Flugzeug, provoziert gerne mal ein kritisches Stirnrunzeln. Oder es wird eine Erklärung verlangt, warum bei einem Event in Stuttgart tonnenweise Schnee aus den Alpen angeliefert werden muss. Personen- und Warenreisen im Fun-Bereich werden zumindest häufiger hinterfragt oder kommentiert als früher. Kurztrips werden als Ego-Trip entlarvt, da immer mehr Menschen die CO2-Bilanz in die moralische Bewertung einer Handlung einrechnen. Besonders bei reinen Freizeit-Flügen sinkt die gesellschaftliche Akzeptanz stark. Und sie wird weiter sinken, so die Prognose des Trendbeobachters.

Grundlage seiner Thesen bilden lang- und mittelfristige Auswertungen von Megatrends. Sei es die demographische Entwicklung - mehr Singles, mehr Hochbetagte, weniger Kinder - oder die Umwälzungen bei der Automobilität - die Krise des Otto-Motors, Premium wird kleiner, weniger Führerscheine - Megatrends lassen Deutungen zu, die heute schon beleg- und beweisbar sind.
Wie zum Beispiel, dass immer mehr Menschen mit einer Kaufentscheidung ihre Haltung signalisieren wollen. Besonders im mittleren und höheren Einkommenssegment ist Konsum in Kombination mit Wertvorstellungen fast schon Standard und voll im Trend. Manufactum oder Alnatura, fairtrade oder der bewusste Verzicht auf ein SUV mit hohem Spritverbrauch - ich kaufe mich gut und vermeide Umweltbelastungen. Diese Entscheidungen haben ihren Preis, den ich bereit bin zu bezahlen, weil ich es mir finanziell und moralisch leisten kann - und schon sind wir auf der sozialen Ebene angekommen, so Mathias Haas.

Das Gesamtbild muss stimmen

Das ist bei Nahrungsmitteln oder Automobilen ein offener Diskurs geworden - nun ist die Mobilität dran. Nicht nur das Auto oder Flugzeug stehen auf dem Prüfstand, sondern wie der gesamte Mobilitätsmix aus Geschäfts-, Privat- oder Entertainment-Strecken einer Person auf dem CO2-Konto zu Buche schlägt.
"Wirkliche Nachhaltigkeit bei der Mobilität wird nicht durch den Ablasshandel für einzelne Fortbewegungsmittel oder Streckenabschnitte erreicht, sondern durch die komplexe Einrechnung aller getätigten Wege", darin sieht der in einem Reiseunternehmen ausgebildete Marketingfachmann eine große Herausforderung für die gesamte Mobilitätswirtschaft.

Auch einzelne Techniklösungen mögen Reduktionen bewirken - doch das Gesamtbild muss stimmen. Ein gutes Beispiel ist das Auto. Bei einer gemeinsamen Fahrt mit Daimler Ex-Vorstand Jürgen Hubbert in einem Mercedes-Benz S400 Hybrid, wollte Haas wissen, was in einem so großen Auto noch an Nachhaltigkeits-Potenzial steckt. Die Antwort lautete: Intelligente Konzepte.

Genau! Doch ob es intelligent ist, das mit einer Riesenlimousine umzusetzen, ist fraglich. Dass Premiumautos auch wieder kleiner werden, liegt nicht nur am Gewicht, sondern auch am schlechten Image als Dreckschleudern. Wichtiger werden deshalb nicht Technik- und Designansätze, sondern intelligente Konzepte im Bereich Dienstleistungen rund ums Reisen. Und Transparenz.

Gute Planung schont das CO2-Konto

Schon bei der Planung einer "belastungsarmen" Reise, sollte das Tourismusmarketing einer Destination Hilfestellungen bieten. Bei der Wahl einer Ferienwohnung, einer Hütte am Strand oder eines Demeter-Ferienhofes könnte der Nachhaltigkeitsaspekt schon mit der Anreise und Vor-Ort-Mobilität einen Wettbewerbsvorteil ausmachen. Wie viele Personen reisen an? Wie kann ich eine Bahn-Fahrt - vielleicht sogar durch die Bahncard grün, bei der der verbrauchte Strom als Ökostrom ins Bahnstromnetz eingespeist wird - mit der Miete eines E-Smarts am Zielort kombinieren? Oder will ich ein Fahrrad mieten und bekomme dafür CO2-Bonuspunkte, weil ich den Zielort dadurch schone?

Kurze Inlandsflüge werden von manchen Unternehmen schon automatisch durch Bahnfahrten ersetzt, Zeitkontigente bei Geschäftsreisen mit Blick auf die Wahl des Verkehrsmittels geplant. Heute sind Unternehmensleitbilder zu Nachhaltigkeit wichtig für ein "grünes Image", doch ein Leitbild in der Unternehmensphilosophie zum Thema Business-Travel wäre ein klares Signal für umweltbewusste Reiseplanung und bei vielen Käuferschichten sogar ein USP.

Auch Vereine wie der ADAC könnten ganz neue Potenziale ausschöpfen, wenn sie sich über das Auto hinaus als Mobilitätsclubs mehr Glaubwürdigkeit bei jüngeren, urbanen Menschen positionieren würden. Immer mehr junge Stadtbewohner verzichten bereits auf den Führerschein und somit auf eine fast lebenslange Automobil-Biografie. Sie sind die nachwachsende Generation, die immer mehr dem Credo "Benutzen statt Besitzen" folgt. Für den Trendbeobachter steht fest: "Der Besitz eines eigenen Autos wird durch Sharing- oder Genossenschaftsmodelle in Städten sowie durch den Prestige-Gewinn durch Verzicht unattraktiver." In Folge dieser mittel- bis langfristigen Trendentwicklung könnten vorausschauende Unternehmen umweltrelevante Standards und Regelwerke für sich und ihre Angebote entwickeln.

Um Zertifizierungen und Bewertungsrichtlinien für nachhaltigen Ökotourismus oder politisch korrektes Reisen wird gerungen. Doch ein einfaches Werkzeug eine Reise individuell und im Mix der Verkehrsmittel durchzuplanen, um die Bandbreite der Optionen deutlich zu machen, würde genügen, um das Verursacherprinzip transparenter und damit "sozialer" zu machen.

Quelle:
Technik | Mobilität & Transport, 02.05.2012

     
        
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