Landgrabbing
Oxfam warnt: Ausverkauf von Land weitaus dramatischer als bisher angenommen
Oxfams neuer Bericht "Land and Power" zeigt, dass die weltweit steigende Nachfrage nach Landflächen weitaus größere Ausmaße hat, als von der Weltbank angenommen.(1) Nach Oxfams neuesten, noch vorläufigen Untersuchungsergebnissen wurden seit 2001 insgesamt bis zu 227 Millionen Hektar Land aufgekauft oder gepachtet (2), der Großteil davon in den letzten zwei Jahren. Dies entspricht einer Fläche so groß wie Westeuropa.
"Wir haben es hier vielfach mit Landgrabbing zu tun", erklärt Oxfams Agrarexpertin Marita Wiggerthale. "Das heißt, Investoren ignorieren die Rechte und Bedürfnisse armer Menschen, die das Land bearbeiteten und davon lebten. Sie verlieren ihr Zuhause und ihre Lebensgrundlagen, ohne zuvor angehört oder entschädigt zu werden und ohne die Verträge anfechten zu können." Der Oxfam-Bericht liefert dazu Beispiele aus Uganda, Indonesien, Honduras, Guatemala und dem Südsudan.
Uganda: Mindestens 22.500 Menschen wurden vertrieben
Oxfams Recherchen zeigen, dass zwischen 2006 und 2010 mindestens 22.500 Menschen in den ugandischen Distrikten Mubende und Kiboga ihr Land zugunsten des britischen Holzunternehmens New Forests Company (NFC) verloren haben.
Viele Betroffene beklagen, wie sie, teilweise unter Anwendung von Gewalt, vertrieben wurden und nun mittellos dastehen. Gerichtsurteile untersagten zwar solche Vertreibungen, aber Augenzeugen berichten, dass Arbeiter der NFC an einigen Vertreibungen beteiligt gewesen seien. Das Unternehmen bestreitet
dies.(3)
Der Bauer Francis, Mitte vierzig, der ehemals im Kiboga-Distrikt lebte,
erzählt: "Unsere gesamten Pflanzungen wurden zerstört - wir haben alles, was wir hatten, verloren. Wir dürfen nicht einmal hin, um das, was wir zurücklassen mussten, zu holen. Die Tagelöhner des Unternehmens drohten uns sogar Schläge an, wenn wir nicht gingen."
Bestehende Landrechte sichern, Frauen gleichberechtigt behandeln
Oxfam setzt sich im Rahmen seiner Kampagne "Mahlzeit!" für den Stopp von Landgrabbing durch Regierungen und Unternehmen ein. "Bestehenden Landrechten sollte Vorrang vor Investoren-Interessen eingeräumt werden. Und zwar nicht nur, wenn legale Landtitel oder formale Besitzverhältnisse bestehen, sondern auch dort, wo Gewohnheitsrechte bestehen und Land traditionell seit Generationen bewirtschaftet wird. Ebenso sollten Frauen die gleichen Landrechte wie Männer erhalten", fordert Wiggerthale.
Die Regierungen und Unternehmen müssten betroffene Kleinbäuerinnen und Kleinbauern, nomadische Viehzüchter und indigene Bevölkerungsgruppen vorab informieren und anhören. Internationale Standards - wie zum Beispiel die International Finance Corporation Performance Standards der Weltbank oder die Standards des Forest Stewardship Council - müssten beachtet und menschenrechtliche Verpflichtungen zum Schutz der kleinbäuerlichen Produzenten und der lokalen Bevölkerung eingehalten werden. Wiggerthale:
"Potentiell entwicklungsschädliche Anreize für Landaufkäufe, wie die fehlgeleiteten Biospritpolitiken der EU, sollten abgeschafft werden."
Im Oktober trifft sich der UN-Welternährungsausschuss in Rom, um Leitlinien zu Landnutzungsrechten zu verabschieden. "Dies ist ein wichtiger, erster Schritt. Auf internationaler Ebene muss dringend gehandelt werden, damit Menschen, die ohnehin fast nichts besitzen, dieses Bisschen nicht auch noch zugunsten einiger weniger Investoren verlieren. Es muss sichergestellt werden, dass in Zukunft alle genug zu essen haben", so Wiggerthale.
Landgrabbing-Bericht und ausführlichere Infos zum Uganda-Fall gibt es hier: www.oxfam.de/landgrabbing
(1) Am 7. September 2010 bezifferte die Weltbank den Umfang großflächiger Landgeschäfte im Jahr 2009 auf 45 Millionen ha. In den zehn Jahren zuvor wurden im Schnitt vier Millionen ha jährlich aufgekauft oder gepachtet.
(2) Die von Oxfam verwendete Zahl 227 Millionen ha basiert auf Informationen über Landgeschäfte mit einer Größe von mehr als 200 ha aus verschiedenen Quellen, einschließlich Regierungsberichten, wissenschaftlicher Forschung, Medienberichten und den wenigen verfügbaren Verträgen. Die "Land Matrix Partnership" umfasst die International Land Coalition, die Universitäten Bern und Hamburg, das französische Forschungsinstitut CIRAD und die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ). Das Bündnis überprüft momentan die Daten zu den ihnen bekannten Landgeschäften. Es fordert eine verbesserte Transparenz von Unternehmen und Regierungen, damit das wahre Ausmaß des Problems genau erfasst werden kann.
(3) Die Vertreibungen fanden in den Jahren 2006 bis 2010 statt. Ein Urteil des ugandischen Obersten Gerichtshofs lag am 24. August 2009 vor und blieb bis zum 18. März 2010 in Kraft. Ein anderes Gerichtsurteil lag am 19. Juni
2009 vor und blieb bis zum 2. Oktober 2009 in Kraft. Beide Urteile verlangen das Unterlassen von Vertreibungen. Die NFC erklärte, dass die Mehrheit der Bewohner vor Ort über keine legalen Landrechte verfügten, dass sie das Land friedlich verlassen hätten, und dass der Prozess in der alleinigen Verantwortung der ugandischen Forstbehörde läge. Das Unternehmen teilte Oxfam mit, dass es viele Jobs geschaffen hätte, dass es Zusatzleistungen für die lokalen Gemeinden erbracht hätte, und dass seine Aktivitäten vom Forest Stewardship Council und der International Finance Corporation genehmigt worden seien.
Lillian Kabirezi (Name geändert), 22, mit ihrem Sohn. Lillian berichtet aus ihrer Siedlung vertrieben worden zu sein. |
Uganda: Mindestens 22.500 Menschen wurden vertrieben
Oxfams Recherchen zeigen, dass zwischen 2006 und 2010 mindestens 22.500 Menschen in den ugandischen Distrikten Mubende und Kiboga ihr Land zugunsten des britischen Holzunternehmens New Forests Company (NFC) verloren haben.
Viele Betroffene beklagen, wie sie, teilweise unter Anwendung von Gewalt, vertrieben wurden und nun mittellos dastehen. Gerichtsurteile untersagten zwar solche Vertreibungen, aber Augenzeugen berichten, dass Arbeiter der NFC an einigen Vertreibungen beteiligt gewesen seien. Das Unternehmen bestreitet
dies.(3)
Der Bauer Francis, Mitte vierzig, der ehemals im Kiboga-Distrikt lebte,
erzählt: "Unsere gesamten Pflanzungen wurden zerstört - wir haben alles, was wir hatten, verloren. Wir dürfen nicht einmal hin, um das, was wir zurücklassen mussten, zu holen. Die Tagelöhner des Unternehmens drohten uns sogar Schläge an, wenn wir nicht gingen."
Bestehende Landrechte sichern, Frauen gleichberechtigt behandeln
Oxfam setzt sich im Rahmen seiner Kampagne "Mahlzeit!" für den Stopp von Landgrabbing durch Regierungen und Unternehmen ein. "Bestehenden Landrechten sollte Vorrang vor Investoren-Interessen eingeräumt werden. Und zwar nicht nur, wenn legale Landtitel oder formale Besitzverhältnisse bestehen, sondern auch dort, wo Gewohnheitsrechte bestehen und Land traditionell seit Generationen bewirtschaftet wird. Ebenso sollten Frauen die gleichen Landrechte wie Männer erhalten", fordert Wiggerthale.
Die Regierungen und Unternehmen müssten betroffene Kleinbäuerinnen und Kleinbauern, nomadische Viehzüchter und indigene Bevölkerungsgruppen vorab informieren und anhören. Internationale Standards - wie zum Beispiel die International Finance Corporation Performance Standards der Weltbank oder die Standards des Forest Stewardship Council - müssten beachtet und menschenrechtliche Verpflichtungen zum Schutz der kleinbäuerlichen Produzenten und der lokalen Bevölkerung eingehalten werden. Wiggerthale:
"Potentiell entwicklungsschädliche Anreize für Landaufkäufe, wie die fehlgeleiteten Biospritpolitiken der EU, sollten abgeschafft werden."
Im Oktober trifft sich der UN-Welternährungsausschuss in Rom, um Leitlinien zu Landnutzungsrechten zu verabschieden. "Dies ist ein wichtiger, erster Schritt. Auf internationaler Ebene muss dringend gehandelt werden, damit Menschen, die ohnehin fast nichts besitzen, dieses Bisschen nicht auch noch zugunsten einiger weniger Investoren verlieren. Es muss sichergestellt werden, dass in Zukunft alle genug zu essen haben", so Wiggerthale.
Landgrabbing-Bericht und ausführlichere Infos zum Uganda-Fall gibt es hier: www.oxfam.de/landgrabbing
(1) Am 7. September 2010 bezifferte die Weltbank den Umfang großflächiger Landgeschäfte im Jahr 2009 auf 45 Millionen ha. In den zehn Jahren zuvor wurden im Schnitt vier Millionen ha jährlich aufgekauft oder gepachtet.
(2) Die von Oxfam verwendete Zahl 227 Millionen ha basiert auf Informationen über Landgeschäfte mit einer Größe von mehr als 200 ha aus verschiedenen Quellen, einschließlich Regierungsberichten, wissenschaftlicher Forschung, Medienberichten und den wenigen verfügbaren Verträgen. Die "Land Matrix Partnership" umfasst die International Land Coalition, die Universitäten Bern und Hamburg, das französische Forschungsinstitut CIRAD und die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ). Das Bündnis überprüft momentan die Daten zu den ihnen bekannten Landgeschäften. Es fordert eine verbesserte Transparenz von Unternehmen und Regierungen, damit das wahre Ausmaß des Problems genau erfasst werden kann.
(3) Die Vertreibungen fanden in den Jahren 2006 bis 2010 statt. Ein Urteil des ugandischen Obersten Gerichtshofs lag am 24. August 2009 vor und blieb bis zum 18. März 2010 in Kraft. Ein anderes Gerichtsurteil lag am 19. Juni
2009 vor und blieb bis zum 2. Oktober 2009 in Kraft. Beide Urteile verlangen das Unterlassen von Vertreibungen. Die NFC erklärte, dass die Mehrheit der Bewohner vor Ort über keine legalen Landrechte verfügten, dass sie das Land friedlich verlassen hätten, und dass der Prozess in der alleinigen Verantwortung der ugandischen Forstbehörde läge. Das Unternehmen teilte Oxfam mit, dass es viele Jobs geschaffen hätte, dass es Zusatzleistungen für die lokalen Gemeinden erbracht hätte, und dass seine Aktivitäten vom Forest Stewardship Council und der International Finance Corporation genehmigt worden seien.
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Quelle:
Gesellschaft | Politik, 22.09.2011
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