Der Bio-Pionier
Kann man Fisch noch mit gutem Gewissen essen?
Bereits seit 1988 - also lange bevor Nachhaltigkeit Mainstream wurde - verschrieb sich Hans Madel aus Günzburg mit seiner Firma Fontaine der Nachhaltigkeit: Für seine Fischprodukte verwendet er Fisch aus nachhaltigem Fang und bei der Weiterverarbeitung zu Fischkonserven, Pasteten und Salaten ausschließlich Zutaten aus kontrolliert biologischem Anbau. forum befragte den Pionier.
Herr Madel, welchen Fisch kann man heute noch mit gutem Gewissen essen?
Verbraucher können auch heute noch guten Gewissens Fisch essen. Wichtig ist eine selektive Kaufauswahl. Überfischte Arten wie der Aal oder der rote Thunfisch sollten sie generell meiden. Nicht immer sind aber ganze Arten, sondern einzelne Bestände regional überfischt. Freilich ist dies für Konsumenten nicht immer leicht zu erkennen. Entscheidungshilfe bieten Siegel im Fach- und Einzelhandel. Auch im Internet kann man sich gut informieren. Auf der Webseite fishbase.org, die von der Fischereibiologischen Abteilung des Instituts für Meereskunde in Kiel ins Leben gerufen wurde, finden sich viele Informationen zum Thema.
Welchem Fischhändler kann man trauen?
Es obliegt auch dem Fach- und Einzelhandel, eine Vorauswahl für die Verbraucher zu treffen. In den letzten Jahren haben viele Händler erfreulicherweise ihr Sortiment um nachhaltig gefischte Fischprodukte ausgeweitet. Der Bundesverband Naturkost Naturwaren (BNN) ist beispielsweise gerade dabei, sich mit einer noch strengeren Richtlinie für Wildfisch selbst in der Produktauswahl zu reglementieren. Generell sollte man sich beim Fachhändler seines Vertrauens gut informieren und sich bei Unklarheiten nicht scheuen, nachzufragen.
Welche Siegel unterstützen bei der richtigen Produktwahl?
Siegel für zertifiziert nachhaltigen Fischfang sind ein wichtiger Indikator geworden und können bei der Kaufauswahl behilflich sein. Das in Deutschland bekannteste Siegel ist sicherlich das blaue Siegel von Marine Stewardship Council, besser bekannt als MSC-Siegel. Daneben gibt es noch weitere Siegel wie beispielsweise das in Deutschland noch weitgehend unbekannte Siegel Friend of the Sea (FOS). Weltweit spielen diese beiden Siegel für nachhaltigen Fischfang die größte Rolle.
Wofür stehen diese Siegel?
Der MSC hat in Kooperation mit Wissenschaftlern, Fischereiexperten und Umweltschutzorganisationen Standards für nachhaltige Fischerei und für die Rückverfolgbarkeit von Fischerzeugnissen entwickelt. Friend of the Sea ist ebenso wie MSC eine unabhängige Non-Profit-Nichtregierungsorganisation, die sich zum Ziel gesetzt hat, das Meereshabitat zu erhalten. Sowohl MSC als auch FOS achten darauf, dass die Biodiversität erhalten bleibt, der Meeresgrund nicht beschädigt und der Beifang reduziert wird. FOS stellt zudem Kriterien zur sozialen Verantwortung auf und schreibt eine schrittweise Reduzierung des CO2-Fußabdrucks vor.
Wer steckt hinter diesen Siegeln, kann man diesen wirklich trauen?
Der MSC wurde 1997 auf eine Initiative des WWF und des Lebensmittelkonzerns Unilever hin gegründet. Seit dem Jahr 1999 ist der MSC komplett unabhängig und wird heute durch Spenden und Lizenzerträge finanziert. Friend of the Sea wurde von Dr. Paolo Bray gegründet, dem Leiter vom Earth Island Institute's Dolphin-Safe Project (Delphinschutzprojekt des Earth Island Instituts) in Europa. Das Delfinschutzprogramm hat bereits in den 1990er-Jahren dazu beigetragen, dass Millionen Delfine vor dem Tod in Thunfischnetzen bewahrt wurden. Wir halten beide Siegel für vertrauenswürdig. Beide Siegel sind sicherlich noch nicht perfekt, aber ein großer Schritt in die richtige Richtung. Notwendig ist vor allem ein Umdenken bei den politischen Entscheidungsträgern, sowohl in der EU als auch auf der ganzen Welt.
Haben diese Siegel einen Einfluss auf die Fangquoten?
Die Fangquoten werden durch die Siegel nicht beeinflusst, sondern von politischen Institutionen festgelegt. Leider werden die Fangquoten auf EU-Ebene nicht nach wissenschaftlichen Vorgaben festgesetzt, sondern sind teilweise politisch motiviert. Es dürfen aber nur Produkte mit den Siegeln gekennzeichnet werden, bei denen die Fischarten als nicht überfischt gelten. MSC hat in der Vergangenheit auch Zertifizierungen suspendiert, wenn in Fischregionen die Bestände zu sehr gefährdet waren.
Was ist die bessere Wahl für Mensch und Umwelt: Wildfisch oder Aquakultur?
Sofern der Wildfisch nachhaltig gefangen wird und die Bestände in der Fangregion es zulassen halten wir Wildfisch für eine gute Wahl. Wichtig bei Wildfisch ist es, auf das Fanggebiet und die Wasserqualität zu achten. Wir präferieren Wildfisch aus dem offenen Atlantik und Pazifik, wo die großen Meeresströme zu einer besseren Wasserdurchmischung führen als in der Ostsee oder dem Mittelmeer. Bei Aquakulturen empfehlen wir, auf ein Bio-Siegel oder ein anderes nachhaltiges Siegel zu achten.
Warum verkaufen Sie ausschließlich über den Naturkosthandel?
Wir haben die Entwicklung des Naturkostfachhandels fast seit Beginn mitgemacht. Wir schätzen am Naturkosthandel die Beratungserfahrung, die Qualität der Produkte und die Fachkompetenz der Geschäfte.
Werden wir in 50 Jahren noch wilden Fisch essen können oder hat der Mensch bis dahin alles zerstört?
Wir hoffen, dass es nicht soweit kommen wird. Noch ist der Prozess umkehrbar. Meeresforscher haben festgestellt, dass in neu eingerichteten Meeresschutzgebieten die Artenvielfalt rasch wieder ansteigt. Es muss vor allem bei den politischen Entscheidungsträgern ein Umdenken stattfinden. Auch die Fischereien profitieren langfristig vom nachhaltigen Bewirtschaften der Meeresressourcen. Überfischte Bestände erholen sich und die Populationen wachsen langfristig wieder an - zum Vorteil für die Umwelt und für die Fischereien.
Herr Madel, wir bedanken uns für das Gespräch.
Friend of the Sea
Die Non-Profit-Nichtregierungsorganisation Friend of the Sea (FOS) hat es sich zur Aufgabe gemacht, das Meereshabitat zu erhalten. FOS ist eines der bedeutendsten internationalen Projekte für die Zertifizierung von Produkten aus nachhaltiger Fischerei und Aquakultur. Zertifiziert werden nur Produkte aus nicht überfischten Beständen. Die zertifizierten Produkte und deren Herkunft werden vor Ort von unabhängigen internationalen Zertifizierungsgesellschaften nach den strengen FOS-Nachhaltigkeitskriterien geprüft.
Herr Madel, welchen Fisch kann man heute noch mit gutem Gewissen essen?
Verbraucher können auch heute noch guten Gewissens Fisch essen. Wichtig ist eine selektive Kaufauswahl. Überfischte Arten wie der Aal oder der rote Thunfisch sollten sie generell meiden. Nicht immer sind aber ganze Arten, sondern einzelne Bestände regional überfischt. Freilich ist dies für Konsumenten nicht immer leicht zu erkennen. Entscheidungshilfe bieten Siegel im Fach- und Einzelhandel. Auch im Internet kann man sich gut informieren. Auf der Webseite fishbase.org, die von der Fischereibiologischen Abteilung des Instituts für Meereskunde in Kiel ins Leben gerufen wurde, finden sich viele Informationen zum Thema.
Welchem Fischhändler kann man trauen?
Es obliegt auch dem Fach- und Einzelhandel, eine Vorauswahl für die Verbraucher zu treffen. In den letzten Jahren haben viele Händler erfreulicherweise ihr Sortiment um nachhaltig gefischte Fischprodukte ausgeweitet. Der Bundesverband Naturkost Naturwaren (BNN) ist beispielsweise gerade dabei, sich mit einer noch strengeren Richtlinie für Wildfisch selbst in der Produktauswahl zu reglementieren. Generell sollte man sich beim Fachhändler seines Vertrauens gut informieren und sich bei Unklarheiten nicht scheuen, nachzufragen.
Welche Siegel unterstützen bei der richtigen Produktwahl?
Siegel für zertifiziert nachhaltigen Fischfang sind ein wichtiger Indikator geworden und können bei der Kaufauswahl behilflich sein. Das in Deutschland bekannteste Siegel ist sicherlich das blaue Siegel von Marine Stewardship Council, besser bekannt als MSC-Siegel. Daneben gibt es noch weitere Siegel wie beispielsweise das in Deutschland noch weitgehend unbekannte Siegel Friend of the Sea (FOS). Weltweit spielen diese beiden Siegel für nachhaltigen Fischfang die größte Rolle.
Wofür stehen diese Siegel?
Der MSC hat in Kooperation mit Wissenschaftlern, Fischereiexperten und Umweltschutzorganisationen Standards für nachhaltige Fischerei und für die Rückverfolgbarkeit von Fischerzeugnissen entwickelt. Friend of the Sea ist ebenso wie MSC eine unabhängige Non-Profit-Nichtregierungsorganisation, die sich zum Ziel gesetzt hat, das Meereshabitat zu erhalten. Sowohl MSC als auch FOS achten darauf, dass die Biodiversität erhalten bleibt, der Meeresgrund nicht beschädigt und der Beifang reduziert wird. FOS stellt zudem Kriterien zur sozialen Verantwortung auf und schreibt eine schrittweise Reduzierung des CO2-Fußabdrucks vor.
Wer steckt hinter diesen Siegeln, kann man diesen wirklich trauen?
Der MSC wurde 1997 auf eine Initiative des WWF und des Lebensmittelkonzerns Unilever hin gegründet. Seit dem Jahr 1999 ist der MSC komplett unabhängig und wird heute durch Spenden und Lizenzerträge finanziert. Friend of the Sea wurde von Dr. Paolo Bray gegründet, dem Leiter vom Earth Island Institute's Dolphin-Safe Project (Delphinschutzprojekt des Earth Island Instituts) in Europa. Das Delfinschutzprogramm hat bereits in den 1990er-Jahren dazu beigetragen, dass Millionen Delfine vor dem Tod in Thunfischnetzen bewahrt wurden. Wir halten beide Siegel für vertrauenswürdig. Beide Siegel sind sicherlich noch nicht perfekt, aber ein großer Schritt in die richtige Richtung. Notwendig ist vor allem ein Umdenken bei den politischen Entscheidungsträgern, sowohl in der EU als auch auf der ganzen Welt.
Haben diese Siegel einen Einfluss auf die Fangquoten?
Die Fangquoten werden durch die Siegel nicht beeinflusst, sondern von politischen Institutionen festgelegt. Leider werden die Fangquoten auf EU-Ebene nicht nach wissenschaftlichen Vorgaben festgesetzt, sondern sind teilweise politisch motiviert. Es dürfen aber nur Produkte mit den Siegeln gekennzeichnet werden, bei denen die Fischarten als nicht überfischt gelten. MSC hat in der Vergangenheit auch Zertifizierungen suspendiert, wenn in Fischregionen die Bestände zu sehr gefährdet waren.
Was ist die bessere Wahl für Mensch und Umwelt: Wildfisch oder Aquakultur?
Sofern der Wildfisch nachhaltig gefangen wird und die Bestände in der Fangregion es zulassen halten wir Wildfisch für eine gute Wahl. Wichtig bei Wildfisch ist es, auf das Fanggebiet und die Wasserqualität zu achten. Wir präferieren Wildfisch aus dem offenen Atlantik und Pazifik, wo die großen Meeresströme zu einer besseren Wasserdurchmischung führen als in der Ostsee oder dem Mittelmeer. Bei Aquakulturen empfehlen wir, auf ein Bio-Siegel oder ein anderes nachhaltiges Siegel zu achten.
Warum verkaufen Sie ausschließlich über den Naturkosthandel?
Wir haben die Entwicklung des Naturkostfachhandels fast seit Beginn mitgemacht. Wir schätzen am Naturkosthandel die Beratungserfahrung, die Qualität der Produkte und die Fachkompetenz der Geschäfte.
Werden wir in 50 Jahren noch wilden Fisch essen können oder hat der Mensch bis dahin alles zerstört?
Wir hoffen, dass es nicht soweit kommen wird. Noch ist der Prozess umkehrbar. Meeresforscher haben festgestellt, dass in neu eingerichteten Meeresschutzgebieten die Artenvielfalt rasch wieder ansteigt. Es muss vor allem bei den politischen Entscheidungsträgern ein Umdenken stattfinden. Auch die Fischereien profitieren langfristig vom nachhaltigen Bewirtschaften der Meeresressourcen. Überfischte Bestände erholen sich und die Populationen wachsen langfristig wieder an - zum Vorteil für die Umwelt und für die Fischereien.
Herr Madel, wir bedanken uns für das Gespräch.
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Quelle:
Umwelt | Ressourcen, 26.04.2012
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