"Es wächst, was wachsen will"

Neue Aufforstungsmethode kann den Regenwald retten

Eine neue Aufforstungsmethode ermöglicht die Wiederherstellung von artenreichen Wäldern bei gleichzeitiger Nutzung der Fläche für die Landwirtschaft. Entwickelt wurde diese Methode in jahrzehntelanger Pionierarbeit in Brasilien und Bolivien. Die Naturschutzorganisation Naturefund hat die Methode testweise in einem Aufforstungsprojekt in Honduras eingeführt, mit großen Erfolg. Es besteht die Hoffnung, mit dieser neuen Aufforstungsmethode einen entscheidenden Schlüssel für die Rettung der letzten Urwälder dieser Erde gefunden zu haben.

Alle Bäume sollten sich ihrer Natur entsprechend entfallten können. Der Baobab macht es uns vor.
Foto: © Dr. C. Fried
Wertvolle Wälder werden weltweit abgeholzt: Nicht nur von multinationalen Konzernen, sondern auch von den Menschen vor Ort: Sie roden Wälder für Feuerholz, für neues Ackerland oder einfach um sich ein wenig Geld hinzu zu verdienen. Das Ergebnis sind meist ökologisch tote Brachen. Nun wurde eine Methode erfolgreich erprobt, welche in der Fachsprache sukzessionale Agroforstwirtschaft, vereinfacht auch Waldgarten genannt wird.

Die Waldgartenmethode hat gleich drei positive Effekte:
  1. Gerodete Flächen können einfach und kostengünstig wieder aufgeforstet werden.
  2. Durch ein geschickt konzipiertes System können die Menschen ihre Nahrungsmittel in den Waldgärten anbauen. Der Ertrag in Tonnen ist meist genauso hoch wie auf herkömmlich genutzten Flächen.
  3. Die Waldgartenmethode ist nachhaltig und umweltverträglich, weil auf Pestizide und Düngemittel komplett verzichten werden kann.

Das Prinzip ist einfach, doch für den Menschen ungewohnt. Es erfordert anfangs einiges an Kenntnis über Pflanzengesellschaften und Biotope. Genutzt wird die natürliche Sukzession, also der Prozess der Besiedlung von Flächen durch Pflanzengesellschaften, die auf den jeweiligen Böden, in der jeweiligen Region und dem Biotoptyp von Natur aus vorkommen würden. Die Sukzession wird geschickt kombiniert mit Nutzpflanzen und Bäumen. Auf diesem Weg können Wälder in 15 bis 20 Jahren wieder aufgebaut werden bei gleichzeitiger Nutzung der Fläche für die Landwirtschaft. Was für viele utopisch klingen mag, wird seit drei Jahrzehnten erfolgreich in Bolivien und Brasilien praktiziert und dringt langsam zu der Fachwelt vor.

Auch das Verfahren ist einfach: Kurz vor der Regenzeit wird der Boden aufgelockert und Tausende von Samen - darunter Samen für Pionierpflanzen, Pflanzen, welche den Boden verbessern, Büsche und erste Baumsamen, aber natürlich auch schnell wachsende Gemüsepflanzen - werden auf dem oft ausgelaugten, kahlen Boden ausgestreut. Und dann ... macht der Mensch erst einmal nichts mehr, sondern lässt wachsen, was wachsen will.

Wie auf jeder Brache, in jedem Gewerbegebiet oder auch im eigenen Garten gut zu beobachten, wachsen anfangs Pflanzen, die mit Boden und Klima zurecht kommen. Meist sind das einheimische Gräser und Sträucher, aber auch erste Büsche und Bäume. Die Waldgartenmethode kombiniert diesen ersten Bewuchs geschickt mit passenden Nutzpflanzen. In den Tropen sind das z. B. Kürbisse, Bananen und Papayas. Dazwischen schon eingestreut die erst Baumsetzlinge von Kakao, Kaffee, Orangen ...

Pflanzen konkurrieren grundsätzlich um Boden, Wasser und Licht. In dem System Waldgarten wird daher "Unkraut" nicht gejätet, also mühselig aus dem Boden gerupft, sondern einfach gekappt. Die Pflanzenreste bleiben liegen und bietet den nachwachsenden Pflanzen Nährstoffe zum Gedeihen, halten den Boden bedeckt und damit meist feucht.

Dem Prinzip vertrauend "Es wächst, was wachsen will" entsteht auf den ersten Blick ein wildes Durcheinander an Nutz- und Wildpflanzen, Büschen und Bäumen. Auf dem zweiten Blick ist es jedoch ein ausgeglichenes System aus Pflanzen, die kurz- und auch langfristige Erträge abwerfen und den Wald wieder wuchern lassen. Maschinen sind im großen Stil nicht anwendbar und gerade darum ist der Waldgarten eine ideale Methode für Kleinbauern. Durch die Vielfalt an Pflanzen sind Krankheiten selten, und wenn, dann treten sie nur an einzelnen Pflanzen auf. Pestizide werden nicht gebraucht. Da ein großer Teil der Biomasse im System bleibt, kann auch auf Dünger verzichtet werden.

Entscheidend ist, so Naturefund Gründerin Katja Wiese, dass diese Waldgärten im Vergleich zu Monokulturen gleichbleibende Erträge sichern. Untersuchungen auf Flächen in Bolivien und in Brasilien zeigen, dass die Erträge gemessen in Tonnen fast eben so hoch sind wie auf konventionellen Flächen. Langfristig gesehen liegen sie sogar oft höher, da es kaum Ernteausfälle gibt.

Bei dem Aufforstungsprojekt in Honduras wurden beste Erfahrungen mit den Waldgärten gemacht. Dort wurde die Methode zu Beginn des Jahren eingeführt. Schon nach drei Monaten zeigte sich, wie schnell dieser Ansatz zu einer Wiederbegrünung von abgeholzten Flächen führt und zu ersten Erträgen für die Kleinbauern.

Katja Wiese: "Wir waren von Anfang an von der Methode Waldgarten begeistert. Doch die unglaublich große Resonanz der Kleinbauern in unserem Projekt in Honduras hat uns völlig überwältigt. Die Bauern dort sind sehr vorsichtig, jeder falsche Schritt kann ihr Überleben gefährden. Daher haben wir im Frühjahr mit 15 Kleinbauern angefangen, von denen wir wussten, dass sie bereit waren, Neues auszuprobieren. Jetzt im Oktober, Anfang der Regenzeit wollten wir mit ihnen weitere Flächen nach der Methode Waldgarten anlegen. Doch es waren nicht nur die 15 Bauern da, sondern 56 Männer und Frauen, die zum Teil weite Strecken zu Fuß gegangen sind, um diese Methode kennenzulernen. Wer jemals mit Kleinbauern zusammengearbeitet hat, weiß, was für ein unglaublicher Erfolg das ist. Nicht nur wir sind begeistert von den Waldgärten, sondern auch die Menschen vor Ort."

Gerade das empfindet Katja Wiese als starke Motivation, genau auf diesem Weg weiter zu machen. So möchte sie diese Methode unbedingt auch in dem Projekt auf Madagaskar einführen, wo der einzigartigen Dornbuschwald im Südwesten der Insel mehr und mehr abgeholzt wird. Stellt sich diese Methode hier als genauso erfolgreich heraus wie in Honduras, könnte der wertvolle Wald bewahrt und den Menschen alternative und nachhaltige Anbaumethoden vermittelt werden. "Wenn es uns gelänge dort gemeinsam mit den Menschen Nahrungsmittel zu produzieren und dabei gleichzeitig den Wald zu schützen, wäre das ein tolles Weihnachtsgeschenk für uns alle."

Mehr über das Projekt in Madagaskar: www.naturefund.de/madagaskar

Quelle:
Umwelt | Umweltschutz, 23.11.2011

     
        
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